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EIN REBELLISCHER MÖNCH 27-37

2017. november 22. 16:45 - RózsaSá

Gegenden trugen Teufels- und Höllennamen. Da musste
man halt – mit Gottes gnädiger Hilfe – irgendwie hindurch. So etwas
wie Tourismus oder gar Bergsteigen gab es natürlich noch nicht, und
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doch: Etwa zur gleichen Zeit, als sich Luther über das Hochgebirge
quälte, »soll Leonardo da Vinci einen der Berge – vermutlich den
zweieinhalbtausend Meter hohen Monte Bo südlich des Monte Rosa
aus reinem Forscherdrang bestiegen haben«.7 Aber Leonardo lebte
nicht mehr im Mittelalter, sondern schon in der Welt der Renaissance.
Wie fast alle Menschen in Italien, in Rom.
Dort wurde bereits heftig an der Peterskirche gebaut. Raffael bemalte
die Gemächer des Papstes. Michelangelo lag rücklings auf einem
Gerüst und malte in der Sixtinischen Kapelle. Der Bergsteiger,
Bildhauer, Maler, Dichter und Ingenieur Leonardo da Vinci entwickelte
Pumpen und Flugmaschinen.
Luther scheint von all dem nichts mitbekommen zu haben,
auch nichts von den antiken Ruinen, von denen die Humanisten so
schwärmten, und hätte er die erotischen Engel Michelangelos in der
Sixtinischen Kapelle gesehen, hätte er vermutlich »Pfui Teufel« ausgerufen
und daheim von der dekadenten Verkommenheit des römischen
Klerus erzählt. Er hatte gar kein Interesse an dem aufregend
Neuen, von dem Künstler, Dichter und Philosophen in Rom ergriffen
waren. Er war ja auch nicht als Tourist oder wie wenige Jahre zuvor
Albrecht Dürer als Bildungsreisender nach Rom gekommen, sondern
als Beauftragter seines Ordens, aber vor allem: als frommer Pilger.
Seine Pilgerreise in die heilige Stadt wollte er, wie er Jahre später
sagte, nutzen, um eine ganze Beichte von Jugend auf abzulegen und
fromm zu werden.8 Luther war fixiert auf sein Seelenheil.
Sein Blick ist also während der ganzen Reise nach innen gerichtet.
Mit diesem Blick tut er in Rom, was Pilger in Rom eben so tun. Er
geht den vorgeschriebenen Pilgerweg, beichtet, liest Seelenmessen
für verstorbene Freunde und Verwandte und rutscht andächtig auf
Knien jene 28 Stufen der Pilatustreppe hinauf, auf der Jesus ins Haus
des Pontius Pilatus gegangen sein soll. Mit dem Blut des Erlösers, gerissen
von der Dornenkrone und den Geißeln der Soldaten, soll diese
Treppe benetzt sein.
Wie die Treppe nach Rom kam? Da gibt es zwei Versionen. Nach
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der einen wurde sie auf Befehl der heiligen Helena, Mutter des Kaisers
Konstantin, von Jerusalem nach Rom gebracht. Nach einer anderen
sollen Engel die Treppe nach Rom versetzt haben.
Wer die Treppe erklimmt, dem wird das Fegefeuer erspart. Also
rutscht auch Bruder Martinus hoch, spricht auf jeder Stufe ein Gebet,
verharrt geduldig, bis sich der Pilger vor ihm um eine Stufe höher
bewegt. Dreizehn Jahre später wird der Reformator Martin Luther
sich ärgern, dass er diese Rutscherei mitgemacht hat, und in der ihm
eigenen drastischen Art sagen: »Ich hab zuvor glauben können allen
Scheißdrecken.«
Nicht nur die Romreise hinterlässt kaum Eindrücke bei ihm. Auch
all die aufregenden Entwicklungen um ihn herum, die vom Anbruch
einer neuen Zeit künden, nimmt er anscheinend nicht zur Kenntnis.
