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LUTHER DEUTSCH 190-VÉGE

2017. december 31. 09:21 - RózsaSá

189 mfissten, war ein sehr einfacher: Geld. Die klamme DDR-Regierung brauchte dringend Devlâen, Um lul

das zunehmend mürrischer werdende Volk Weiten MS dem Ausland

importieren zu können. Daher bot sich an, Luilleffi 500- Gebüflfilflg

im Jahr 1983 groß zu feiern. Hintergedanket T0U1'iSleU Wefden ms

Landkommen und die ersehnten Devisen mitbringen-

Der Eindruck, dass Luther nun im Jubiläumsjahr 2017 auch wie-

der Touristen ins Land locken soll, besonders nach Ostdeutschland,

lä's'št sich nicht von der Hand weisen, wenn man sieht, Wle Lufhef Sell

lahren schon in Erfurt, Eisenach, Wittenberg, in ganz Thüringen,

Sachsen und Sachsen-Anhalt für das Stadt- und Bundesland-Marke

ting eingespannt wird. Wieder erhofft man sich Touristen, GeSCl1äfte,

ein positives Image mithilfe Luthers, obwohl doch die Zahl der Kir-

chenmitglieder - gleich ob evangelisch oder katholisch  gelfäde ln

buthers eigenem Wirkungsbereich einen historischen Tiefstand er-

190 reicht hat. In Sachsen-Anhalt, wo einst mit Wittenberg das »refor-

matorische Rom« lag, sind heute 80 Prozent der Bevölkerung kon-

fessionslos. Aber man fühlt sich berufen, im Land von Luther, Bach, Händel,

Schiller, Goethe das christliche Abendland zu verteidigen. Statt Mar-

keting müsste man eigentlich christliche Missions- und humanisti-

sche Bildungsarbeit betreiben  Auch die EKD erhofft sich einen Imagegewinn, und wenn schon

keinen nennenswerten Mitgliederzulauf, dann doch wenigstens einen

Rückgang der Kirchehaustritte. Aber wie lauten die Argumente? Wa-

rum sollte man heute wegen Luther in die Kirche eintreten. Was hat

er uns denn heute zu sagen? Hat er uns überhaupt noch etwas zu sa-

gen? Warum muss es 145 protestantische Kirchen des Lutherischen

Weltbunds geben und darüber hinaus noch ein paar Dutzend weitere?

Wieso können die sich nicht auf eine einzige große evangelische Kir-

che einigen? Wäre es nicht angebracht, 500 Jahre nach Luther zu ver-

suchen, mit der katholischen-Kirche einen Neuanfang zu versuchen?

Und überhaupt, wozu braucht man die Protestanten noch?

Es ist zu hoffen, dass diese Fragen unter der Flut der geplanten

Luther-Spektakel und dem ganzen Veranstaltungs-Overkill, der uns

bevorsteht, nicht untergehen und wir echte Antworten zu hören be-

kommen. Im nächsten Kapitel versucht der evangelisch-lutherische

Autor, eine eigene, persönliche Antwort zu geben. \

XVIII Protestanten ~ warum die Welt  sie gerade jetzt braucht  

Religionen nerven. Sie bekämpfen einander, hassen sich, bringen sich

gegenseitig um oder köpfen ››die Ungläubigen« vor laufender Kame-

  1. Schiiten gegen Sunniten, Alawiten gegen Aleviten und alle gegen

die Juden. Muslime gegen Christen. Hindus gegen Muslime. Liberale

Juden, Protestanten und Katholiken gegen konservative Evangelika-

le, Traditionalisten, Orthodoxe. Alle zusammen nerven besonders einen: den modernen, westli-

chen, einigermaßen aufgeklärten Durchschnittstyp, dessen absolute

Wahrheit lautet, dass es keine absolute Wahrheit gibt, und wenn es sie

doch geben sollte, keinem Sterblichen zuteil wird, und das, so dachte

dieser moderne Mensch noch bis vor Kurzem, sei eigentlich Konsens

unter allen Vernünftigen, zumindest in Mitteleuropa. Jeder soll nach

fseiner eigenen Façon selig werden, aber den anderen mit seiner Se-

ligkeit in Ruhe lassen. Daher hat sich der moderne Mitteleuropäer bisher gegenüber ei-

