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LUTHER DEUTSCH 82-91

2017. december 27. 09:32 - RózsaSá

In diesen zwei Jahren entschied sich das Schicksal der Reformation. In

 

diesen zwei Jahren ratterten die Druckmaschinen im ganzen Land

 

und verbreiteten Luthers Schriften immer weiter. Er sorgte für ste-

 

tigen Nachschub, und so setzte eine Entwicklung ein, die allmählich

 

unumkehrbar wurde.

 

Die alten Eliten in der Kirche und im Staat hatten die revoluti-

 

onären Folgen des Buchdrucks nicht auf dem Schirm, hatten keine

 

Vorstellung von der Informationsbeschleunigung, die von dieser Er-

 

findung ausgehen würde, wussten nicht, wie viele Druckmaschinen

 

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es schon gab und wo überall sie ihre Arbeit verrichteten, und hat-

 

ten lange nicht gemerkt, wie sich durch die neue Technik etwas ganz

 

Neues, noch nie Dagewesenes aufbaute: eine öffentliche Meinung, die

 

nicht mehr so leicht wie früher durch Zensur zu stoppen sein wür-

 

de, eine öffentliche Debatte, die von keiner Macht mehr unterbunden

 

werden konnte, ein öffentlicher Informationsfluss, an dem jeder des

 

Lesens Kundige, aber auch der Unkundige - durch gedruckte Bilder,

 

Karikaturen und mithilfe von Vorlesern - teilnehmen konnte.

 

Während die alten Eliten den Epochenwechsel verschlafen, ist

 

Luther hellwach, gerät in einen wahren Schaffensrausch, schreibt,

 

redet, predigt, lehrt und diskutiert wortmächtig, für alle verständlich

 

und so aufregend, dass die Zuhörer in Scharen zu ihm kommen. Und

 

Luther genießt es, fühlt sich beim Predigen wie eine Bauersfrau, die

 

ihre Kinder an die Brust legt. ››Man soll auf der Kanzel die Zitzen

 

herausziehen und das Volk mit Milch tränken.« Und das Volk trinkt.

 

Es ist nicht nur harmlose Milch, womit Luther sein Volk säugt, auch

 

scharfe, mit allerlei Ausfällen gegen Rom gewürzte Unflätigkeiten

 

gibt er ihm zu trinken. Luther wird immer frecher, immer polemi-

 

scher, immer rücksichtsloser gegenüber Rom. Und dadurch immer

 

interessanter für die Öffentlichkeit.

 

Den innerlich letzten Schritt macht er bei seinem berühmten

 

Streitgespräch mit Johannes Eck. Der süddeutsche Theologe, ein

 

brillanter Intellektueller, vermutlich fürstlich bezahlt von den Fug-

 

gern, führte Luther aufs Glatteis. Eck konfrontierte Luther mit Sät-

 

zen, die von dem ein Jahrhundert zuvor in Konstanz verbrannten

 

Ketzer Jan Hus stammen. Und Luther lässt sich tatsächlich zu der

 

Aussage provozieren, die Eck aus ihm herauskitzeln wollte: Hus hat

 

recht. Nicht der Papst, sondern Christus ist das Haupt der Kirche,

 

und darum habe in der Kirche Christus das letzte Wort, und nicht

 

der Papst.

 

Das aber ist die Ketzerei, wegen der das Konzil in Konstanz Hus

 

verdammt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat. Eck trium-

 

phiert und erwartet, dass Luther nun einen Rückzieher macht. Tut er

 

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aber nicht. Im Gegenteil. Er geht noch einen Schritt weiter und sagt:

 

Auch Konzilien können irren und haben geirrt.

 

Die Zuhörer im Saal schreien auf vor Schreck, denn damit hat

 

Luther die nächste Eskalationsstufe gezündet: Nicht nur, was der

 

Papst bestimmt, ist Luther egal, auch den Beschlüssen der Konzilien

 

spricht er die Autorität ab. Das bedeutet den endgültigen Bruch mit

 

der Kirche, und zugleich hat Luther damit sein eigenes Todesurteil

 

ausgesprochen, denken die Zuhörer, auch Eck, der sich nun stolz zu-

 

gute hält, Luther eindeutig, endgültig und in aller Öffentlichkeit als

 

Ketzer überführt zu haben.