Schon seit 1450 gab es den Buchdruck, jene Erfindung Johannes
Gutenbergs, von der Luther Gebrauch gemacht hatte wie kaum
ein anderer, aber die historische Tragweite dieser Erfindung hatte er
so wenig erkannt wie die Entdeckung eines neuen Kontinents durch
den Genuesen Christoph Kolumbus im Jahr 1492. Der hatte zwar geglaubt,
einen Seeweg nach Indien gefunden zu haben, weshalb er die
von ihm auf dem Weg nach Westen entdeckten Inseln auch Westindische
Inseln und ihre Bewohner Indianer nannte. Aber der Seefahrer
Amerigo Vespucci (1451, 1452 oder 1454) hatte rasch gemerkt,
dass es sich um einen neuen Kontinent handelte. Nach ihm wurde die
Neue Welt schließlich Amerika genannt.
Die Portugiesen waren bereits um ganz Afrika bis nach Indien gesegelt,
und 1513 kreuzten sie vor der Küste Chinas. Südamerika hatten
sie um das Jahr 1500 betreten und dort später Brasilien gegründet.
Und seit 1443 mischten sie sich zunehmend in ein Geschäft ein,
das bis dahin ein Monopol der Muslime gewesen war: Sklavenhandel.
Die Eroberung der Welt durch Europäer hatte begonnen – fern von
Luther.
Während Kolumbus nach Amerika segelte, hatte in Nürnberg der
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Tuchhändler Martin Behaim den ersten Globus anfertigen lassen, auf
dem Amerika natürlich fehlte. Aber in der Kugel steckte eine andere
Sensation von historischer Tragweite, welche die Gemüter heftig
bewegte: der Sturz des kirchlich gelehrten »ptolemäischen geozentrischen
Weltbilds«, der sich nun anbahnte. Ptolemäus und mit ihm
die Kirche hatten gelehrt, die Erde stehe im Mittelpunkt des Weltalls,
um welche sich die Sonne und die Planeten drehten. Nikolaus Kopernikus
(1473) kam durch astronomische Beobachtung und mathematische
Berechnung zu dem Schluss, dass es anders sei: die Erde
umkreist die Sonne – das heliozentrische Weltbild setzt sich durch,
weil seine Wahrheit bewiesen werden kann.
Luther schien das alles weder sonderlich interessiert noch beeindruckt
zu haben, und die Ideen des Kopernikus tat er, wie viele seiner
Zeitgenossen, ab als Hirngespinst. »Der Narr will mir die ganze
Kunst Astronomia umkehren«, sagte er über Kopernikus. »Aber wie
die Heilige Schrift zeigt, hieß Josua die Sonne stillstehen und nicht
die Erde!« Nach dieser Bibelstelle ließ Gott die Sonne für einen Tag
stillstehen, und da Luther die Bibel als historischen Bericht wörtlich
nahm, schloss er aus der Bibelstelle, dass die Sonne normalerweise in
Bewegung sein müsse.
Stur und unbeeinflusst von außen konzentrierte er sich auf sein
Lebensthema, von dem er vermutlich angenommen hatte, dass es sowieso
das wichtigste Thema überhaupt sei: das Verhältnis des Menschen
zu Gott. Ist das geklärt, kann auch das Verhältnis der Menschen
untereinander, das Verhältnis des Menschen zur Welt geklärt werden.
Gibt es spannendere Fragen als diese?
Mehr unbewusst als bewusst mag Luther vielleicht gedacht haben:
Was soll ich mich um Naturwissenschaft, Malerei, Astronomie,
Geografie und Schifffahrt kümmern, wenn sich längst Berufenere
und Tüchtigere als ich an diesen Dingen abarbeiten? In der Theologie
aber, das begann er nun allmählich zu spüren, galt es etwas zu
entdecken, was vielleicht nur er zu entdecken imstande sein würde:
ein neues Bild von Gott. Und damals, als fast alle an denselben Gott
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glaubten und fast alle diesen Gott gleichsetzten mit dem offiziellen
Bild, das die Kirche gemalt hatte, war die Entdeckung eines neuen
Gottesbildes mindestens so bedeutsam wie die Entdeckung eines
neuen Kontinents oder die Entdeckung, dass nicht die Erde, sondern
die Sonne im Mittelpunkt steht.
Ein neues Bild von Gott, ergänzt um die weiteren neuen Bilder,
die von der Astronomie, der Geografie, der Philosophie und den
Künsten beigesteuert wurden, musste daher zwangsläufig zu einem
neuen Bild von der Wirklichkeit führen. Veränderte Sichten auf die
Wirklichkeit aber verändern immer auch die Wirklichkeit selbst,
denn neue Bilder bilden den Geist um. Der umgebildete Geist bildet
entsprechend die vorhandenen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen
und materiellen Strukturen um. All diese Umbildungen
erzeugen wiederum neue Bilder im Kopf, die zu neuen Umbildungen
der Wirklichkeit führen – und so fort. So entsteht Geschichte. Sie verläuft
mal schneller, mal langsamer, und manchmal rast sie.