gentlich intolerablen Verhaltensweisen gelassen und tolerant gezeigt

und sie unter ››nicht weiter ernst zu nehmende Kuriositäten« abge-

bucht, gegenüber den griechisch-orthodoxen Mönchen vom Berg

Athos zum Beispiel. Die nehmen seit fast einem Jahrtausend für sich

das Recht in Anspruch, an der Eingangspforte zu ihrem heiligen Berg

' ein Schild aufzuhängen mit der Aufschrift: Frauen müssen leider

. draußen bleiben. Das Zugangs-Verbot gilt auch für weibliche Tiere.

*Ausgenommen sind Katzen (wegen der Ratten) und Hühner (wegen

der Eier). Man muss sich einmal vorstellen, was in Europa los wäre, wenn

man die Aufschrift auf dem Schild geringfügig änderte: Juden haben

hier keinen Zutritt. Oder Schwarze. Oder Norweger, Rentner, Blon-

192 de, Hindus, Linkshänder, Behinderte. In jedem dieser Fälle würde das

Schild als Skandal empfunden und von jedem Gericht sofort kassiert.

Nur bei Frauen, da geht”s. Ist ja schon seit tausend Jahren so. Altehr-

würdige Tradition. Muss man respektieren. Religionsfreiheit. Und so-

lange diese komischen Mönche auf ihrem Berg bleiben

Aber mit dieser gleichgültigen Toleranz geht es bei uns allmäh-

lich zu Ende, seit solche religiösen Kuriositäten nicht mehr in fernen

Ländern, sondern vor unserer Haustür praktiziert werden und wir mit

allerlei Forderungen konfrontiert werden, von denen wir nicht wis-

sen, wie wir uns dazu verhalten sollen: Kreuze raus aus den Schulen,

Gebetsräume für Muslime rein, Speisegebote, Tanzverbot am Karfrei-

tag, keine Fußballspiele am Totensonntag, Kopftücher, Burkas, Mina-

rette, Schächten, Beschneidungen der Vorhaut und Beschneidungen

der Meinungsfreiheit aus Rücksicht auf religiöse Gefühle oder aus

Gründen der Sicherheit, Diskussionen über eine Verschärfung des

Blasphemie-Paragrafen, Angst vor islamistischem, aber auch rechts-

radikalem Radikalismus, Angst vor Terror und Gewalt, No-go-Areas

in unseren Städten, Flüchtlingselend vor unseren Grenzen - die Zahl

der religiös und kulturell bedingten Konflikte nimmt zu in aller Welt.

Und diese Konflikte schwappen herein in unsere bisher so gut ge-

ordnete und befriedeteeuropäische Welt. Ihre Zahl steigt mit der Zahl

der Einwanderer, die ihre kulturellen und religiösen Hintergründe

mitbringen. Der normale alteingesessene Mitteleuropäer möchte da-

von eigentlich nicht behelligt werden, aber ist gezwungen, sich da-

mit auseinanderzusetzen, obwohl er nicht besonders bibelfest ist und

vom Koran in der Regel überhaupt nichts weiß. Er versteht nicht, warum die Identität eines Mannes an dessen

Vorhaut und die Ehre einer Familie am J ungfernhäutchei? der Toch-

ter hängen soll. Er weiß nicht, worum es beim Abendmahlsstreit zwi-

schen Protestanten und Katholiken geht, und will es auch gar nicht

wissen, auch nicht, was am Schwein schlechter oder unreiner sein

soll als am Schaf. Er versteht nicht, wie sich einzelne fehlbare, irren-

de Menschen als Papst, Imam oder Oberrabiner anmaßen können, für

192 alle verbindliche Wahrheiten zu formulieren. Und noch weniger ver-

steht er, dass sich im 21. Jahrhundert Millionen Einzelne tatsächlich

dem jeweiligen Diktum ihrer Autoritäten unterwerfen, und sich von

diesen bis in ihr Sexualleben und ihre Essensgewohnheiten hinein vorschreiben lassen, was schicklich sei, statt von ihrem eigenen Verstand Gebrauch zu machen. Es fällt einem modernen, säkularen Menschen schwer, solch ei- nem Verzicht auf selbstständiges Denken den Respekt zu zollen, der von den Autoritäten - allen voran den islamischen - ziemlich laut  eingeklagt wird. Dennoch hält er es, wenn auch kopfschüttelnd, au Gründen der Toleranz und der Religionsfreiheit, für nötig, die Religi-

onen mit ihrem bunten Treiben gewähren zu lassen. Nur: Sympathischer werden ihm die Religionen dadurch nicht.

