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ORBÁN A SPIEGEL-BEN (600 000-szer)/RózsaS

2022. október 31. 03:43 - RózsaSá

ORBÁN A SPIEGEL-BEN (600 000-szer)/RózsaS

Katz und Maus

EUROPA Der Ungar Viktor Orbán manövriert Brüssel aus. Ein paar Showmaßnahmen sollen seinem korrupten System einen neuen

Anstrich verpassen, damit er Milliarden aus EU-Kassen einstreichen kann.

Sollte Orbán damit durchkommen, hätte die EU auf mehreren Ebenen verloren.

DER SPIEGEL Nr. 44 / 29.10.2022

Es ist noch nicht lange her, da

schien Věra Jourová am Ziel

ihrer Wünsche angelangt zu

sein. Die EU hatte sich gerade auf den

sogenannten Rechtsstaatsmechanis-

mus geeinigt – den Mitgliedstaaten

sollten künftig Gelder gekürzt wer-

den, wenn sie rechtsstaatliche Prin-

zipien missachten. Für sie seien die

neuen Sanktionsmöglichkeiten lange

Zeit ein Traum gewesen, sagte die

stellvertretende Vorsitzende der EU-

Kommission im Dezember 2020. Nun

wurde er endlich wahr.

Oder?

Zwei Jahre später droht Jourovás

Traum zu platzen. Die Kommission

hat den neuen Mechanismus zwar

erstmals ausgelöst, im Frühjahr, nach

massivem Drängen, weil Ungarn

unter Viktor Orbán nur noch auf dem

Papier ein Rechtsstaat ist. Doch den

entscheidenden Beschluss sollen die

EU-Finanzminister am 6. Dezember

fassen. Und mittlerweile spricht viel

dafür, dass er im Sinne der ungari-

schen Regierung ausfallen wird. »Ich

sehe keine qualifizierte Mehrheit der

Mitgliedstaaten für die Bestrafung

Ungarns«, sagt ein EU-Diplomat.

Eigentlich wollte die EU-Kommis-

sion wegen der Korruption in Ungarn

7,5 Milliarden Euro einfrieren, die

dem Land bis 2027 aus dem EU-

Haushalt zustehen. Der Plan droht

nun zu scheitern, es wäre ein Triumph

für den ungarischen Ministerpräsi-

denten Orbán.

Der Rechtsstaatsmechanismus

sollte ein entscheidendes Instrument

gegen die autokratische Gefahr inner-

halb der EU werden – und scheitert

dann bei seiner ersten Anwendung?

Es wäre ein Freibrief für potenzielle

Nachahmer.

Für Orbán wäre das ein Grund zu

feiern, für Kommissionspräsidentin

Ursula von der Leyen wäre es eine

Blamage. Lange hatte sie gezögert,

überhaupt gegen Ungarn vorzu-

gehen. Dabei bezweifelt niemand

in Brüssel, dass der Ungar ein System

aus Korruption und Nepotismus auf-

gebaut hat. Erst im September hat das

EU-Parlament Ungarn mit großer

Mehrheit abgesprochen, überhaupt

noch eine Demokratie zu sein.

Doch die Kommission hat es dem

Machthaber leicht gemacht, sämtliche

Forderungen nach mehr Transparenz

und Rechtsstaatlichkeit auszuhebeln.

Auf Orbáns Vorschlag hat sie mit Bu-

dapest 17 Reformschritte vereinbart,

die zum 19. November umgesetzt

werden sollen.

Die ungarische Regierung gelobt

unter anderem, künftig besser mit der

europäischen Betrugsbehörde Olaf

zusammenzuarbeiten. Bei der Ver-

gabe öffentlicher Aufträge soll es bis

auf wenige Ausnahmen immer mehr

als einen Bieter geben. Außerdem

verpflichtet sich Ungarn, eine »Be-

hörde für Integrität« zu schaffen, die

gegen Betrug und Korruption vorge-

hen soll.

Was in dem Programm ausgeklam-

mert wird: dass die ungarische Re-

gierung die Staatsanwaltschaft und

einen Teil der Gerichte kontrolliert,

die Gewaltenteilung also praktisch

ausgehebelt ist. Auch der Einfluss der

Regierung auf die Medien ist kein

Thema. »Dass die Kommission die

Probleme mit dem Rechtsstaat außen

vor gelassen hat, ist ein großes Ver-

sagen«, kritisiert der grüne Europa-

abgeordnete Daniel Freund. Die ver-

langten Reformen seien der Größe

des Problems nicht angemessen.

Die Reformliste ermöglicht es Or-

bán, eine Goodwillshow abzuziehen.

