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LUTHER DEUTSCH 62-67

2017. december 23. 11:12 - RózsaSá

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optimierte, reichte es der Kirche, wenn gezahlt wurde. Allerdings

reichte es nie bis zur letzten Sicherheit für die Gläubigen, daher tat

man gut daran, immer wieder zu zahlen. Lag man auf dem Sterbebett

und verlangte nach der letzten Ölung durch einen Priester, empfahl

dieser, zur Sicherheit einen beträchtlichen Teil seines Vermögens der

Kirche oder einem Kloster zu vermachen.

Nicht nur jede Sünde hat ihren Preis. Alles hat einen Preis in

Rom. Jeder, der Bischof oder Kardinal werden wollte, muss zahlen.

Der Verkauf von Bischofsämtern und Kardinalswürden ist eine lukra-

tive Einnahmequelle für den Papst und für den Käufer eine Investiti-

on in seine Zukunft.

So entwickelte sich die Kirche zu einem mächtigen, reichen, mul-

tinationalen Konzern, der mit Priester-, Bischofs- und Verwaltungs-

posten, Sündenvergebung, Heilsversicherungen und J enseitsgaran-

tien handelte. Zeitweise befand sich rund die Hälfte des deutschen

Bodens im Besitz der mittelalterlichen Kirche. Wer sich bei diesem

Konzern ein Amt kaufte, tat dies in der Regel nicht aus Frömmigkeit

und dem ehrlichen Bestreben, Gott zu dienen, sondern aus dem Inte-

resse an einer sicheren Stellung, einem hohen sozialen Status, einem

guten Leben und einer ordentlichen Machtfülle. Es gab viele Gelegen-

heiten, sich zu bereichern und Freunden und Verwandten eine Stelle

oder anderweitige Vorteile zu verschaffen. Ein Studium der Theologie

war für den Erwerb eines Bischofsamts nicht nötig, ja nicht einmal

die Priesterweihe. Geld genügte und war eine sichere und rentable

Investition, denn man verfügte über genügend Untertanen, deren Ar-

beitskraft so weit ausgebeutet werden durfte, dass es für einen fürstli-

chen Lebensstil der Bischofsfamilien reichte.

Schon lange vor Luther hat es immer wieder Kritik an dieser to-

talen Verweltlichung und Kommerzialisierung der Kirche gegeben.

Aber alle guten Vorsätze und alle Bemühungen um Reformen ver-

liefen irgendwann im Sande. Die Profiteure des Systems sahen nicht

ein, warum sie etwas ändern sollten an einem System, das sich doch -

für sie - bewährt hatte. Unbekümmert und äußerst professionell ver-

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arbeiteten sie den Schatz im Himmel, den Jesus und die Heiligen pro-

duziert hatten, zu handlichen Päckchen und verkauften ihn teuer in

alle Welt. Das erste multinationale kapitalistische Unternehmen war

entstanden. Immerhin hatte es auch eine soziale Komponente. Arme

bekamen den Ablass billiger oder sogar umsonst.

Und innovativ war man auch schon: Im Jahr 1476 erfand der Theo-

loge Raimund Peraudi den Ablass für die bereits Verstorbenen. De-

ren Aufenthalt im Fegefeuer konnte nun erheblich verkürzt werden,

wenn die Lebenden an die Kirche zahlten. Bereitwillig und schnell

gab der Papst dieser Erfindung seinen Segen, denn sein Geldbedarf -

und der seiner Kardinäle und Bischöfe ~ war unermesslich.23

Der Papst hieß damals Leo X. und war keineswegs, wie Luther ge-

dacht hatte, einer der reichsten Männer der Welt, sondern schrammte

hoch verschuldet bei den Fuggern immer knapp an der Pleite vorbei.

Zwar floss Geld in Strömen nach Rom, aber noch mehr als herein-

kam, gab der Papst aus. Seine Kriege, seine Bauwut, seine Förderung

der Kunst, notwendige Bestechungen, teure Gefälligkeiten, Feste, Ge-

lage, Mätressen, die Ansprüche der Familie, das alles verschlang mehr

Geld, als der Papst hatte.

Einer seiner Kunden war jener Albrecht von Brandenburg, Erz-

bischof von Magdeburg und Administrator der Diözese Halberstadt,

an den Luther seine 95 Thesen geschickt hatte, aber nie eine Antwort

bekommen hatte. Diesem Brandenburger Kirchenfürsten hatte nicht

gereicht, was er an Reichtümern schon besaß, er wollte noch mehr

und erkannte seine Chance, als das Erzbistum Mainz, ein ganz beson-

ders attraktives Kirchenstück, einen neuen Erzbischof brauchte. Der

Posten versprach nicht nur noch mehr Reichtum, sondern auch noch

mehr Macht. Der Erzbischof von Mainz war automatisch Reichskanz-

ler und deutscher Primas.“

Aber Rom verlangte für diese Goldgrube mehr, als Albrecht zahlen

konnte, dazu auch noch weitere jährliche Abgaben, denn eigentlich

war es nach dem Kirchenrecht verboten, mehr als einen Bischofssitz

innezuhaben. Aber wenn die Zahlung hoch genug war, konnte man

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als Papst schon mal eine Ausnahme machen. Albrecht war gewillt,

jeden Preis zu zahlen, und lieh sich daher das Geld von den Fuggern.

