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DER WEG IN DAS ATOMZEITALTER (Seite 1-14)

2017. március 01. 10:54 - RózsaSá

DER WEG IN DAS ATOMZEITALTER

Physik wird Weltgeschichte

Mit 147 Abbildungen, Dokumenten und Autographen

147 képpel, dokumentummal, autográffal

Armin Hermann

München, 1986

deutsch-ungarisch   német-magyar   selbst redigieren   önszerkesztő

www.okobetyar.blog.hu

EINFÜHRUNG

Vor einhundert Jahren

Die Physik um 1879

 

Száz évvel ezelőtt (140?)

Fizika 1879-ben

 

KAPITEL I

Salzburg 1909

Revolution in der Physik

 

Salzburg 1909-ben

Forradalom a fizikában

 

KAPITEL II

Die Spezielle Relativitätstheorie

Transformation von Raum und Zeit

 

A speciális relativitáselmélet

Tér és idő transzformációja

 

KAPITEL III

Einsteins Quantenkonzept

Die Natur macht Sprünge

 

Einstein kvantumelmélete

A természetben vannak ugrások

 

KAPITEL IV

Das Laue-Diagramm

Entdeckung der Röntgenstrahlinterferenz

 

A Laue-diagram

A röntgensugár-interferencia fölfedezése

 

KAPITEL  V

Berlin - Hauptstadt der Wissenschaft

Das goldene Zeit der Physik

 

Berlin - a tudomány fővárosa

A fizika aranykorszaka

 

KAPITEL VI

Otto Hahn und Lise Meitner

Begründung der radioaktiven Forschung in Deutschland

 

Otto Hahn és Lise Meitner

A radioaktív kutatás megalapozása Németországban

 

KAPITEL VII

Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft

Beginn der „Big Science“

 

A Kaiser Wilhelm Társaság

A “Big Science” kezdete

 

KAPITEL VIII

Die Allgemeine Relativitätstheorie

Harmonien des Makrokosmos

 

Az általános relativitáselmélet

A makrokozmosz harmóniái

 

KAPITEL IX

Die zwanziger Jahre

Vollendung der Quantentheorie

 

A huszas évek

A kvantumelmélet befejezése

 

KAPITEL X

Denk' ich an Deutschland in der Nacht

„Machtergreifung“ in der Wissenschaft

 

Németországra gondolok éjjel

“Hatalomátvétel” a tudományban

 

KAPITEL XI

Die Völkerwanderung von unten

Physik und Politik im Dritten Reich

 

Népvándorlás alúlról

Fizika és politika a Harmadik Birodalomban

 

KAPITEL XII

Die Tür zum Atomzeitalter

Physik wird Weltgeschichte

 

Az atomkorszak kapujában

A fizika világtörténelem lesz

 

KAPITEL XIII

Der Wiederaufbau

Gründung der Max-Planck-Gesellschaft

 

Újjáépítés

A Max Planck Társaság alapítása

 

KAPTEL XIV

Einstein und die Deutschen

Bewältigung der Vergangenheit

 

Einstein és a németek

A múlt földolgozása

 

KAPITEL XV

Die politischen Probleme der Kernenergie

Hoffnung und Bedrohung fur die Menschheit

 

Az atomenergia politikai problémái

Remény és fenyegetés az emberiségnek

 

Anhang-Függelék

Zeittafel-Időtábla

Literatur-Irodalom

Register-Tárgymutató

Bildnachweis-Képforrások

 

Aus der I. Auflage (zensuriert?)

Az I. kiadásból  (cenzurált?)

 

7

EINFÜHRUNG

Vor einhundert Jahren

Die Physik um 1879

 

Als nach bestandenem Abitur im Jahre 1874 der sechzehnjährige

MAX PLANCK sich nach den Aussichten eines Physikstudiums erkundigte,

riet der Fachvertreter an der Universität München dringend ab: In der

Physik sei schon alles Wesentliche erforscht und nur noch unbedeu-

tende Lücken gäbe es auszufüllen. Mit seiner Ansicht stand PHILIPP

VON JOLLY keineswegs allein. Wie viele andere betrachtete auch der

Berliner Physiker und Physiologe EMIL BOIS-REYMOND das Gesetz

von der Erhaltung der Energie als den Höhepunkt und endgültigen

Schlußstein der Physik.