Glauben und Vertrauen erwecken diese bei ihm nicht. Und statt einer neuen Hinwendung des säkularen Menschen zu religiösen Traditio-

nen erreichen sie dessen völlige und endgültige Abwendung.Das schafft ein weiteres Problem: Gerade jene multiethnischen, mul fikulturellen, multireligiösen Gesellschaften, die seit einigen Jahr zehnten und mit wachsendem Tempo in Europa entstehen, brauchen eine Verständigung darüber, wie sie einem Zerfall dieser Gesellschaf ten in Antagonismen entgegenwirken und stattdessen freundlich mit-[ W. einander leben und arbeiten können. Dafür sind einige Grundregeln nötig, an die sich alle, aber auch wirklich alle halten, und die nicht» ' verhandelbar sind.

,` Wo aber wäre der Ort, an dem eine überlebensnotwendige Verständigunñg über Grundregeln des multikulturellen Zusammenlebens stattfinden könnte? Wer könnte die vielen verschiedenen Menschen zusammenbringen, ein Gespräch uber die Regeln organisieren, mo-

derieren und für deren Akzeptanz werben? Die politischen Parteien?Denen glauben nur noch wenige etwas. Der Staat? Auch ihm wird

misstraut. Also die Kirchen? Ja, und zwar ganz besonders die evangeglische, denn es erweist sich nun, dass die ihr in der Vergangenheit oft 194 vorgeworfene und teilweise von ihr selbst so empfundene »Profillosigkeit« in Wahrheit eine Stärke ist. Ein Profil ist etwas Starres, hat zwar wegen seiner klar definierten Struktur eine hohe Wiedererkennbarkeit, aber was nützt das, wenn

das Profil in der Realität nicht greift, nicht auf sie passt? Winterreifen-

profile sind nützlich bei Schnee und Matsch, im Sommer gefährdet

der ganze Reifen mit seiner für niedrige Temperaturen konzipierten

Gummimischung die Sicherheit des Fahrers. Was es bräuchte, wäre

ein Reifen mit dynamischem Profil, das sich jeder neuen, auch unvor-

hersehbaren Situation anpasst. Über diese Dynamik und Flexibilität verfügt der Protestantismus

wie keine andere Konfession, weil deren Mitglieder zwar an eine ge-

meinsame Wahrheit glauben, aber den Versuch unterlassen, diese

Wahrheit zu fixieren. Daher visualisiert das Facettenkreuz, das sich

einige Landeskirchen, wie etwa die Evangelische Kirche in Hessen

und Nassau (EKHN), als Logo gegeben haben, den Geist des Protes-

tantismus ziemlich gut. Aber eigentlich bräuchte es statt eines Bildes

ein Video zur Visualisierung dieses Geistes. Es wäre eine schwingen-

de, flimmernde, schillernde, ständig seine Gestalt verändernde Form,

die immer als Kreuz erkennbar bleibt, aber sich nie auf eine einzige

Form festlegen lässt. Protestanten wissen, dass sich die eine, absolute, für alle Zeiten

und alle Menschen gültige Wahrheit weder erkennen noch formulie-

ren lässt. Sie wissen, dass jedes Gemeindemitglied immer nur seine

eigene jeweilige Teilwahrheit lebt, geben den Glauben an eine ››ge-

meinsame Wahrheit dahinter« trotzdem nicht auf und wirken da-

her immer rührend hilflos, wenn sie über diese »Wahrheit dahinter«

Auskunft geben sollen. Darüber zanken sie auch unentwegt, aber je-

des Gezänk endet irgendwann mit der Einsicht: Wir sind alle Gottes

Kinder, und darum haben wir die Pflicht, uns zu vertragen, auch

dann, wenn wir uns .über die eine oder andere Frage nicht einigen

können. Und tatsächlich vertragen sie sich dann wieder, mancher grollend, mancher murrend, mancher unbelehrbar seine eigene Wahr-