 

Aber für Luther war es gut so. ››Der Eck hat mich munter ge-

 

macht«, wird Luther später sagen. ››Er hat mich auf Gedanken ge-

 

bracht, da ich nimmer sonst hingekommen wäre.«

 

Tatsächlich hätte es ohne Eck wohl länger gedauert, bis Luther

 

auch die Konzilsbeschlüsse als ››nicht bindend« verworfen hätte,

 

denn wenn er von Eck nicht so in die Enge getrieben worden wäre,

 

wäre ihm sicher ein schwerwiegendes Problem der reformatorischen

 

Entwicklung bewusst geworden: Wer soll in Streitfragen verbindlich

 

entscheiden, was wahr oder unwahr sei, wenn es weder der Papst,

 

noch die Konzilien sind? Luther etwa? Sollen wir statt des Papstes

 

nun Luther als oberste Autorität anerkennen? _

 

Luther hat erst nach dem Disput mit Eck Zeit, darüber nachzu-

 

denken und findet schließlich eine Antwort, die er zunächst für sich

 

behält, weil sie ihn in ihrer Radikalität selber verwundert und ihm

 

möglicherweise nicht ganz geheuer ist: Natürlich wolle er sich nicht

 

an die Stelle des Papstes setzen, nein, denkt Luther, das Gewissen sei

 

es, das Gewissen eines jeden Einzelnen sei die letzte Instanz, die da-

 

rüber entscheidet, was zu denken und tun richtig und gut sei. In aller

 

Deutlichkeit öffentlich aussprechen wird er das aber erst einige Zeit

 

später auf dem Reichstag in Worms.

 

Ist ihm klar, was das bedeutet? Vermutlich nicht sofort. Erst spä-

 

ter äußert er selbst den Gedanken: Da kann es also sein, ››dass der

 

ganze Haufen mit allen großen Hansen irrt und eine ungerechte

 

84 Sache verteidigt<<, während die Wahrheit nur bei ein paar wenigen ist.

Schwindelt ihm selbst vor den Konsequenzen dieser Einsicht? Schon

ein wenig. Aber mit schlafwandlerischer Sicherheit hält er gelassen

dagegen: »Wenn du Gottes Wort hast, kannst du sagen: Was brauche

ich weiter zu fragen, was die Konzilien sagen?<<

Das in Gott verankerte Gewissen als letzte Instanz, die über dem

Papst und über den Konzilien steht- das ist ein revolutionär neuer

Gedanke, den Luther da denkt, und dass er sich damit selbst der Ket-

zerei überführt hat, schreckt ihn nun nicht mehr. Im Gegenteil: Nach

ausführlicher Prüfung vor seinem Gewissen kommt Luther zu dem

Schluss, dass jetzt eben seine Ketzerei die rechtgläubige Lehre ist,

weshalb er der römischen Kirche selbstbewusst und reinen Herzens

sagt: ››Frömmere Ketzer habt ihr nie gehabt, werdet sie auch nicht

frömmer kriegen. Bittet Gott, dass sie euch mögen erhalten bleiben«,

denn seine Ketzerei richtet sich ja nicht gegen Gott, sondern gegen

eine irdische Organisation namens Kirche.

Innerlich hat er also jetzt den Bruch mit seiner Kirche vollzogen.

Bis er ihn auch öffentlich und endgültig vollzieht, vergeht noch eine

gewisse Zeit. Während jener Zeit verfasst er eine Streitschrift nach

der anderen: An den christlichen Adel deutscher Nation; Von der Frei-

heit eines Chrístehmenschen; Von dem Papsttum zu Rom; Von der

babylonischen Gefangenschaft der Kirche (1520).

Alle sind sie gegen Rom gerichtet. Alle bestreiten die Autorität des

Papstes, alle betonen, worauf allein es ankommt in einem Christenle-

ben: Glaube, Gnade, Schrift, Christus. Es braucht keine Heiligen und

keine Priester als Mittler zwischen Mensch und Gott, es braucht kei-

ne Mönche und Nonnen, keine Reliquien, Prozessionen, Wallfahrten,

Pilgerreisen. Jeder ist ein Kind Gottes und jeder dient ihm am besten

dort, wo er von Gott hingestellt wurde, also in seinem Beruf, und die

Arbeit, die er dort ausführt, ist heiliger als das scheinheilige Leben

der Priester, Mönche und Nonnen. Der klerikale Stand wird abgewer-

tet, der weltliche Stand wird aufgewertet.

