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FLASSBECK (DEUTSCH) ENDE 370-397

2018. szeptember 01. 07:36 - RózsaSá

FLASSBECK DEUTSCH 370-397

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Eine neue internationale Finanzarchitektur

Nicht anders, als es innerhalb der Grenzen der bestehen-den Nationalstaaten nationale Regeln für den Tausch gibt, muss es globale Regeln für den globalen Tausch geben. Diese können nicht von den einzelnen Staaten gesetzt wer-den, sondern nur von der internationalen Staatengemein-schaft. Genau wie sie bei der Liberalisierung eine drängen-de und führende Rolle übernommen haben,

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müssen die im Kern nur Bestand haben, wenn es allen beteiligten Na-tionen gelingt, die interne Kostenentwicklung und die In-flationsraten in Grenzen zu halten, die alle Mitglieder zu akzeptieren bereit sind. Sollen Güter und Kapital sich weltweit frei bewegen, müssen aber auch nachhaltige Lö-sungen für eine Währungsordnung zwischen Regionen gefunden werden, in denen es aus den verschiedensten Grün-den nicht gelingt, rasch zu einer Konvergenz der Kosten-und Inflationsentwicklung zu gelangen. Starke, über den Ausgleich der Inflationsdifferenzen hin-ausgehende Schwankungen der Wechselkurse bringen eben-solche Verzerrungen in der Allokation von Ressourcen und bei Investitionsentscheidungen mit sich wie Schwan-kungen des internen Wertes einer Währung, also ihrer Kauf-kraft. Wechselkursänderungen sollten nur noch notwendig sein, um Differenzen bei den Inflationsraten auszuglei-chen. Daraus ergibt sich als Leitlinie einer neuen Welt-währungsordnung, dass die Wechselkurse fest genug sein müssen, um rationale wirtschaftliche Entscheidungen zu erlauben, gleichzeitig aber auch flexibel genug um die in -ternationale Wettbewerbsfähigkeit aller ten. Um ein solches System

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bauen zu können, muss die internationale Zusammenar-beit auf diesem Gebiet erheblich verstärkt werden. Das gilt zum einen für die großen Industrienationen. Das gilt aber auch für das Verhältnis der großen zu den kleineren Volkswirtschaften. Angesichts der fortschreitenden Glo-balisierung, der immer stärkeren Integration der Welt-wirtschaft, können kleinere Nationen - unabhängig vom Währungssystem - immer weniger eine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Wollen sie ihre Güter- und Kapitalmärkte offenhalten, müssen sie zur Vermeidung exzessiver Wechselkursschwankungen in ein globales Sys-tem der Überwachung und der Zusammenarbeit einbezo-gen werden.

Um ein neues Weltwährungssystem erfolgreich zu ma-chen, braucht die internationale Gemeinschaft effektiv ar-beitende Institutionen. Die beiden Bretton-Woods-In-stitutionen (der Internationale Währungsfonds und die' Weltbank) haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Aufgabenverteilung und ihre Rolle den sich wandelnden Bedingungen der Weltwirtschaft angepasst. Die Aufga-ben beider Institutionen müssen in einer neuen globalen Finanzarchitektur jedoch ebenfalls neu definiert werden.

Für den IWF bedeutete das eine Rückbesinnung auf sei-ne ursprüngliche Rolle im System von Bretton Woods. Er müsste dann erneut vor allem die kurzfristige Überwa-chung der Funktionsweise des Währungssystems und die makroökonomische Beratung der Teilnehmer überneh-men. Dazu gehört beispielsweise der Aufbau und die Handhabung eines Frühwarnsystems, das die Gefahr des Entstehens gravierender außenwirtschaftlicher Ungleich-gewichte erkennt, die betroffenen Länder warnt und die übrigen Teilnehmer informiert. Auch die Organisationen

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und Durchführung kurzfristiger Stützungsmaßnahmen für Länder, die sich einer krisenhaften Zuspitzung ihrer finanziellen Situation gegenübersehen, fiele wie bisher in den Aufgabenbereich des IWF. Einer anderen Institution, etwa der Bank für Internatio-nalen Zahlungsausgleich in Basel, müsste in einem sol-chen Arrangement die Rolle zukommen, weit mehr als bisher Systemrisiken in der gesamten finanziellen Sphäre zu analysieren und frühzeitig Gegenmaßnahmen zu emp-fehlen. Nicht anders, als es im nationalen Rahmen selbst-verständlich ist, kommt man auf globalisierten Märkten nicht umhin, Regeln für die Übernahme von Risiken auf-zustellen und Informationspflichten einzuführen, also eine Kreditaufsicht im weitesten Sinne zu installieren. Da-zu bedarf es eines multilateralen Abkommens. Allerdings dürfen sich die Regulierungen in diesem Bereich nicht auf ein Abkommen der Staaten beschränken. Der Privatsek-tor, also alle, die die Chancen des weltweiten Finanzmark-tes nutzen wollen, muss in die Abdeckung von Risiken in einem spürbaren Ausmaß einbezogen werden, wie wir das oben geschildert haben. Häufig wird befürchtet, das Entstehen einer neuen Weltwährungsordnung und einer globalen Finanzarchi-tektur werde zu einem Verlust an nationaler Souveränität führen. Die weltweite Krise aber zeigt, dass es eine Souve-ränität im Sinne einer effektiven Abkoppelung von diesen Ereignissen nicht geben kann. Alle Nationen der Welt sind in der einen oder anderen Weise betroffen. Die Erfah-rungen mit den verschiedensten Währungssystemen nach dem Zweiten Weltkrieg haben zudem deutlich gemacht, dass keine der zur Anwendung gekommenen Währungs-ordnungen eine effektive Abkoppelung