Damals, als sich Luther zwischen 1514 und 1518 in seiner
Turmstube des Wittenberger Klosters zu einem neuen Bild von Gott
vorarbeitete, kam sie in Bewegung und nach 1518 geriet sie ins Rasen.
Und als sie ein paar Jahrzehnte später wieder in ruhigeren Bahnen
verlief, fanden sich die Menschen in einem neuen Kontinent vor,
der zwar immer noch im alten Europa lag, mit dem alten Europa aber
nicht mehr viel gemein hatte.
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Die Entdeckung eines neuen
Gottesbildes
Im Frühjahr 1512 promoviert Luther in Wittenberg und macht Karriere
im Orden, wird stellvertretender Prior des Klosters, erhält die
geistliche Aufsicht über zwölf Klöster, und bekommt im Turm des
Klosters eine Vergünstigung: einen eigenen, beheizten Arbeitsraum,
das berühmte Turmzimmer, wo er sein »Turmerlebnis« haben wird.
Nur noch fünf Jahre, dann ist Reformation.
Unterdessen geht die Welt ihren gewohnten Gang. Auch in Wittenberg.
Bruder Martinus hat jetzt viel zu tun. Nicht nur sein Lehrauftrag
ist zu erfüllen, auch predigen muss er, seine zwölf Klöster sind
zu verwalten, um deren wirtschaftliche und landwirtschaftliche Angelegenheiten
er sich zu kümmern hat, die Messe muss er lesen, die
Beichte abnehmen, Briefe schreiben, und er lernt auch noch Griechisch
und Hebräisch, um die Bibel im Urtext lesen zu können, denn
seine lateinische Bibel ist ja nur eine Übersetzung. Bei all den Pflichten,
die er zu erfüllen hat, vergisst er nicht die Hauptsache: seine
Frage nach dem gnädigen Gott.
Vier Jahre lang, zwischen 1514 und 1518, quält sich Luther mit
den Schriften des Kirchenlehrers Augustinus, dem Alten und Neuen
Testament, den Briefen des Paulus und besonders dessen Römerbrief.
An einer Stelle dieses Briefes bleibt Luther immer wieder hängen,
meint sie zu verstehen, und versteht doch wieder nicht, aber spürt,
dass in dieser Bibelstelle der Schlüssel zur Lösung stecken könnte.
Der schwer verständliche Satz, über dessen Sinn sich Luther den
Kopf zerbricht, lautet: »Sintemal darin offenbart wird die Gerechtigkeit,
die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie
denn geschrieben steht: ›Der Gerechte wird seines Glaubens leben‹.«
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Gleich zu Beginn des Römerbriefes, im ersten Kapitel, Vers 17, steht
dieser rätselhafte Satz. Um ihn kreisten Luthers Gedanken.
»Sintemal« – schon so ein ausgedientes, heute von niemandem
mehr benutztes Wort für »weil« schreckt unsereins ab, überhaupt
weiterzulesen, und noch mehr der Rest. Gesetz, Gerechtigkeit, Glauben,
Evangelium – was jedes einzelne dieser Wörter bedeutet, und wie
sie miteinander zusammenhängen, damit hat sich Luther ein Leben
lang gequält. Müssen wir uns deshalb heute, ein halbes Jahrtausend
später, auch noch damit quälen? Müssen wir noch verstehen, worum
es eigentlich ging?
Vordergründig lautet die Antwort: Nein, eigentlich nicht. Es ist
nur noch eine Frage für die Theologen, Philosophen, Historiker und
Kirchengeschichtler. Selbst für christliche Laien hat diese vor 500
Jahren geschlagene Schlacht nur noch eine begrenzte Bedeutung, für
Atheisten und Agnostiker hat sie gar keine mehr, und für den Rest der
Welt, Angehörige aller anderen Religionen, hatte sie noch nie eine
Relevanz gehabt.