So wurde er 1514 Erzbischof und Kurfürst von Mainz und ein guter

Kunde der Fugger.

Auch der Papst war ein wertvoller Fugger-Kunde, jedoch nur un-

ter der Bedingung, dass er immer pünktlich seine Raten für Zins und

Tilgung beglich. Sorgen machte der Bank, dass der Papst sich in das

Abenteuer des Petersdoms stürzte. Dessen Wiederaufbau hatte 70

Jahre zuvor unter Papst Nikolaus V. begonnen, war aber noch lange

nicht beendet und sollte nun nach Leos Willen zügig vorangetrie-

ben werden, einerseits zum höheren Ruhme Gottes, andererseits zum

höheren Ruhm von Leo X. Und das verschlang nun mal sehr hohe

Summen. "

Um hier mehr Sicherheit hineinzubringen, kam die Fuggerbank

auf die rettende Idee, Ablassbriefe in großem Stil und im ganzen

Reich zu verkaufen. Und so schlugen die Banker dem Papst vor, den

Erzbischof Albrecht von Mainz zum »päpstlichen Ablasskommissar«

zu ernennen. Er soll dafür sorgen, dass der Verkauf sicher und or-

dentlich über die Bühne gehe, dafür würde er an den Einnahmen be-

teiligt. Ein perfekter Deal, von dem alle profitieren: Die Gläubigen be-

kommen ihren Sündenerlass, Albrecht und Leo entledigen sich ihrer

Geldsorgen, auch für die mit dem Verkauf beauftragten Dominikaner

fällt etwas ab, die Bank macht ein gutes, sicheres Geschäft, und in

Rom wird die Peterskirche gebaut.

Es hätte alles so einfach und schön werden können, wenn ihnen

nicht dieser halsstarrige, weltfremde, unkooperative Wittenberger

Idiot Martin Luther in die«Quere gekommen wäre. Aber, so dachten

sie noch immer, mit dem werden wir schon fertig werden - wären

sie vielleicht auch geworden, wenn Luther allein in einem isolierten

Umfeld gehandelt hätte.

Aber er war nicht allein. Und sein Umfeld war bestens präpariert.

Die antiklerikale Stimmung - befördert durch Berichte und Gerüchte

über geldgierige Kleriker, geile Mönche, verlogene Priester - wurde

 

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durch die Humanisten auf ein wissenschaftliches Fundament gestellt.

Durch ihr Studium alter Texte hatten sie sich zu intimen Kennern

des Wortes entwickelt, sich von der antiken Begeisterung für das

Wort und den Glauben an die Macht des Wortes anstecken lassen,

aber trotz aller Begeisterung die Texte kritisch gelesen.

Dafür hatten sie an etlichen europäischen Universitäten Metho-

den für die Analyse erarbeitet. Sie waren nun in der Lage, jeden Text

in all seinen Facetten systematisch zu untersuchen, zu gewichten

und aus dem Entstehungsdatum, der Herkunft, dem Anlass, dem Er-

scheinungsbild und seinem Gehalt die richtigen Schlüsse zu ziehen,

zum Beispiel, ob ein Text echt oder gefälscht ist.

Dazu hatte man allen Grund. ››In früheren Jahrhunderten hat-

ten Mönche in großem Stil und leichten Herzens Dokumente zum

größeren Ruhme Gottes gefälscht, insbesondere Urkunden, die den

rechtmäßigen Anspruch ihres Klosters auf Ländereien oder Privilegi-

en bezeugten. Diese Mönche hatten in einer Welt gelebt, in der es viel

zu wenige Dokumente gab, also mussten sie die nötigen Belege und

Urkunden selbst herstellen, um das zu beweisen, was sie aus tiefstem

Herzen als wahr und richtig erachteten.<<

Daher unterzogen die Humanisten auch kirchliche Dokumente

und Schriften der Kirchenväter ihrer kritischen Lesart. Und kamen

teilweise zu verblüffenden Ergebnissen. Zum Beispiel kam heraus,

dass es sich bei der ››Konstantinischen Schenkung« um eine um das

Jahr 800 gefälschte Urkunde handelt, die angeblich in den Jahren

315/317 vom römischen Kaiser Konstantin ausgestellt wurde. Darin

wird Papst Silvester I. (Pontifex von 314-335) und all seinen Nach-

folgern bis ans Ende der Zeit die Oberherrschaft über Rom, Italien,

die gesamte Westhälfte des Römischen Reichs, aber auch das gesam-

te Erdenrund mittels Schenkung übertragen. Mit diesem Dokument

in der Hand begründeten die Päpste territoriale Ansprüche und ihre

Herrschaft über die gesamte Christenheit.