Vor einhundert Jahren, als MAX PLANCK im Juni 1879 an der Universi-

tät München promovierte, etwa zur gleichen Zeit also, als LISE MEIT-

NER, OTTO HAHN, ALBERT EEINSTEIN und MAX von LAUE geboren wur-

den, war das Weltbild der Physik - gemessen an heutigen Vorstellun-

gen - allzu simpel und oberflächlich: Als Grundgegebenheit in der an-

organischen Natur betrachtete man die Materie, die man sich als in so-

genannten „Massenpunkten“ konzentriert denken konnte oder auch

kontinuierlich verteilt über einen abgegrenzten Raum. Die Aufgabe

der Physik sah man nur darin, die Bewegungsgesetze der Materie auf-

zufinden.

Für die ponderable Materie hatte das schon zweihundert Jahre zuvor

ISAAC NEWTON getan, und es ging jetzt darum, auch die Bewegungsge-

setze der elektrischen Materie aufzustellen. WILHELM WEBER hatte

eine Form gefunden, die ganz dem alten Newtonschen Gravitations ge-

setz nachgebildet war. Sein Ansatz aber wurde von der neuen Elektro-

dynamik von JAMES CLERK MAXWELL weit übertroffen.

HERMANN von HELMHOLTZ, der eine so große Autorität besaß, daß

man ihn den „Reichskanzler der deutschen Physik“ nannte, regte

seine Mitarbeiter und Schüler zur Prüfung der Maxwellschen Theorie

an, HEINRICH HERTZ erzielte einen vollen Erfolg.

Wenn das Licht, wie von MAXWELL behauptet, ein elektromagneti-

sches Wellenphänomen darstellt, dann sollte es möglich sein, solche

Wellen auch experimentell auf elektromagnetischem Wege zu erzeu-

gen. HERTZ benutzte eine Versuchsanordnung, die wir heute einen

„Schwingkreis“ nennen, Er bemerkte, daß die erzeugten schnellen

elektromagnetischen Schwingungen sich vom Schwingkreis lösen. Am

  1. November 1886 gelang ihm die Übertragung seiner Wellen über

einen Abstand von eineinhalb Metern von einem primären auf einen

sekundären ,.Schwingkreis“, Damit hatte er erstmalig Sender und

Empfänger elektrischer Wellen konstruiert.

 

Die HERTZschen Versuche bewiesen. daß die von MAXWELL aus seinen

Gleichungen mathematisch abgeleiteten. sich mit Lichtgeschwin-

digkeit ausbreitenden elektromagnetischen Wellen keine Fiktion,

sondern physikalische Realität sind. Rasch konnte HERTZ nachwei-

sen, daß seine Wellen reflektiert und gebrochen werden können. daß

Interferenz und Polarisation auftreten, kurz, daß alle grundlegenden

Eigenschaften des Lichtes vorhanden sind. Damit war die „pysika-

lische Natur“ des Lichtes erfaßt: Das Licht ist, wie man sagte. eine

elektromagnetische Schwingung im Äther.

Eine Anwendung der von ihm entdeckten Wellen hielt HEINRICH

HERTZ für unmöglich. Aber kurze Zeit später, noch vor der Jahrhun-

dertwende, setzte mit drahtloser Telegraphie und Rundfunk eine

neue technische Entwicklung ein. Die Zeitgenossen nannten ihr

  1. Jahrhundert die „Epoche der Elektrizität“.

Die Maxwellschen Gleichungen wurden eingeordnet in das mechani-

sche Weltbild. Man faßte die magnetischen und elektrischen Phäno-

mene als Spannungszustände und Wirbel des „Lichtäthers“ auf. So

stellte sich MAXWELL das magnetische Feld als Wirbel vor, die in Rich-

tung der Kraftlinien als Achse, einsinnig drehend, aufeinanderfolgen.

Zwischen benachbarten Wirbeln sind entgegengesetzt rotierende

Hilfswirbel zur Übertragung der Drehung eingeschaltet.