Aber: Die Antwort, die sich Luther im Lauf der Jahre auf diese
scheinbar bedeutungslosen Fragen abquält, führt kurzfristig zur Entstehung
eines neuen Gottes und zu einer Teil-Entmachtung der römischen
Kirche, ihrer Päpste und Bischöfe. Mittelfristig entwickelt
sich aus dem neuen Gottes- auch ein neues Menschenbild, und die
ganze reformatorische Denkweise verändert langfristig auch das Denken
der Philosophen und die gesamte weitere geisteswissenschaftliche,
geschichtliche und kulturelle Entwicklung nicht nur in Europa,
sondern in der Welt (vgl. dazu Kapitel 15). Daher bleiben die Spezialistenfragen
unaufgeklärter Theologen des 16. Jahrhunderts eben
doch wichtig für uns.
Darum: Wer verstehen will, wie wir wurden, was wir sind, wie es zu
großen geschichtlichen Umbrüchen und Epochenwechseln kommt,
warum die Welt von heute ist, wie sie ist, kurz: wie Geschichte funktioniert
– der muss eben in Gedanken den Weg zurückgehen von
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heute zu damals und wird dann immer wieder verblüfft erkennen, wie
unmerklich klein die großen Dinge begonnen haben, und dass man
meist erst später erkennt, wie die vielen kleinen Dinge miteinander
zusammenhingen. Genau dieses Erlebnis steht uns bevor, wenn wir
uns jetzt auf die Suche nach den Ursprüngen der Reformation machen.
Zwangsläufig werden wir bei jenem unbekannten, merkwürdigen
sächsischen Mönch landen, der mit seiner Besessenheit die halbe
Welt in Aufruhr versetzt hatte, und über den bis heute Geschichten
erzählt werden, die Geschichte machten. Und die Anfangsgeschichte,
sozusagen die Mutter aller Geschichten, erzählt, wie der Doktor Martin
Luther über viele Jahre eine Antwort auf die scheinbar theoretische
Frage nach dem gnädigen Gott gesucht und gefunden hat. Daher
kann man diese Antwort als das Samenkorn betrachten, aus dem die
Pflanze der Reformation gewachsen ist.
Auf dem Weg von der Frage zur Antwort lag ein sperriges Hindernis
namens »Gerechtigkeit Gottes«. Jahrelang hatte Luther unter
»Gerechtigkeit Gottes« genau das verstanden, was alle Autoritäten
der Kirche auch verstanden und darum gelehrt und alle Christen geglaubt
haben: Gott werde beim Jüngsten Gericht gute und böse Taten
jedes Einzelnen in die Waagschale werfen und danach unerbittlich
und streng, also gerecht, seinen Urteilsspruch fällen: Himmel, Fegefeuer
oder Hölle.
Seit er denken konnte, hatte Luther aber die Erfahrung gemacht,
dass weder er noch irgendein anderer Sterblicher den strengen Ansprüchen
dieses Gottes genügen konnte. Er war einfach nicht in der
Lage, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst. Und die anderen
konnten es ebenfalls nicht. Er konnte nicht verhindern, dass schlechte,
ungerechte, schadenfreudige, hasserfüllte Gedanken in ihm aufblitzten.
Und die anderen, das wusste er, konnten es auch nicht. Also
sind wir alle verdammt, und es gibt keine Rettung vor der Höllenstrafe
– in dieser verzweifelten Erkenntnis endeten jedes Mal Luthers
Denkanstrengungen.
Luthers Zeitgenossen mögen das ähnlich empfunden haben, aber
entweder ist ihnen das nicht so nahegegangen wie Luther, sodass sie
frei waren, sich abzulenken und ihre Aufmerksamkeit auch wieder
anderen Dingen zuzuwenden, oder es war ihnen einfach zu anstrengend,
ihr Gehirn so zu zermartern, wie Luther das getan hat. Die
meisten aber haben freudig nach jener bequemen Lösung gegriffen,
die ihnen von der Kirche angeboten wurde und für beide Seiten ein
praktischer Deal war: Sündenerlass gegen Bares. Aber genau mit diesen
Sünden-Ablassbriefen, die gehandelt wurden wie Wertpapiere,
wird Luther das Feuerchen entzünden, aus dem sich der Flächenbrand
der Reformation entwickelt.
Den dafür nötigen Funken schlug er aus der Frage, die ihn so quälte:
Dass wir Geschöpfe Gottes nicht so sind, wie wir nach dem Willen
dieses Schöpfers sein sollten, das ist doch nicht
die Schuld der Geschöpfe, sondern die
des Schöpfers, dachte Luther. Er
hat uns gemacht, und
nun macht er uns
den Prozes

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weil wir so sind, wie er uns gemacht hat. Das soll gerecht sein? Das soll
ein fairer Prozess sein?