Aus Dankbarkeit, so steht in der Urkunde, weil Silvester den Kai-

ser vom Aussatz geheilt habe, habe dieser dem Papst die kaiserlichen

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Insignien und Vorrechte verliehen (Diadem, Purpurmantel und Zep-

ter). Somit stand also nun der Papst im selben Rang wie der Kaiser.

Drei Gelehrte des 15. Jahrhunderts - der deutsche Kardinal Niko-

laus von Kues, der Italiener Lorenzo Valla und der englische Bischof

Reginald Pecock - haben unabhängig voneinander diesen päpstlichen

Anspruch zu Fall gebracht mithilfe der neuen textkritischen Metho-

den, die sie zwischen 1432 und 1450 auf diese Schenkungsurkunde

angewendet hatten. Alle drei waren zu dem Schluss gekommen, dass

es sich um eine Fälschung handle, weil der Stil, in dem der Text ge-

schrieben ist, überhaupt nicht zu dem Stil passte, in dem im 4. Jahr-

hundert geschrieben wurde.25

Die drei Forscher haben das aber nie an die große Glocke gehängt.

Lange blieb das ein Wissen unter Eingeweihten. Luther und die Deut-

schen erfuhren davon erst, als der deutsche Humanist Ulrich von

Hutten (1488-1523) Vallas Traktat über die Fälschung übersetzen,

nachdrucken und ab 1517 verbreiten ließ. Nun war bewiesen, was

man schon immer geahnt hatte: ››Rom<< ~ das ist nicht nur der Ort,

an dem der Klerus in Saus und Braus lebt, das Geld der Gläubigen

verprasst, Mätressen beschäftigt, mit Ämtern schachert und dauernd

uneheliche Kinder zeugt, die es zu versorgen gilt, nein, Rom ist auch

ein einziger großer Priesterschwindel.

So arbeiteten Luther und die Humanisten zu Beginn der Reforma-

tion Hand in Hand gegen die römische Kirche. Das kleine Korn der re-

formatorischen Erkenntnis wurde vermehrt vom gerade erfundenen

Buchdruck, gesät von den Humanisten und Luthers Sympathisan-

ten, gewässert von Rom, gedüngt vom Dominikanermönch Tetzel -

und ging auf unter der Sonne der Renaissance, die aus Italien über

die Alpen schien.

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VII Es geht los

Nicht nur Tetzel hatte sich in Rom über Luther beschwert. Auch je-

ner Albrecht von Brandenburg, der bei den Fuggern tief in der Krei-

de stand, seit er sich die Titel Erzbischof von Mainz, Metropolit der

Kirchenprovinz Mainz, Landesherr des Erzstifts Mainz, Kurfürst und

Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches teuer erkauft hatte, war

unter den Beschwerdeführern. Als päpstlicher Ablasskommissar durf-

te der Mann, der Luther nie auf dessen 95 Thesen geantwortet hat-

te, Zweifel an der Wirksamkeit des Ablasses gar nicht erst aufkom-

men lassen. Auch die Fugger, deren Abgesandte an jedem Abend das

neu eingenommene Sündengeld zählten, hatten ein vitales Interesse

an einer reibungslosen Fortsetzung des Geschäfts. Da störte dieser

Mönch aus Wittenberg gewaltig.

Nun liegen aber zwischen Wittenberg und Rom ungefähr andert-

halbtausend Kilometer. Eine einzelne Nachricht, die so einen weiten

Weg zurücklegen muss, verliert schon allein durch diese Entfernung

einen Teil ihrer Brisanz. Den Rest verliert sie, wenn der Adressat, in

diesem Fall also Papst Leo X., beim Eintreffen ganz andere Sorgen hat

und Nachrichten erhält, die zwar auch von weit her kommen, aber

sofortiges Handeln erfordern.

Und diese Nachrichten kamen von den Ostgrenzen des Reiches.

Die Osmanen breiteten sich immer mehr nach Westen aus, und wenn

sie nicht endlich gestoppt würden, stünden sie irgendwann vor Rom.

Daher rief Leo einige Stadtstaaten, Fürstentümer und den König von

Frankreich zu einem Kreuzzug auf, stieß aber auf wenig Begeiste-

rung und war nun damit beschäftigt, diese Begeisterung zu wecken.

Die Nachricht von dem Ärger mit diesem Luther erreichte den Papst

zu einer Zeit, in der es galt, eine schlagkräftige Koalition gegen die

Türken zu schmieden.

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