Im Jahre 1891, als LUDWIG BOLTZMANN an der Universität München

wirkte, ließ er ein mechanisches Modell bauen für die induzierende

Wirkung zweier Strornkreise aufeinander. „Es scheint uns heute kom-

plizierter als die Maxwellsche Theorie selbst“, sagte dazu ARNOLD

SOMMERFELD, der Amtsnachfolger BOLZMANNs, „wird uns also nicht

zu deren Erläuterung, wohl aber bei einer Übungsaufgabe über das

Differentialgetriebe des Automobils gute Dienste leisten, mit dem es

in wesentlichen Zügen übereinstimmt.“

Die mechanische Erklärung der Elektrodynamik blieb letztlich unbe-

friedigend. Gegen Ende des Jahrhunderts gewohnten sich die Physiker

daran, in der elektrischen Ladung und als Konsequenz davon auch im

elektrischen und magnetischen „Feld“ eine neue Wesenheit zu sehen:

Die klassische Mechanik galt nur mehr als ein Teilgebiet der Physik,

Daneben stand nun, als nicht minder stolzes Gedankengebäude, die

Elektrodynamik.

Fasziniert davon, daß die Fülle der Phänomene sich in so wunder-

bar symmetrische Gesetze zusammenfassen läßt, zitierte LUDWIG

BOLTZMANN in seinen Vorlesungen über die Maxwellsche Theorie aus

8

Goethe, Faust, Erster Teil (nicht Zweiter!):

 

„War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,

die mit geheimnisvoll verborgnem Trieb

die Kräfte der Natur um mich enthüllen

und mir das Herz mit stiller Freude füllen.“

 

Seine Begeisterung sprang auf die Studenten über. So wurde LISE

MEITNER für die theoretische Physik gewonnen.

„Der faszinierendste Gegenstand zur Zeit meines Studiums war die

Maxwellsche Theorie“, berichtete auch ALBERT EINSTEIN. Er blieb

aber nicht bei der emotionalen Zustimmung, sondern blickte tiefer. So

befaßte er sich mit physikalischen Vorgängen, bei denen die Gesetze

der Elektrodynamik und zugleich die der Mechanik eine Rolle spielen.

ln der Newtonschen Mechanik hat man es mit Teilchen zu tun, in der

Maxwellschen Theorie mit Feldern, weswegen man von einer Feld-

theorie spricht: Den Bereich, in dem eine elektrische oder magnetische

Kraft wirkt, nennt man ein elektrisches oder magnetisches Feld. Dabei

ist, anders als in der Newtonschen Physik, die Energie kontinuierlich

über alle Punkte des Feldes verteilt. Das wesentliche Neue in der

Maxwellsclhen Theorie ist nun, daß sich ein Feld, etwa ein magnetisches

beim Einschalten eines Stromes, nicht instantan aufbaut, sondern mit

einer bestimmten Geschwindigkeit, kleiner oder höchstens gleich der

Lichtgeschwindigkeit.

Da die Newtonsche Theorie der Mechanik auf die Vorstellung einer

Fernwirkung, die Muwellsche Theorie der Elektrodynamik auf die

Vorstellung der Feld- oder Nahewirkung gegründet war, standen

beide in einem prinzipiellen Widerspruch zueinander, der sich um die

Wende zum 20. Jahrhundert auch physikalisch bemerkbar machte.

„Es ist bekannt“, so leitete EINSTEIN seine berühmte Abhandlung

von 1905 über die „Elektrodynamik bewegter Körper“ ein, „daß die

Elektrodynamik Maxwells . . . in ihrer Anwendung auf bewegte Kör-

per zu Asymmetrien führt, welche den Phänomenen nicht anzuhaften

scheinen.“ Durch einfache Gedankenexperimente zeigte EINSTEIN,

daß es nicht die neue Elektrodynamik ist, die reformiert werden muß.

sondern die auf Newton zurückgehende klassische Mechanik. So be-

gründete er 1905 seine Spezielle Relativitätstheorie.

Die Allgemeine Relativitätstheorie war dann der zweite und letzte

Schritt in der Revision der Mechanik. Nun war auch die Gravitation in

die Form einer Feldtheorie gebracht und damit erkenntnistheoretisch

auf die gleiche Stufe gehoben wie die Maxwellsche Elektrodynamik

EINSTEIN hatte die klassische Mechanik NEWTONS mit der Maxwell-

schen Theorie verglichen und zu leicht befunden. Aber für ihn war

auch dic Maxwellsche Theorie nicht das Maß aller Dinge: Obwohl sie

ihm als Ansatz und Vorbild diente, galt sie ihm keineswegs als geheiligt

und unantastbar.