heit für die ganze nehmend, aber sie bleiben beieinander und lernen,

einander auszuhalten und wie nebenbei: Konfliktmanagement, Me-

diation, Moderation. Sie lernen ihre eigene Unsicherheit, Unschär-

fe, Unbestimmtheit zu akzeptieren. Sie lernen, dass alle großen Pro-

bleme komplex und differenziert zu betrachten sind, und wenn sie

das dann in ihren Denkschriften ausformulieren, kommen Texte von

gähnend-langweiliger Ausgewogenheit zustande, die jeden Leser se-

dieren. Aber fast inzímer sind es Texte auf hohem Reflexionsniveau,

derer man sich als Protestant nicht schämen muss, und auch wenn

ein aktiver oder ehemaliger Ratsvorsitzender - heiße er nun Huber,

Schneider oder Bedford-Strohm - in der Talkshow spricht, reißt ei-

nen das zwar nicht vom Hocker, aber zumindest ich bin dann oft ein

kleines bisschen-stolz auf sie, weil sie eigentlich immer vernünftig,

intelligent, menschlich, undogmatisch und zumindest dem Anschein

nach uneitel und demütig ››rüberkorrynen«.

Die seltsame Unbestimmtheit des Protestantismus macht diesen

,zwar anfällig für Moden und jeden Zeit-, Zweit- „und Drittgeist, und

i ínicht selten wird er auch deren Opfer, aber er berappelt sich dann

schon wieder und passt eben gerade ,deshalb besser in eine multikul-

turell-säkulare jlndividualistengesellschaft als jede andere Glaubens-

gemeinschaft, den uns fremden Buddhismus vielleicht ausgenom-

men. Der Protestantismus passt auch besser in unsere Welt, weil er

für deren Probleme - von der Umwelt über das Klima, die soziale

Gerechtigkeit und den Überwachüngsstaat - »den Kopf frei hat«,

während der Katholizismus sich endlos quält mit seinen heiligen drei

 / Kühen: Pille, weibliche Priester, Homosexualität gleich Sünde. Dazu

kamen in der jüngsten Vergangenheit noch die Missbrauchsskandale

und der sogenannte Protzbischof von Limburg. Die katholische Kir-

che hat jetzt und noch eine geraume Zeit mehr mit sich selbst zu tun

als mit der Welt und den letzten Wahrheiten. Es liegt vermutlich an dieser pragmatischen Anpassungsfähigkeit des Protestantismus, dass so viele Protestanten die Geschicke unse 196res Landes lenken - man sehe sich nur um: der Bundespräsident, die Kanzlerin, der Finanzminister, der Innenminister, die Verteidigungsministerin, die Familienministerin, der Gesundheitsminister, der

Fraktionsvorsitzende und der Generalsekretär der CDU, sie alle sind

Protestanten. Es gibt auch Katholiken in der Regierung, wie etwa die

Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles, den Justizminister Hei-

ko Maas oder die Umweltministerin Barbara Hendricks, aber sie sind

in der Minderzahl. Zehn zu sechs ist das Verhältnis.

So eine an bloßen Zahlen orientierte Aufzählung mag auf den ers-

ten Blick zufällig erscheinen und als reine Äußerlichkeit gelten, aber

es lassen sich doch tiefere Gründe finden für die öffentliche Brauch-

barkeit von Protestanten in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.

Zwei Namen protestantischer Theologen sind damit verbunden: Ru-

dolf Bultmann und Dietrich Bonhoeffer. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der damals

noch unbekannte Theologe Rudolf Bultmann einen aufsehenerregen-

den Vortrag gehalten, der beinahe zu seinem Rausschmiss aus der

Evangelischen Kirche geführt hätte. In diesem Vortrag hatte Bultmann gesagt, all die Wundergeschichten,