Luthers Zeitgenossen schlackern nur noch mit den Ohren. Sie

85 reißen sich um seine Schriften. Eine Auflage nach der anderen ver-

lässt die Druckerpressen. Ein Drittel dessen, was während der ersten

Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Deutsch gedruckt wurde, stammt von

Luther.“ ›

Ab dem Jahr 1520 sind seine Gedanken in der Welt. Wer jetzt noch

versucht, ihn zu verbrennen, kommt zu spät. Man könnte ihn zwar

verbrennen, man könnte auch seine Schriften verbrennen. Seine

Lehre aber nicht mehr. Ideen lassen sich nicht töten. Und Verbrann-

tes kann man nachdrucken. Irgendwo gibt es immer noch ein Exem-

plar, das dem Feuer entging. Kaiser und Papst haben das Steuer nicht

mehr allein in der Hand.

Die kirchliche Amtsgewalt versucht natürlich trotzdem zu stop-

pen, was nicht mehr zu stoppen ist. Nachdem der Kaiser gekrönt ist,

rollen sie den Fall Luther in Rom wieder auf. Der Papst schickt ihm,

wie es Friedrich der Weise erwartet hat, die Bann-Androhungs-Bul-

le nach Wittenberg. Die Drohung ergeht nicht nur an Luther, son-

dern auch an seine Anhänger und die Obrigkeit, und sie lautet: Wer

Luthers Lehre verbreitet, seine Schriften besitzt und nicht verbrennt,

verfällt der Exkommunikation. Sie haben sechzig Tage Zeit dazu.

Luther kann während dieser Frist in den sächsischen Bischofskirchen

von Meißen, Merseburg oder Brandenburg schriftlich oder durch per-

sönliches Erscheinen widerrufen und dadurch seine volle\Kirchen-

mitgliedschaft wiederherstellen.

Die sechzig Tage vergehen und die Obrigkeit hat keine einzige

Schrift Luthers verbrannt. Luther widerruft nicht, sondern denkt die

ganze Zeit nur, was er schon früher gesagt hat: Wenn ich Gottes Wort

habe, was brauche ich weiter zu fragen, was der Papst oder die Konzi-

lien sagen? Ich bin mir meiner Sache sicher und mit mir im Reinen.

Und dann, am 10. Dezember 1520, einen Tag nach Ablauf der Wi-

derrufsfrist, nimmt er die Bann-Androhungsbulle des Papstes und

verbrennt sie öffentlich vor dem Elstertor in Wittenberg. Mehrere

Ausgaben des Corpus íuris canonici, Sammlungen des römischen

Kirchenrechts, verbrennt er gleich mit und spricht dazu die Worte

86 »Weil du die Wahrheit Gottes verderbt hast, verderbe dich heute derHerr.<< Luther, der kleine Mönch aus der sächsischen Provinz, exkommuniziert die Papstkirche kraft der Vollmacht seiner vor Gott undseinem Gewissen geprüften Glaubensgewissheit. Luther spricht vom

Papst hinfort nur noch vom »leibhaftigen Antichrist<<.

Das ist der endgültige Bruch. Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Hunderte von Wittenberger Studenten, Professoren und Bürger woh-

nen der Sache bei, jubeln Luther zu, und wieder sorgen die vielen

Druckereien des Reiches für eine schnelle Verbreitung der neuesten

Nachrichten vom Ketzer aus Wittenberg. Die Profis in Rom merken

nicht, wie sie selbst mit jedem weiteren Versuch, Luther mundtot zu

machen, am meisten dazu beitragen, dass sich alle Welt für Luther zu

interessieren beginnt und ihm die Sympathien des Volkes zufliegen.

XI Hier stehe ıch…

In Rom haben sie noch immer nicht verstanden. Er hat die Bann-

Androhungsbulle verbrannt? Umso besser, denken sie. Dann folgt

jetzt eben der Bann und dann wird das Problem Luther gelöst sein.

Sie merken nicht, dass große Teile des Volkes, zahlreiche Fürsten,

Professoren und Adligen überhaupt nicht damit einverstanden sind,

wie hier der Papst die geistige Auseinandersetzung verweigert und

sich durch pure Machtausübung des Problems Luther zu entledigen

versucht. Rom wähnt sich im Recht.