PLANCK berief sich noch 1910 auf die Errungenschaften der Wellen-

theorie des Lichtes, auf diese „stolzesten Erfolge der Physik, ja der

Naturforschung überhaupt“ und wollte unbedingt festhalten an den

„Maxwellschen Gleichungen für das Vakuum“. EINSTEIN aber hatte

längst erkannt und schon 1905 in seiner ersten Quantenarbeit ausge-

sprochen, daß jede Theorie, und damit auch die Maxwellsche, nur in

einem bestimmten Anwendungsbereich gültig ist. Mag die Bestäti-

gung durch gewisse Phänomene auch noch so eindrucksvoll sein: Jede

Theorie hat ihre Grenzen,

Was die lnterferenzerscheinungen betreffe, sagte EINSTEIN, werde

man wohl immer bei der Maxwellschen Wellentheorie bleiben, aber

„bei den die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden

Erscheinungsgruppen“ ist die korpuskulare Struktur des Lichtes in

Rechnung zu stellen.

Nach einem Wort EINSTEINs von 1909 ist auch das Elektron „ein

Fremdling in der Elektrodynamik“, denn es bleibt unverständlich, wie

die endliche Elektronenladung auf einen kleinen Raum konzentriert

stabil zusammenhält, obwohl die Coulombschen Abstoßungskräfte

zwischen den einzelnen Ladungselementen sehr groß sind.

Anfang 1909 gelangte EINSTEIN zu der Auffassung, daß die beiden

Unvollkommenheiten der Maxwellschen Theorie miteinander zu-

sammenhängen müssen. Er wollte zugleich die Quantenstruktur der

Strahlung und das Elektron erklären, Wollte also, wie wir heute sagen

würden, eine einheitliche Theorie von Elektron und Lichquant auf-

stellen.

Als Schlüssel zur Lösung des Problems erschien ihm eine auffällige

Tatsache, die das Plancksche Wirkungsquantum h betraf. Diese von

PLANCK 1899 entdeckte Naturkonstante besitzt, wie man sagt, die

„Dimension“ einer Wirkung, wird also ausgedrückt in „erg. sec“.

Aber auch die Größe e2/c, das Quadrat des elektrischen Elementar-

quantums, geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit, ist physikalisch eine

Wirkung. Nur im Zahlenwert stimmen die beiden, Konstanten nicht

überein; EINSTEIN war aber der Meinung, daß dieser sich irgendwie

erklären lassen müsse. „Es scheint mir nun aus der Beziehung. . . her-

vorzugehen.“ schrieb er, „daß die gleiche Modifikation der Theorie,

welche das Elementarquantum e als Konsequenz enthält, auch die

Quantenstruktur der Strahlung enthalten wird.“

Heute sehen wir das elektrische Elementarquanturn e und das Planck-

sche Wirkungsquantum h als unabhängige Naturkonstanten an und

verlangen von einer zukünftigen Theorie der Elementarteilchen, daß

man aus ihr das Verhältnis, eine reine Zahl, berechnen kann.

Der in der Physikalischen Zeitschrift im März 1909 erschienene Auf-

Satz EINSTEINs hat WILHELM WIEN zu einer Stellungnahme angeregt,

WIEN verfaßte um diese Zeit gerade seine Abhandlung über Strah-

lungstheorie für die Mathematische Enzyklopädie; hier schrieb er;

„Der von EINSTEIN ausgesprochenen Meinung. . . . daß die Größe des

Energieelementes in Beziehung stehe zu der des Elementarquantums

der Elektrizität, kann ich mich vorläufig nicht anschließen ... Das

Energieelement, wenn es überhaupt eine physikalische Bedeutung be-

sitzt, kann wohl nur aus einer universellen Eigenschaft der Atome ab-

geleitet werden.“

9

Auf dem 1. Solvay-Kongreß in Brüssel 1911 stellte sich dann SOMMER

FELD auf den umgekehrten Standpunkt, „das h nicht aus den Molekül-

dimensionen zu erklären, sondern die Existenz der Moleküle als eine

Funktion und Folge der Existenz eines elementaren Wirkungsquan-

tums anzusehen.“

Zwei Jahre später verwirklicht NIELS BOHR dieses Programm: Das

Plancksche Wirkungquantum h ist der Schlüssel zum Verständnis des

Atoms.