Er hat nun eine offiziell abgesegnete

Agenda in der Hand, die er Punkt für

Punkt abhaken kann. »Wenn Orbán

die Liste abgearbeitet hat, woran

kaum Zweifel bestehen, dann wird

er sein Geld bekommen«, sagt ein

hoher EU-Beamter. Erste Gesetze

sind bereits auf den Weg gebracht.

Haushaltskommissar Johannes Hahn

spricht von einem signifikanten

Schritt vorwärts. »Das kann und wird

definitiv dazu beitragen, die europäi-

schen Steuerzahler zu schützen.«

Doch das ist Wunschdenken. Or-

bán ist nicht plötzlich geläutert, das

von ihm installierte System wird blei-

ben. In den vergangenen zwölf Jahren

als Ministerpräsident hat Orbán nicht

nur den ungarischen Staat, die Ver-

waltung und die Justiz auf sich aus -

gerichtet, sondern auch einen erheb-

lichen Teil der Wirtschaft.

Formal blieb die Demokratie weitgehend

unangetastet, doch wird sie durch ein kom-

plexes Geflecht aus persönlichen Loyalitäten

und Abhängigkeiten ausgehöhlt. Orbán hat

alle wichtigen Positionen mit seinen Getreuen

besetzt, vom Generalstaatsanwalt bis hinun-

ter zum Schuldirektor.

Seit Jahren setzt er Staatsaufträge als Herr-

schaftsinstrument ein. Soll eine Straße oder

ein Stadion gebaut werden, möglicherweise

sogar mit EU-Zuschüssen, erhalten Unter-

nehmer aus dem Umfeld der Orbán-Partei

Fidesz den Zuschlag.

In Polen hat sich die Regierung angreifbar

gemacht, indem sie eine Disziplinarkammer

einrichtete und das Berufungsgremium für

die Richterschaft personell neu besetzte – für

alle nach außen hin sichtbar. Das Undemo-

kratische am System Orbán ist dagegen viel

schwerer zu greifen.

Viel spricht dafür, dass die versprochene

Integritätsbehörde reines Blendwerk wird.

Ihr Vorsitzender und seine Stellvertreter wer-

den letztendlich von der ungarischen Staats-

präsidentin bestätigt. Die heißt Katalin Novák

und gilt als loyale Orbán-Anhängerin.

Sollte Orbán mit seinem Manöver durch-

kommen, hätte die EU gleich auf mehreren

Ebenen verloren. Nicht nur der Rechtsstaats-

mechanismus wäre beschädigt. Auch andere

Instrumente wären stumpf, mit denen die

Kommission versuchen kann, die Entwick-

lung in Ungarn zu beeinflussen.

So hat die EU-Kommission den Wieder-

aufbauplan Ungarns bislang noch nicht ge-

billigt – was Voraussetzung für die Auszah-

lung von 5,8 Milliarden Euro aus dem Corona-

hilfsfonds wäre. Doch es sieht so aus, als

würde auch diese Frage in Orbáns Sinn gelöst.

Die Politikwissenschaftlerin Eulalia Rubio

vom Institut Jacques Delors in Paris etwa er-

wartet nicht, dass sich im Rat die notwendige

Mehrheit für die von der Kommission gefor-

derte Strafe finden wird. Stattdessen, glaubt

sie, könnten die Minister beschließen, die

Umsetzung der 17 von Orbán versprochenen

Reformen von der Kommission überwachen

zu lassen – und das an die Auszahlung der

Mittel aus dem Coronafonds knüpfen.

In einem solchen Szenario wäre Orbán der

Sieger, sagt Rubio – ein solches Vorgehen setzt

nämlich voraus, dass der ungarische Wieder-

aufbauplan gebilligt wird. Ob die Kommission

danach die Kraft aufbrächte, noch einmal

Mittel zurückzuhalten? Wohl kaum.

Das wäre ein verheerendes Signal. Der

Rechtsstaatsmechanismus, durchgesetzt nach

jahrelangem Ringen, galt als Durchbruch, als

Fortschritt im Kampf mit den Gegnern der

liberalen Demokratie. »Wenn Ungarn mit

seiner Strategie durchkommt, dann ist eines

der stärksten Werkzeuge für die Rechtsstaat-

lichkeit in der EU zerlegt«, sagt der grüne

Parlamentarier Freund.

Und Orbán könnte Nachahmer finden.

Weil die Drohungen aus Brüssel niemanden

mehr abschrecken.

Ralf Neukirch, Jan Puhl n

EUROPA

»In 15 Jahren russische Verhältnisse«

Der ungarische Verfassungsrechtler András Jakab, 44, wirft Brüssel

Zögerlichkeit im Kampf gegen autoritäre Tendenzen vor.