Viele Menschen aber fragen sich jetzt, ob denn das Recht, mit dem

Luther der Prozess gemacht wurde, so gut begründet und legitimiert

ist, dass alle, die ihm unterliegen, das Gefühl haben, es mit einem gu-

ten, einem gerechten Recht zu tun zu haben. Nicht mehr das Recht

interessierte, sondern die Legitimität des Rechts.

Weil Rom diese Frage nicht beantwortete, ja nicht einmal zur

Kenntnis nahm, glaubte man dort, das Problem Luther so lösen zu

können, wie immer. Gleichgültig, routiniert und in der trügerischen

Sicherheit, unangreifbar zu sein, warf die Sakramentenverwaltungs-

behörde ihre Ketzermühle an, spuckte die Bannbulle aus und hakte

das Problem als erledigt ab.

Am 3. Januar 1521 wird die Bulle im ganzen Reich publik ge-

macht und damit der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass Luther aus der

Gemeinschaft der Gläubigen ausgestoßen und der Umgang mit ihm

untersagt ist. Der Rest ist nur noch Formsache. Der Kaiser muss nun

automatisch die Reichsacht über Luther aussprechen, ihn verhaften

lassen und nach Rom ausliefern, damit dieser Trottel endlich seiner

gerechten Strafe zugeführt werden kann.

Nur: So glatt und reibungslos wie früher läuft die Ketzer-Erledi-

gungsmaschine nicht mehr. Kaum dass ihr Motor angeworfen wurde,

89 gerät er auch schon ins Stottern und wird abgewürgt vom Kurfürsten

Friedrich dem Weisen. Der erinnert nun den Kaiser an die Klausel,

die er auf dem Reichstag in Augsburg unterschrieben hat: Jeder der

zur Achtung freigegeben werden soll, muss vorher angehört werden.

Der Kaiser hält sein Versprechen, gegen heftigen Widerstand aus

Rom. Luther soll im April 1521 zum nächsten Reichstag nach Worms

kommen. Ihm wird »freies Geleit« versprochen, das heißt, er darf als

freier Mann an- und auch wieder abreisen.

In Rom findet man sich damit ab und denkt' Na gut das wird dıe

Sache um ein paar Monate verzögern, aber danach wird endgültig

Schluss sein. Dann reist Luther nach Worms. Showdown Reichstag Die größte

denkbare Bühne, die es damals gab. Die Reise nach Worms gerät zum

Triumphzug. Dank der vielen Bilder aus Lucas Cranachs Werkstatt

wird er erkannt, wo immer er gerade Station macht. Di

jubeln ihm zu. Und dennoch: Wohl ist Luther nicht dabei. Es könnte der letzte

Triumph vor seinem Tod sein. Er weiß, dass er in Worms verbrannt

wer en kann, aber: Er ist sich seiner Sache so gewiss, dass er jetzt auch

bereit wäre, den Tod in Kauf zu nehmen. Natürlich hofft er trotzdem,

ihm zu entgehen, hofft auf den jungen Kaiser, der noch nicht in die

Handel der Kirche verstrickt ıst, hofft auf dıe Möglichkeit, doch noch

einmal all seine Argumente vortragen zu dürfen und den Kaiser und

vielleicht sogar die Kirchenvertreter zu überzeugen. Obwohl er schon

mehrmals die Erfahrung gemacht hat, dass die Obrigkeit nicht dis-

kutiert, sondern nur befiehlt, fährt er mit dem Fünkchen Hoffnung

nach Worms, dort seine Sache vor dem Kaiser ausfechten zu können.

Natürlich irrt er sich. Wieder dasselbe Spiel wie mit Cajetan. Nie-

mand interessiert sich für die Frage, ob Luther vielleicht recht haben

könnte.

Auf einem Tisch liegen zwanzig seiner Schriften, und man hat

dazu nur zwei Fragen an ihn: Hast du das alles geschrieben, was hier

vorliegt? Und Luther antwortet, ja, das habe er

90 Aber das sei eine Irrlehre, bekommt er gesagt, und daher stellt man ihm die zweite Frage: Bist du bereit zu widerrufen?

Niemand will jetzt noch Argumente hören, gar mit Luther disku-

tieren. Zur Überraschung vieler bittet er sich einen Tag Bedenkzeit

aus. Wozu noch Bedenkzeit? Er hatte doch sechzig Tage Zeit, über

die Bann-Androhungsbulle nachzudenken, und hat darauf eine klare

Antwort gegeben, indem er sie verbrannte. Warum also sagt er jetzt

nicht, dass er sich weigere zu widerrufen? Ist er im letzten Moment

doch noch unsicher geworden? Fürchtet er seinen Tod? Manche sei-

ner Freunde, aber auch seiner Gegner, beginnen an Luthers Stand-

haftigkeit zu zweifeln. Und unterschätzen ihn.