Nach dem Modell von BOHR besteht jedes Atom aus einem „Kern“

und einer „Hülle“ aus Elektronen. Obwohl man in Experimenten, ins-

besondere mit Kathoden- und Kanalstrahlen, schon zahlreiche wich-

tige Fakten über das Atom kennengelernt hatte, konnte man erst jetzt

an eine systematische Ordnung des Erfahrungsmaterials denken.

„1890 muß eine wunderbare Zeit gewesen sein", so resümierte VICTOR

F,.WEISSKOPF, „denn damals hat sich alles Große vorbereitet, und man

hatte wirklich keine Ahnung vom Wesentlichen der Atomphysik  . . .

Trotzdem hat sich da eine der größten geistigen Urnwälzungen vorbe›

reitet.“

„Als ich jung war“, erinnerte sich MAX von LAUE, „Wollte ich Physik

treiben und Weltgeschichte erleben.“ Tatsächlich gelangen ihm Ent-

deckungen, die, wie sich EINSTEIN ausdrückte, „zum Schönsten in der

Physik gehören.“

Seine gleichaltrigen Freunde LISE MEITNER, OTTO HAHN und ALBERT

EINSTEIN standen gewiß nicht hinter ihm zurück. Die Physik sprengte

ihren bisherigen Rahmen. Aufregende Experimente erweiterten in

ungeahnter Weise den Gesichtskreis. Gleichzeitig erhielt das Gebäude

der Wissenschaft tragfähigere Fundamente für die vielen hinzukom-

menden Stockwerke.

Im April 1918, in den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges, hatte

ALBERT EINSTEIN in seiner Festrede zum 60. Geburtstag von MAX

PLANCK von der Wissenschaft als einem „stillen Tempel“ gesprochen,

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wäre ein solcher Vergleich ganz

und gar unzutreffend gewesen.

Die Physiker konnten nun nicht nur Weltgeschichte miterleben, son-

dem sie gestalteten Weltgeschichte. Nach der Explosion der ersten

Atombomben, als die Menschheit die Schwelle überschritten hatte,

die in das Atomzeitalter führte, sagte JACOB ROBERT OPPENHEIMER:

„Noch nie hatten die Physiker so viel Bedeutung und noch nie waren

sie so ohnmächtig wie heute.“

 

9

Albert Einsteins Reise in die USA im Jahre 1921: “Ankunft in New York.

War ärger als die Phantastische Erwartung. Scharen von Reportern...

Dazu ein Heer von Photographen, die sich wie ausgehungerte Wölfe auf mich stürzten.”

 

9

New York 1930: Albert Einstein von Reportern umlagert. Seine spontan witzigen

Antworten machten ihn zu einem gesuchten Objekt für Journalisten.

 

10

Von der Tagung der Deutschen Naturforscher und Ärzte 1909 im östereichi-

schen Salzburg gibt es keine Photographie. Unser Bild zeigt die Sektion für Ma--

thematik und Physik bei einer Tagung 1913 in Wien. Durch ein Preisausschrei-

ben der Physikalischen Blätter (Jahrgang 17/1961 und Jahrgang 18/1962)

wurde etwa ein Drittel der Abgebildeten identifiziert. Max von Laue steht am

Fenster links vorne, Otto Hahn sitzt in der fünften Reihe zwischen seiner Frau

Edith und einer Dame mit großem Hut. Max Burn steht im Mittelgang.