die in der Bibel stehen, diese Geschichten über Engel, Dämonen und

den Teufel, die Einteilung der Welt in die drei Stockwerke Himmel,

Erde, Hölle - das alles seien keine Berichte historischer Ereignisse,

sondern Mythen. Mythisch sei die Schilderung von Christus als einem präekisten-

ten Gotteswesen, das sich auf Erden als Mensch inkarniert, die Sün-

den der Menschen auf sich nimmt, dafür am Kreuz stirbt, am dritten

Tage aufersteht, in den Himmel fährt und von dort wieder zurück-

kommt. Mythisch sei die Vorstellung, dass dieses Wesen nach einem

Ablauf verschiedenster kosmischer Katastrophen die Toten aufweckt,

vor Gericht stellt und die gesamte Menschheit in Selige und Ver-

dammte scheidet. Dies alles seien Geschichten, die aus antiken Mythen, spätjüdi-

scher Apokalyptik und gnostischen Erlösungsfantasien komponiert  wurden, und diese seien durch das moderne Weltbild erledigt. Damit, sagt Bultmann, sei auch“ die Höllen- und Himmelfahrt Christi erledigt, erledigt sei die Vorstellung von einer unter kosmi-

schen Katastrophen hereinbrechenden Endzeit, erledigt die Erwar-

tung des auf den Wolken des Himmels kommenden Menschensoh-

nes, erledigt die Wunder als bloße Wunder, erledigt der Geister- und

Dämonenglaulae. Man könne nicht »elektrisches Licht und Radioap-

 parat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klini sche Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muss sich klarmachen, dass er, wenn er

das für die Leistung christlichen Glaubens erklärt, damit die christli-

che Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich

macht<<.98 ` .Erledigt ist damit aber auch Ldther. Luther, wenn er plötzlich als der wiederkäme, der er war, und läse, was Bultmann geschrieben hat und hörte, welche Theologie an unseren Universitäten gelehrt wird,

*würde sich schaudernd abwenden, Builtmann als Teufel bezeichnen

und der evangelisch-lutherischen Kirche befehlen, seinen Namen aus ihrem Firmenschild zu tilgen.Eben diese Kirche ist aber durch Bultmann gerettet worden. Er hat mit seinem Entmythologisierungsprogramm die protestantische Kirche auf den geistigen Stand ihrer Zeit gebracht und sie damit anschluss- und diskursfähig gemacht im Streit mit der Wis senschaft und dem Atheismus - was manch militanter, noch dem 19.Jahrhundert verhafteter Atheist vom Schlage eines Richard Dawkins offenbar noch nicht bemerkt hat. Dank Bultmann können protestantische Theologen heute jeden Angriff Dawkins locker parieren.Für die Theologie gibt es daher aber auch kein intellektuell red-'I liches Zurück mehr hinter Bultmann und damit auch kein Zurück/mehr zu Luthers zeitbedingtem Hexene, Dämonen-, Teufels- und

 Höllenglauben. Stattdessen markiert Bultmann eine Wegmarke, die 200 Wie einst Luther quer zu seiner Zeit stand - weder römisch, noch

humanistisch -, so stehen Freud und dessen Anhänger heute quer

zum weitverbreiteten Glauben an das Gute im Menschen. Und so wie

er einst den Humanisten Erasmus von Rotterdam gerügt, ja fast ver-

achtet hatte wegen dessen oft unentschiedener Haltung, so würde er

heute die oft unentschieden erscheinende sowohl-als-auch-Haltung

der evangelischen Kirche geißeln.

Es tut dieser Kirche gut, so einen lutherischen Stachel im Fleisch

zu haben, ihm aber nicht zu sehr nachzugeben, denn mit lutheri-

scher Sturköpfigkeit ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

Moderne Protestanten haben sich längst von Luther emanzipiert,

und genau darin, dass sie ihrem herrischen Lehrmeister, wo es nö-

tig ist, selbstbewusst widersprechen, erweisen sie sich als wahrhaft

lutherisch, denn wahrhaft lutherisch ist es nun mal, keinen Papst zu

akzeptieren, auch keinen evangelischen.