SPIEGEL: Herr Jakab, die EU-Kommission

hat ein Rechtsstaatsverfahren gegen

Ungarn eingeleitet, Budapest hat mit

einem 17 Punkte umfassenden Reform-

paket geantwortet. Kann der Weg

Ungarns in den Autoritarismus noch

gestoppt werden?

Jakab: Da bin ich wenig optimistisch. Das

Problem ist in erster Linie nicht die unga-

rische Rechtsordnung, die grundsätzlich

in Ordnung ist. Es gibt schon zahlreiche

Gesetze gegen Korruption. Das Problem

ist die Art, wie diese Gesetze angewendet

werden oder wie sie gerade nicht an-

gewendet werden. Das kann man nicht

mit ein paar institutionellen Reformen

ändern.

SPIEGEL: Was ist gegen die Schaffung

einer Antikorruptionsbehörde zu sagen,

wie die ungarische Regierung sie vor-

schlägt?

Jakab: Das Problem ist, dass sich in der

Praxis nicht viel ändern wird. Die Kom-

petenzen dieser sogenannten Integritäts-

behörde sind nicht weitreichend genug,

über die Einleitung von Strafverfahren

entscheidet weiterhin die Staatsanwalt-

schaft. Die ist aber parteipolitisch be-

fangen.

SPIEGEL: Auch in Deutschland ist die

Staatsanwaltschaft weisungsgebunden.

Jakab: Das ist mein Punkt. Es kommt

nicht nur auf die Gesetze an, sondern auf

die gesamte Rechtskultur. In Deutschland

ist es die absolute Ausnahme, dass ein

Minister in die Arbeit eines Staatsanwalts

eingreift. In Ungarn ist die Staatsanwalt-

schaft rein formal sogar unabhängiger von

der Regierung, aber unter dem jetzigen

Generalstaatsanwalt sind viele Korrup-

tionsverfahren entlang parteipolitischer

Linien im Sande verlaufen. Man kann

nicht nur Gesetze vergleichen, man muss

auch die Rechtspraxis sehen.

SPIEGEL: Die Rechtskultur ist von außen

nur schwer zu ändern. Was hätte die

Kommission Ihrer Meinung nach tun

sollen?

Jakab: Das Wichtigste wäre gewesen,

Budapest zu drängen, der Europäischen

Staatsanwaltschaft beizutreten. Sie ist

zwar nur als verstärkte Zusammenarbeit

konzipiert, ein Beitritt also freiwillig,

aber gerade im Fall von Ungarn wäre sie

absolut notwendig für den Antikorrup-

tionskampf. Sie hätte die Kompetenz,

Regelverstöße in Ungarn zu untersuchen.

Das würde wirken. Außerdem hätte

Brüssel auf die Wiederherstellung der

Unabhängigkeit von Kontrollinstitutionen

durch personelle Änderungen drängen

müssen.

SPIEGEL: Das wäre ein sehr weitgehender

Eingriff in einen Bereich gewesen, der in

der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegt.

Jakab: Die politische Befangenheit der

Staatsanwaltschaft ist gut dokumentiert.

Es gab auch Richterernennungen, die

selbst nach ungarischem Recht rechtswid-

rig waren. Brüssel könnte verlangen, dass

Ungarn seine eigenen Gesetze respektiert.

Dafür bietet der Rechtsstaatsmechanis-

mus einen Hebel. Es gibt keinen Anti-

korruptionskampf ohne unabhängige Ge-

richte. Das wäre auch ein Signal an viele

andere Richter gewesen, die Angst haben,

gegen die Regierung zu urteilen.

SPIEGEL: Was bedeutet es, wenn der

Rechtsstaatsmechanismus bereits bei der

ersten Anwendung versagt?

Jakab: Die Kommission verfügte schon

immer über genug Möglichkeiten, Mit-

gliedstaaten zu bestrafen, die sich nicht

an die Regeln halten. Es gibt unter an-

derem die Vertragsverletzungsverfahren.

Das Problem ist, dass es bei all diesen

Instrumenten einen politischen Ermes-

sensspielraum gibt, den die Kommission

kurzsichtig nutzt.

SPIEGEL: Ist der Ukrainekrieg ein guter

Zeitpunkt, um einen solchen Konflikt

vom Zaun zu brechen? Es geht derzeit

darum, die EU beisammenzuhalten.

Jakab: Ausreden für Untätigkeit oder

halbherziges Handeln gibt es immer. Erst

gab es die Finanzkrise, dann den Brexit,

dann die Flüchtlingskrise, jetzt den Krieg

in der Ukraine. Wenn man nicht schnell

genug vorgeht, wird das Problem immer

größer. Extrapoliert man die bisherigen

Trends in den Rechtsstaatlichkeits- und

Demokratieindizes, haben wir in 15 Jah-

ren russische Verhältnisse mitten in der EU.

Interview: Ralf Neukirch

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