 

ENDE EINFÜHRUNG

KAPITEL I

 

Salzburg 1909

Revolution in der Physik

 

11

Etwa 1300 Personen»Wissenschaftler und die Damen in ihrer Beglei-

tung» waren es, die Mitte September l909 nach Salzburg kamen. Die

traditionsreiche Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, schon

l822 gegründet, wählte sich zur Zusammenkunft jedes Jahr eine an-

dere Stadt als Tagungsort. Wieder einmal empfanden es die jungen

Physiker als einen alten Zopf, noch immer, wie im vorigen Jahrhun-

dert, mit Ärzten und Biologen gemeinsam zu tagen. Was kümmerte

sie, ob der Mediziner LUDWIG ACHOFF, einer der berühmtesten Pa-

thologen seiner Zeit, über Gallensteinkrankheiten oder Appendizitis

vortrug?

Die Jungen mußten sich von den Altmeistern der Physik, zu denen

MAX PLANCK gehörte, WILIHELM WIEN und nun auch schon ARNOLD

SOMMERFELD, sagen lassen, daß der gemeinsame Kongreß aller deut-

schen Naturwissenschaftler und Mediziner eine chrwürdige, nun fast

neunzigjährige Tradition habe und die gemeinsame Überzeugung zum

Ausdruck bringe: Das kommende naturwissenschaftliche Zeitalter

werde dem Menschen nicht nur Wohlstand schaffen, sondern ihn in-

nerlich glücklicher und zufriedener machen. Wenn alle deutschen Ge-

lehrten, aus dem Reich und aus Deutsch-Österreich, jedes Jahr erneut

ihre Zusammengehörigkeit unter Beweis stellten, so komme darin die

Überzeugung zum Ausdruck. daß die deutschen Wissenschaftler dazu

berufen seien, dem Fortschritt der Menschheit zu dienen.

Die Atmosphäre in Salzburg gab dem Kongreß eine gemütliche Note.

So nahm man es auch mit dem Besuch der Vorträge nicht ganz so ge-

nau wie im Jahr zuvor in Köln. WILHELM WIEN interessierte sich leb-

haft für den Bericht des Physikers JULIUS ELSTER über Radioaktivität,

doch die anschließende Nachmittagssitzung der Hauptgruppe Physik

und Mathematik schenkte er sich. Statt dessen suchte er das persönli-

che Gespräch. Gerade der wissenschaftliche Dialog ist es ja, der den

besonderen Wert einer Tagung ausmacht: Da waren MAX PLANCK mit

seiner Tochter, der Chemiker CARL DUISBERG und der Physiologe JO-

HANNES MÜLLER, bedeutende Männer, mit denen ein Gedankenausf

tausch innere Bereicherung brachte.

Als weniger umgänglich erwies sich der Kollege JOHANNES STARK.

Wieder war er mit einigen Versuchsergebnissen nicht einverstanden,

und erneut kündigte sich eine lästige Polemik an: „Das ist bei ihm

nicht anders“, suchte sich WILHELM WIEN zu beruhigen: „Es wird wohl

auch nicht das letzte Mal sein.“

11

Überall bildeten sich Gesprächsgruppen, in denen es meist um das

Fach ging, von dem sie alle fasziniert waren. Die Physiker waren stolz,

zu ihrer Wissenschaft beitragen zu können, und stolz, daß Deutschland

eine Spitzenstellung erreicht hatte. Sie waren davon überzeugt, daß

nichts einem Volk mehr Ansehen in der Welt bringe, als die Erweite-

rung des menschlichen Wissens, und deshalb die Führung auf dem Ge-

biete der Naturwissenschaften nicht nur einen ideellcn, sondern auch

einen eminent politischen und wirtschaftlichen Wert habe.

National gesinnt waren sie alle. dem Geist der Zeit entsprechend. So-

wohl die anerkannten Fachvertreter wie auch die jungen Kollegen.

BORN, LAUE und HAHN dachten ganz ähnlich wie WIEN, PLANCK und

SOMMERFELD. Nur der junge ALERT EINSTEIN machte da eine Aus-

nahme. Er wollte nichts hören von der „elenden Vaterländerei“ und

glaubte sogar, daß die Jugend von der Kirche und dem Staate mit Vor-

bedacht belogen werde.