Daher ist es gerade die aus dem Geist des Luthertums kommen-

de Widerständigkeit, wegen dergdie Protestanten heute gebraucht

werden. Ihre gesunde Skepsis gegenüber Macht, Autorität und Dog-

matismus ist umso nötiger in einer Zeit, in der immer mehr Politi-

ker, Despoten, Diktatoren und religiöse, aber auch wissenschaftliche

und ökonomische Autoritäten ihre Machtansprüche und Wahrheiten

durchzusetzen versuchen. Es sind nicht nur die Homophobie, Frem-

denfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit und der Nationalismus religiö-

ser Fundamentalisten, die uns heute herausfordern, es ist auch der

Ökonomismus. unserer wirtschaftlichen, technischen und wissen-

schaftlichen Eliten. Diese sind heute in der Lage eine Zukunft zu ge-

stalten, in der sich Orwells autoritärer Überwachungsstaat mit der

»Schönen Neuen Welt« zu einer Techno-Diktatur verbindet, aus der

es kein Entkommen mehr gibt. Dagegen hilft nur protestantische Wi-

ıderständigkeit. Durch ihren Anspruch, auf Augenhöhe mit der Wissenschaft und

dem Atheismus zu disputieren und jedes Dogma infrage zu stellen,

auch wissenschaftliche, atheistische, ökonomische und technische

Dogmen, sind die Protestanten für die Gestaltung der Zukunft bes-

ser gerüstet als jene, die sich auf die traditionelle Religionsausübung mit ihren unhinterfragten Dogmen, Ritualen und Anmaßungen be-

tschränken. Gebraucht werden die Protestanten auch überall dort, wo der Wert eines Menschen an seinen Werken gemessen und fremden Göttern - Macht, Reichtum, Besitz, Schönheit, Kapital, Wachstum, die Nation, die Klasse - gehuldigt wird. Protestanten haben dank ihrer Lektionen aus der Vergangenheit gekernt, in der Welt mitzuwirken, aber sich gleichzeitig zurückzunehmen. Deshalb ist der Pro testantismus so zeitgemäß und -für mich - unter allen Glaubensge meinschaften eine der fortgeschrittensten und daher so gut geeignet,im Dialog der Religionen eine führende Rolle zu spielen Dass dies alles auch mit liberalen, aufgeklärten Juden, Muslimenund Katholiken möglich ist, will ich nicht bestreiten. Sowieso werden die anderen nicht überflüsjıg. Auch der Papst wird weiterhin gebraucht, um den Christen in der Welt eine Stimme zu verleihen.Wenn er den Kapitalismus kritisiert, wird er auf der ganzen Welt gehört. Wenn der EKD-Ratsvorsitzende ckıs tut, stößt das auf begrenzteInteresse Darum spricht der Papst, wenn er sich für Frieden, Freiheit und gegen die Herrschaft des Gelds ausspricht, immer auch für dieProtestanten mit. ' Sagt er aber, Frauen taugten nicht als Priester, die Pille zu nehmen verstoße gegen göttliches Gebot, und Homosexualität sei Sünde, dann widersprechen die Protestantenfund darin 'sprechen sie auch vielen Katholiken aus dem Herzen. Eigentlich ist es also gar nicht soein großes Unglück, dass es die eine große katholische Kirche und dievielen kleinen chaotischen Schrebergartenkirchen des Protestantis-mus und darüber hinaus noch die bunte Vielfalt der anderen Religio-nen gibt. Wenn sie klug sind, fordern sie einander heraus, korrigieren  einander, sichern damit ihr gemeinsames Überleben, und bei allemStreit und allen Differenzen gehören sie doch zusammen. Und was klug ist, dafür ist die Großmutter des israelischen Schriftstellers Amos Oz ein wunderbares Beispiel. Zum ewigen Strei zwischen Juden und Christen, ob der Messias schon gekommen sei,wie die Christen glauben, oder erst noch kommen wird, wie die Judenglauben, sagt sie: ››Ist es so wichtig? Warum kann nicht jeder einfach

abwarten und schauen? Falls der Messias kommt und sagt: ›Hallo,

schön euch wiederzusehen!<, müssen die Juden nachgeben. Falls er

aber sagt: ›Hallo, wie geht's? Schön, mal hier zu sein!<, wird die ge-

samte christliche Welt sich bei den Juden entschuldigen müssen.«1°°

Wer sich bei wem wofür warum entschuldigen muss - daswäre eine

Frage, die zum 500. Reformationsjubiläum ausführlich erörtert wer-

den sollte.

VÉGE, VÉGE MINDENNEK,

VÉGE A JÓKEDVÜNKNEK!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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