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EIN REBELLISCHER MÖNCH 49-54

2017. november 22. 16:49 - RózsaSá

er im Auftrag des Papstes sein Ablassgeschäft, und noch nie hat es
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irgendwelche Beanstandungen gegeben. Was bildet dieser Luther
sich ein? Was glaubt der, wer er sei? Wie kann der unbedeutende Prediger
aus Wittenberg es wagen, ihm, dem vom Papst Bevollmächtigten,
ins Handwerk zu pfuschen? Was geht diesen Kerl in Wittenberg
überhaupt an, was er in Magdeburg tut?
Rasch holt der Dominikaner die Keule hervor, mit der bisher
schon jeder Unruhestifter wieder zur Vernunft gebracht werden
konnte: Wer gegen ein Schreiben aufbegehrt, das die Unterschrift des
Papstes trägt, begehrt gegen den Papst auf, ist ein Ketzer, und also des
Todes. »Der Ketzer soll mir in drei Wochen ins Feuer geworfen werden
«, sagt Tetzel im November 151713. Wütend berichtet der Mönch
den Fall »nach oben« und lässt Luther dies auch wissen.
Dabei ist Tetzel nun aber an den Falschen geraten. Als dem zugetragen
wurde, dass der Dominikanermönch nicht daran denke, seinen
Ablasshandel einzustellen, ist es Luther, der wütet und tobt. Und später
berichtet er: »Da ging ich herzu wie ein geblendet Pferd, denn der
Tetzel machte es gar zu grob mit seinem Ablass.«
Und nachdem er herzu gegangen war wie ein geblendet Pferd,
kündigte er an, »nun will ich der Paucke ein Loch machen«. Das tut
er, und zwar so wirkungsvoll, dass er selber davon überrascht wurde.
Er setzt sich hin und schreibt auf, was aus theologischer Sicht gegen
die Tetzel’sche Art des Ablasshandels spricht. Da geht es um Sünde,
Strafe, Buße und Reue – ein Thema, bei dem er sich nun wirklich
auskennt. Und er wendet auf das Thema auch gleich alles an, was er
sich in jahrelanger Mühe in seinem Turmstübchen erarbeitet hatte.
Jetzt spricht nicht mehr der Seelsorger, sondern der Wissenschaftler,
der die Ablasslehre seiner Kirche theologisch zu durchdringen
versucht und dabei frisch und unbefangen seine nagelneue Erkenntnis
auf das Problem anwendet. Selbstbewusst bemerkt er, der
Papst habe es nötiger, dass man für ihn bete, als dass man ihm Geld
schicke. Und er fragt: Wenn er schon die Macht hat, Sünden zu vergeben,
warum erlässt er sie dann nicht den Menschen aus Liebe und
Barmherzigkeit? Oder, und da kündigt sich bereits der spätere, schär-
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fere, den Papst nicht fürchtende Luther an: Warum erbaut der Papst,
der reicher ist als die reichsten Leute, nicht die Peterskirche mit seinem
eigenen Geld?
Solche Worte hat die Welt noch nicht gehört. Aber die Ohren dafür
waren gespitzt.
Am Ende hat Luther 95 Thesen über den Ablasshandel zusammen
und die nagelt er am 31. Oktober 1517 eigenhändig und unter großem
öffentlichen Aufsehen mit dem Hammer an die Tür der Wittenberger
Schlosskirche. Es sind Hammerschläge mit Donnerhall, deren
Lärm im ganzen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und
darüber hinaus vernommen wird. Deshalb feiern die evangelischen
Christen an jedem 31. Oktober nicht Halloween, sondern den Beginn
der Reformation, und im Jahr 2017 wird das dann 500 Jahre her sein.
So jedenfalls wurde die Geschichte im weiteren Verlauf bis ins
letzte Jahrhundert erzählt. Und man kann sie ruhig auch heute noch
so erzählen, obwohl wir inzwischen auch von dieser Geschichte wissen:
Sehr schön, aber eigentlich ist es wieder einmal ein bisschen
anders gewesen.
Zwar stimmt die Hauptsache: Luther hat die 95 Thesen um den
31. Oktober herum tatsächlich geschrieben. Aber die schmückenden
Details, die ein Ereignis erst zu einem großen geschichtlichen Datum
machen – der Reformator, wie er eigenhändig seine These an
die Wittenberger Kirchentür schlägt, und wie diese donnernden Anschläge
augenblicklich im ganzen Reich nachhallen – sind sehr wahrscheinlich
eine spätere Erfindung der Luther-Verehrer, denn: Luther
war damals von seiner Reformatorenrolle noch weit entfernt. Und er
hat die Thesen auf Lateinisch verfasst, also nicht fürs Volk, sondern
für seine akademischen Kollegen, die Fürsten und Fürstbischöfe.
An sie, auch an Albrecht von Brandenburg, in dessen Machtbereich
Tetzel die Ablässe verkaufte, hatte Luther seine Thesen per Post geschickt.
Wenn es ihm um Aufruhr gegangen wäre, hätte er schon auf
Deutsch schreiben müssen. Tatsächlich wollte er aber eigentlich nur
erreichen, dass dem Tetzel mit seiner gar zu groben Marktschreierei

 

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jemand von oben in die Parade fährt und dafür sorgt, dass der Ablassverkauf
wieder in die theologisch korrekte Spur gebracht wird.
Es war der katholische Lutherforscher Erwin Iserloh, der im Jahr
1961 an der schönen Geschichte vom Thesenanschlag zu zweifeln
begann. Seine Begründung: Luther selbst hat in all seinen vielen Reden
und Schriften diese Kirchentürgeschichte nie erwähnt. Ist das
nicht seltsam? Wenn er die 95 Thesen tatsächlich eigenhändig an die
Kirchentür genagelt hätte, hätte er doch bestimmt eine schöne Geschichte
daraus gemacht und sie in immer neuen Varianten immer
wieder erzählt. Aber nichts dergleichen liegt vor. Kein Wort.
Urheber der Geschichte war Luthers wichtigster Partner Philipp
Melanchthon, der jedoch kein Augenzeuge gewesen sein konnte, da
er erst 1518 als Professor an die Wittenberger Universität berufen
wurde. Und er hat die Geschichte erst nach Luthers Tod erzählt.14
Der Sache deutlich näher gekommen sind die Lutherforscher,
als sie vor einigen Jahren ein Neues Testament entdeckten, mit dem
Luther gearbeitet hatte. In diesem Buch fanden sie eine handschriftliche
Bemerkung von Luthers Sekretär Georg Rörer. Darin heißt es:
»Im Jahr 1517 am Vorabend von Allerheiligen sind in Wittenberg an
den Türen der Kirchen die Thesen über den Ablass von Doktor Martin
Luther vorgestellt worden.«15
Also: Die Thesen wurden tatsächlich an der Kirchentür angebracht,
aber nicht nur an einer, sondern an mehreren Kirchentüren,
und nicht von Luther persönlich, sondern sehr wahrscheinlich vom
Pedell der Wittenberger Universität. Der Zweck dieser Plakatierung
bestand nicht darin, das Heilige Römische Reich in seinen Grundfesten
zu erschüttern, sondern darin, zu einer öffentlichen Fachdiskussion
an der theologischen Fakultät einzuladen. Thema der Diskussion:
die 95 Thesen. In dieser Einladung heißt es: »Aus Liebe zur
Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll über die
folgenden Sätze diskutiert werden.«16 Das Echo auf diese Einladung
war so gering, dass die Veranstaltung abgesagt wurde.17

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