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erlaubt hat. Der teilweise Verlust an nationale'r Souveränität ist unmittelbar das Ergebnis der Öffnung kipr Güter- und Kapitalmärkte, nicht Folge einer ungeeigneten Währungsordnung. Zu in-ternationaler Kooperation bei der Wechselkurspolitik gibt es folglich keine Alternative, wenn effektiver Handel er-möglicht werden soll.

 

Klimawandel und Umweltschutz

Klima- und Umweltschutz sind die beiden großen Her-ausforderungen, die auch dann bestehen bleiben, wenn es gelingt, die wirtschaftlichen Probleme weitgehend zu lösen. Doch auch hier stehen der Menschheit viele ökono-mische Vorurteile im Weg. Ganz gleich, ob man den Kli-mawandel für das entscheidende Problem hält oder die Übernutzung der Ressourcen, immer kommt es darauf an, auf welche Weise man Verhaltensänderungen im glo-balen System der Marktwirtschaft erreichen will. Ohne eine realistische Theorie wirtschaftlicher Dyna-mik kommt man auch hier nicht weit, und genau daran scheitern bisher die Versuche, einen wirksamen Schutz der natürlichen Voraussetzungen für menschliches Leben auf dem Planeten Erde zu gewährleisten.

Klimawandel und die Dynamik der Marktwirtschaft

Beim Umwelt- und Klimaschutz entscheidet der jeweils nationale Stand der Lebensbedingungen über den konkret einzuschlagenden Weg der Politik. Auch hier gibt es eine ex-treme Pfadabhängigkeit, der sich kein Land entziehen kann.

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Wer in der Vergangenheit (wie beispielsweise die Schweiz) zur Stromerzeugung auf Wasserkraft gesetzt hat, wird ganz anders mit der Klimaherausforderung umgehen als Deutschland, wo Braunkohle der wichtigste fossile Ener-gieträger war. Frankreich mit seinem Schwerpunkt auf Atomenergie hat noch einmal ganz andere Voraussetzun-gen. Unbestreitbar ist dennoch, dass die Verhinderung oder Eindämmung des Klimawandels eine globale Herausfor-derung darstellt. Deswegen kann es ganz unabhängig von den gerade genannten unterschiedlichen Voraussetzungen nur dann effiziente Strategien zur Verringerung der Nut-zung fossiler Energieträger geben, wenn zumindest die wichtigsten Länder sich auf eine solche Strategie einigen. Aus ökonomischer Sicht kann man entscheidende Hil-festellung bei der Antwort auf ökologische Herausforde-rungen geben, weil hier die zunehmende Knappheit na-rarlicher Ressourcen im Mittelpunkt steht. Die Analyse bvnnt mit klassischer Mikroökonomik: Im ersten Schritt geht es nämlich um die Frage, wie viel einer gegebenen Güterausstattung die Menschen zu opfern bereit wenn sie mehr Ressourcen einsetzen müssen, um gesunde Umwelt zu sorgen, um also beispielsweise Schäden zu beseitigen, die durch die Produktion von Konsumgütern entstanden sind, oder um Vorsorge zu treffen, dass bei der Produktion in der Zukunft weniger Schadstoffe eintweichen können. Man muss also Kosten (den Verzicht auf herkömmlicher Konsumgüter) abwägen gegen den Nutzen, den die Verhinderung von Umweltschäden schafft. Im zweiten Schritt muss man die Frage beantworten, was das auf gesamtwirtschaftlicher Ebene bedeutet.

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Umweltschutz als Präferenz

Das wichtigste und von den Ökonomen heftig diskutierte Problem liegt bei dieser Ausgangskonstellation darin, dass das normale Wirtschaftssubjekt keinen unmittelba-ren Nutzen davon hat, wenn der Ausstoß schädlicher Stof-fe bei der Produktion verringert wird, weil er oder sie viel-leicht gar nicht in der Nähe einer entsprechenden Anlage wohnt. Dazu kommt, dass er oder sie nicht weiß, ob Wirt-schaftssubjekte in anderen Regionen oder Ländern ihr Verhalten ebenfalls ändern, so dass mit einem signifikan-ten Gesamteffekt der Umweltmaßnahme zu rechnen ist. Anders herum: Wenn bei der Produktion eines bestimm-ten Gutes negative Umwelteffekte auftreten, kann man nicht ohne Weiteres zurechnen, wer durch die Nachfrage nach diesem Gut diesen Effekt verursacht hat, so dass der Gesamteffekt in keiner individuellen Kosten-Nutzen-Über-legung auftaucht. Man hat, so nennen das die Ökonomen, externe Effekte produziert, die zwar der Gesellschaft scha-den, für die aber niemand individuell in Haftung zu neh-men ist.