Selbstverständlich war er entschlossen, nicht zu widerrufen. Aber

er wollte sich nicht einfach mit einem kurzen Nein aus Worms ver-

abschieden, sondern in seine Antwort vor diesem höchsten Gremium

des Reiches seine wichtigsten Argumente packen. Die Formulierung

dieser Antwort musste er sich genauestens überlegen, denn nun war

klar, dass man ihm nur wenige Sätze zugestehen würde.

Und so tritt er am nächsten Tag wieder vor die höchsten Repräsen-

tanten des Reiches und sagt, er bekenne sich zu seinen Schriften. Und

diese teilt er in drei Kategorien ein: erstens die seelsorgerlichen, die

allgemein anerkannt würden und keines Widerrufs bedürften, zwei-

tens die Schriften gegen das Papsttum, die sich auf die Bibel, die Kir-

chenväter, kirchenkritische Stimmen aus dem Reich und sogar auf

einzelne Aussagen des Rechts berufen und deshalb nicht zu widerru-

fen sind, und drittens seine Schriften gegen einzelne römische Theo-

logen. Hier gestand er ein, vielfach zu heftig gewesen zu sein, doch in

der Sache zu keinem Widerruf Anlass zu haben.

Aber dennoch, so sagt er, sei er »wohl bereit, wenn ich gründlich

belehrt bin, jeden Irrtum zu widerrufen, und ich werde der Erste sein,

der meine Bücher ins Feuer wirft. Aus diesem allen, glaube ich, geht

klar hervor, dass ich mich genügend bedacht und die Gefahren und

den Streit erwogen habe, die aus Anlass meiner Lehre auf der Erde

91 erweckt wurden.« Er will, dass sie sich endlich inhaltlich mit ihm

streiten. Sein letzter Versuch.

Doch deren Geduld ist längst zu Ende. Genug jetzt, sagen sie,

widerrufst du oder nicht? Und da wirft Luther den höchsten Autoritäten des Staates und der

Kirche eine ungeheure Provokation vor die Füße, indem er sie fragt:

Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgrün-

de überzeugt werde, warum soll ich dann widerrufen? Nur weil der

Papst oder irgendwelche Konzilien es fordern? Die haben sich schon

öfter selbst widersprochen und sogar geirrt. Was von ihm zu fordern

sei, habe daher er allein mit seinem Gewissen vor Gott zu bestimmen,

denn es »ist unsicher und bedroht die Seligkeit, etwas gegen das Ge-

wissen zu tun. Gott helfe mir, Amenl«

Dass Luther »Hier stehe ich und kann nicht andersl« gesagt haben

soll, ist schon wieder eine Erfindung derer, denen eine gute Geschich-

te mindestens so wichtig ist wie das eine oder andere Detail der Wahr-

heit. Aber die Pointe der Geschichte steckt sowieso nicht in diesem

»Hier stehe ich«. Diese steckt vielmehr in den drei Wörtchen »Zeug-

nisse der Schrift«, »Vernunft« und »Gewissen<<. Sie sind die große,

welterschütternde Provokation. Ein kleines, unbedeutendes Individu-

um mit der Bibel, seinem Verstand und seinem Gewissen steht vor den

mächtigsten Autoritäten der Welt und sagt ihnen: Ihr seid abgesetzt.

Mit Eurer Macht und Autorität ist es vorbei. Das hier sind die drei

neuen Autoritäten einer neuen Zeit: Schrift, Vernunft und Gewissen.

Das hatte vor Luther noch keiner gesagt im Heiligen Römischen

Reich Deutscher Nation. Der entsetzte Reichssprecher rief aus, was

in diesem Moment viele dachten, die im Saal anwesend waren und

Luther gehört hatten: ››Martin, lass dein Gewissen fahren! Du bist im

Irrtuml« Sich auf sein privates Gewissen berufen ~ da könnte ja jeder

kommen!

Im Sitzungssaal wird es nun unruhig, lautes Durcheinander ent-

steht. Der Kaiser erhebt sich, geht wortlos und hat vermutlich so we-

nig verstanden, was soeben passiert ist, wie alle anderen, einschließ-

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