Dabei war EINSTEIN sehr zurückhaltend und kleidete alles, was er sag-

te, in scherzhafte Form. Meist beschränkte er sich darauf, nach sokra-

tischer Art Fragen zu stellen. So nahmen die Kollegen seine „Schrul-

len“, wie sie sagten, nicht weiter übel. Schließlich war ja auch die

Physik so viel interessanter als die ganze Politik. „Gestern habe ich

lange mit EINSTEIN gefachsimpelt“, schrieb WILHELM WIEN aus Salz-

burg: „EINSTEIN ist ein sehr interessanter und bescheidener Mann. Ich

habe mich sehr gern mit ihm unterhalten.“

Auch MAX PLANCK nutztc die Gelegenheit zum Gespräch. Nachdem er

schon vier Jahre lang mit EINSTEIN korrespondiert hatte, freute er sich

über den persönlichen Kontakt, beidem man sich besser verständigen

konnte.

EINSTEIN besuchte zum ersten Mal eine Tagung. Schon im letzten Jahr,

bei der Versammlung in Köln, war er erwartet worden. ln einem her-

vorragenden Vortrag hatte der Mathematiker HERMANN MINKOWSKI

der Relativitätstheorie eine neue und besonders elegante mathemati-

sche Form gegeben, und in diesem Zusammenhang war viel von EIN-

STEIN die Rede gewesen.

So bildete in Salzburg für die wirklichen Kenner der Vortrag EIN-

STEINs „Über die Entwicklung unserer Anschauungen über das Wesen

und die Konstitution der Strahlung“ das herausragende wissenschaft-

liche Ereignis.

 

12

Max Planck

12

Albert Einstein

 

12

Nur die auf ihrem Gebiet anerkannten Koryphäen wurden aufgefor-

dert, einen derart umfassenden Überblick zu geben,. Mit diesem

Grundsatzreferat am Vortragspult stehen zu dürfen, War eine große

Auszeichnung für den Dreißigjährigen.

PLANCK führte, mit den üblichen Worten, den Redner ein, Es war der

  1. September 1909. EINTEIN sprach kurz über die Spezielle Relativi-

tätstheorie und dann ausführlich über das Quantenproblem. Es lohnte

sich EINSTEINs Meinung nach nicht, über die Spezielle Relativitätstheo-

rie viele Worte zu machen - auch wenn ihre Konsequenzen für die

Raum- und Zeitvorstellungen noch so ungewohnt sein mochten -, da

sie von den wirklich sachverständigen Kollegen bereits anerkannt war.

Mit der Qtmntentheorie war dies jedoch anders. Es gab bisher nur ei-

nen einzigen Physiker, einen Außenseiter, der hier bereit war, EIN-

STE1N zu folgen: JOHANNES STARK.

Für LISE MEITNER und MAX LAUE, die mit etwa hundert anderen im

Saale saßen, blieb EINSTEINs Vortrag unvergeßlich. EINSTEIN sprach

schlicht und klar. Nichts ist anschaulicher für den Physiker als der Ge-

dankenversuch. EINSTEIN betrachtete eine leichtbewegliche Platte in

12

einem Hohlraum mit elektromagnetischer Strahlung. Ähnlich wie in

der Luft kleine Staubpartikel winzige Zitterbewegungen ausführen

durch die fortdauernden Stöße der Luftmoleküle, schwankt die

leichtbewegliche Platte durch die statischen Änderungen des „Strah-

lungsdruckes“. Wenn für die Strahlung das Planksche Gesetz gilt (und

daß es gilt, hatten ganze Versuchsserien in der Physikalisch-Techni-

schen Reichsanstalt bestätigt), dann folgt für die Schwankungen eine

Formel, die aus zwei Summanden zusammengesetzt ist. Der erste

Summand folgt aus der Undulationstheorie des Lichtes, der zweite aus

der Annahme, daß das Licht aus Korpuskeln zusammengesetzt ist. In

dem einen Grenzfall ist also das Licht wie gewohnt als Welle aufzufas-

sen, in dern anderen Grenzfall hat man es (dieser Schluß scheint un-

vermeidbar) mit „Lichtkorpuskeln“ zu tun,

Wellen- oder Korpuskulartheorie des Lichtes? Was EINSTEIN auch

sagte: Bis auf einen einzigen Kollegen blieben die Physiker nach wie

vor von der Wellennatur überzeugt. Nur JOHANNES STARK glaubte an

die Einsteinschen Lichtkorpuskeln. Für alle aber, JOHANNES STARK

eingeschlossen, gab es nur ein Entweder-Oder. EINSTEIN jedoch hatte

13

erkannt, daß es sich um ein Sowohl-als-auch handeln müsse. Es war

eben ein Vorteil, daß eine physikalische Wesenheit entweder eine

Welle oder eine Korpuskel sein müsse, ein fest etabliertes Vorurteil,

weil man mit der Mechanik einerseits und der Elektrodynamik ande-

rerseits Korpuskelnatur und Wellennatur sozusagen mathematisch

festgeschrieben hatte, für das Sowohl-als-auch aber die mathemati-

sche Ausdrucksmögliehkeit fehlte.