Irgendwann zwischen 1514 und 1518 muss sich neben der Frage
nach dem gnädigen Gott noch eine weitere, gefährlichere Frage in
Luthers Kopf eingenistet haben: Dieses Bild, das die Kirche von Gott
zeichnet – stimmt es denn? Wer sind die Zeichner? Woher haben sie
selber das Bild? Aus welchen Quellen schöpfen sie?
Ja, er weiß natürlich: Der Papst, die Bischöfe und Priester sind die
Zeichner. Sie berufen sich auf die Kirchenlehrer. Diese berufen sich
auf die Apostel und Evangelisten, und diese auf Jesus. Eine lange Kette.
Wer kann garantieren, dass das ursprüngliche Bild nicht bei jeder
Weitergabe ein klein wenig verändert, verfälscht wurde? Deckt sich
das heutige Bild tatsächlich mit dem Original?
Es war eine besondere Zeit damals, als sich Luther solche Fragen
stellten – Renaissance eben. Mit diesem Begriff wurde im 19. Jahrhundert
die Tatsache beschrieben, dass zwischen dem 14. und 16.
Jahrhundert in Europa etwas Neues geschehen war, nämlich die Wiederentdeckung
von etwas sehr Altem: die antiken Wurzeln. Plötzlich
interessierte man sich in Rom für die antiken Ruinen, an denen man
bisher achtlos vorbeigegangen war. Plötzlich erforschte man die Geschichte
der griechischen Städte und der Römischen Republik. Manche,
wie etwa der italienische Dichter Francesco Petrarca (1304-1374)
waren davon so begeistert, dass sie von »Wiedergeburt« – renascità –
sprachen. Der italienische Künstler Giorgio Vasari bezeichnete 1550
die Überwindung der mittelalterlichen Kunst als rinascità oder Rinascimento
– daraus entwickelte sich dann später über das Französische
die Bezeichnung Renaissance.
Aber das eigentlich erstaunlichste Kennzeichen dieser Epoche ist,
dass damals so viele Gelehrte wie auf ein geheimes Zeichen hin an
ganz verschiedenen Orten, anscheinend unabhängig voneinander –
und doch auf nicht mehr ganz zu klärende Weise miteinander verbunden
– auf verschiedenen Gebieten das Gleiche taten. Luther zum
Beispiel überprüfte das offizielle Gottesbild. Aber eigentlich tat er
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etwas viel Grundlegenderes: Er zweifelte. Er zweifelte an den alten
Autoritäten und begann zu prüfen, ob deren Lehren denn stimmen.
Genau das taten andere auch und beackerten mit ihren Zweifeln andere
Felder.
Sie prüften, ob es stimmt, dass sich die Sonne um die Erde dreht.
Andere überprüften die Kugelgestalt der Erde. Künstler, Maler, Architekten
stellten plötzlich die Regeln infrage, nach denen bisher gebaut,
gemalt und gestaltet wurde. Dann brachen sie die Regel, probierten
andere Methoden aus, riskierten etwas Neues.
Luther war ein Teil dieses nicht abgesprochenen Aufstands gegen
die Autoritäten. Vermutlich war ihm das gar nicht bewusst. Rebellion
lag ihm fern, lag auch den anderen fern. Pure Neugier war es, was sie
antrieb. Wissbegierde, ein Drang nach Wahrheit, Lust an Forschung
hatte sie erfasst, und eine Konsequenz daraus lautete: Zurück zu den
Ursprüngen, zurück zu den reinen, unverfälschten Quellen. Und diese
Quellen lagen in der Antike. Die wurden jetzt mit großer Leidenschaft
erforscht.
Da es sich dabei in der Regel um nicht theologische Texte handelte,
sondern um philosophische, geistes- und naturwissenschaftliche,
wurden diese Studienfächer als humanae litterae bezeichnet (Schriften,
die sich auf die menschlichen Dinge beziehen im Unterschied zu
den göttlichen), und wer sich damit befasste, war ein humanista –
was wiederum dazu führte, dass diese Menschen später, auch wieder
im 19. Jahrhundert, Humanisten genannt wurden, und deren Weltanschauung
Humanismus.

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