Damit war EINSTEIN allen Kollegen weit voraus. Das Wort, dem Philo-

sophen HEGEL in den Mund gelegt, hätte EINSTEIN 1909 mit vollem

Recht auf sich anwenden können: „Nur ein einziger meiner Hörer hat

mich verstanden, und der hat mich falsch verstanden.“

„Ich muß sagen“, berichtete FRITZ REICHE, der Assistent PLANCKS.

„daß ich sehr beeindruckt war, als da in der Formel für die Schwan-

kungen dieses zweite Glied auftauchte. Aber das war natürlich nur ein

sehr indirekter Beweis für die Existenz von Photonen. Ich erinnere

mich, daß die Leute sehr dagegen waren und versucht haben, eine an-

dere Begründung zu finden.“

Als Diskussionsleiter ergriff PLANCK selbst unmittelbar nach EINSTEIN

das Wort. Gleichsam offiziell, als die große Autorität in der Physik,

versagte er der Lichtquantenhypothese die Zustimmung. Trotzdem

war die große Hochachtung unverkennbar, die PLANCK dem jungen

EINSTEIN entgegenbrachte. So stellten das Referat EINSTEINs vor dem

Forum dcr Naturforscherversammlung und PLANCKs Erwiderung

gleichsam einen Ritterschlag dar, EINSTEIN war nun - allen Kollegen

sichtbar - aufgenommen in den führenden Kreis der Physiker und ei-

nem SOMMERFELD und einem WILHELM WIEN an die Seite gestellt.

Mit dreißig Jahren hat ein Physiker seine Lehr- und Wanderjahre hin-

ter sich. So war MAX LAUE einige Jahre Assistent PLANCKs gewesen

und ging nun als Privatdozent nach München. Lisa MEITNER war aus

Wien gekommen. Seit zwei Jahren arbeitete sie mit dem gleichaltrigen

 

13

Brief von Max Planck an Albert Einstein vom 6. Juli 1907, letzte Seite. Behan-

delt werden die Quantentheorie und die Relativitätstheorie.

 

13

Salzburger Vortrag EINSTEINs (1909). Abdruck des Textes in der Physikalischen

Zeitschrift, 10. Jahrgang, Nummer 22, Seite 817ff.

 

14

Titelseite von Band 17 der Annalen der Physik von 1905 und erste Seite der be-

rühmten Abhandlung Einsteins, mit der er die Spezielle Relativitätstheorie be-

Gründete.

 

14

Privatdozenten OTTO HAHN zusammen im Chemischen Institut Berlin

auf dem neuen und aussichtsreichen Gebiet der Radioaktivität. LAUE,

MEITNER und HAHN hatten schon eine Reihe von Arbeiten veröffent-

licht und waren das, was man „vielversprechende junge Talente“

nennt.

EINSTEIN aber ließ sich nicht messen mit den normalen Maßstäben. Er

hatte - schon vier Jahre zuvor - den Umsturz im Weltbild der Physik

ins Werk gesetzt. Anders als politische Revolutionen, die sehr ge-

räuschvoll verlaufen, kommen Wissenschaftliche Umwälzungen auf

leisen Sohlen. So ahnten unter den Physikern nur wenige, daß EIN-

STEIN vom Vortragspult in Salzburg eine neue Physik proklamiert hat-

te, so wie neun Jahre später, am 9. November 1918, der Sozialdemo-

krat PHILIPP SCHEIDEMANN das Ende des Deutschen Kaiserreiches und

den Beginn der freien Republik verkünden sollte.

 

14

EINSTEIN im „Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum“ in der schweizeri-

schen Bundeshauptstadt Bern.

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