Um ein einfaches Beispiel zu geben: Bei der Verbren-nung von Kraftstoffen in Automobilen entstehen schäd-liche Abgase, die nicht den Fahrer des Autos direkt schä-diger- sondern den. der hinter ihm fährt, und außerdem die Gesellschaft insgesamt. Also hat kein Fahrer ein Inte-resse daran, sein Auto sauberer zu machen, solange er nicht sicher sein kann, dass alle anderen das auch tun. Folglich muss der Staat eingreifen und alle zwingen, etwas gegen die schädlichen Abgase zu tun. Um den negativen exter-nen Effekt zu verhindern, kann der Staat zum Beispiel Vorschriften erlassen, die Autofahren generell teurer ma-

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chen, oder er kann technische Vorgaben durchsetzen, um den Schadstoffausstoß zu verringern. Er kann aber auch versuchen, die externen Effekte un-mittelbar durch Vorschriften zu internalisieren, sie also für den Einzelnen spürbar zu machen, ohne dass der Staat eine andere Technik vorschreibt. Ein Beispiel dafür wäre die extrem einfache Vorschrift, alle Abgase, die ein Auto-mobil produziert, zunächst durch das Wageninnere zu lei-ten. Das klingt radikal, ist aber im Zeitablauf vermutlich die beste Lösung. Es besteht unseres Erachtens kein Zwei-fel, dass wir, wäre diese Vorschrift vor hundert Jahren von den Staaten der Welt durchgesetzt worden, heute genauso viel Autofahren würden, wie wir es derzeit tun. Allerdings würden wir dann vermutlich wasserstoffbetriebene Auto-mobile fahren, auf jeden Fall aber hätten wir einen großen Teil des Öls in der Erde gelassen und viel weniger Klima-gase produziert. Dieses Beispiel zeigt, dass die mikroökonomische Fra-gestellung prinzipiell nicht weit, ja zumeist sogar in die Ir-re führt. Denn die klassische Entscheidungssituation, die von ihr unterstellt wird, existiert in der Realität praktisch nicht. Das liegt daran, dass die Informationen, die man bräuchte, um die Mehrheit der Menschen vor eine einf a-che Entscheidungssituation der Art »Was wollt ihr? Mehr Umweltschutz oder mehr Güter ?« zu stellen, gar nicht verfügbar sind. Das beginnt damit, dass es keine »gegebe-ne Güterausstattung« gibt. Wir bewegen uns ja in einem dynamischen System, in dem die Güterausstattung durch den Erfindungsgeist der Menschen permanent vergrJert und in ihrer Struktur dramatisch verändert wird. Die Menschen kennen auch ihre Präferenzen nicht wirklich, weil sie für die Güter, die neu erfunden

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werden, erst in der Zukunft Präferenzen entwickeln werden. Hinzu kommt, dass durch den technischen Fortschritt die Möglichkeit, Umweltschutz umzusetzen, ebenfalls dauernd verändert wird. Auf viele Jahre hinaus kann daher niemand vorhersagen, wie sich die Entscheidung zwischen normalen Gütern und Umweltgütern darstellen und ob sie überhaupt noch relevant sein wird. Nehmen wir noch einmal das obige Beispiel: Ist die Wasserstofftechnik für das Auto erst ein-mal eingeführt, weil sie am besten mit der genannten Vor-schrift, dass die Abgase durch die Kabine geleitet werden müssen, in Einklang zu bringen ist, ist es für die nächsten hundert Jahre vollkommen irrelevant, wie teuer die Ein-führung war und wie viele normale Güter deswegen nicht verbraucht wurden, wie viel entgangenen Nutzen die Menschheit also hat »erleiden« müssen, weil sie schon früh auf eine »teure« Technik gesetzt hat. Der Gedanke, dass Umweltschäden regelmäßig durch externe Effekte bei der Abarbeitung der »normalen« Prä-ferenzen der Menschen durch das Marktsystem auftreten und vom Staat auf die eine oder andere Art internalisiert werden müssen, wird aber dann vollends unscharf, wenn Umweltschutz zu einem Teil der Präferenzen der Men-schen wird. Wenn also, bei hoher Ausstattung mit her-kömmlichen Gütern, den Menschen bewusst wird, dass sie die natürliche Umwelt vernachlässigt, haben und hier ein großer Nachholbedarf bzw. ein Vorsorgebedarf be-steht, ist der Wunsch nach einer Beseitigung vier bereits angefallenen Schäden und/oder der Verhinderung neuer Schäden unmittelbar vorhanden und konkurriert auf der Mikroebene mit den normalen Präferenzen. In diesem Fall braucht man Unternehmer, die diese Prä-

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ferenzen aufgreifen und umsetzen. Da sich diese Präferen-zen aber nicht unbedingt in einer konkreten Nachfrage nach besseren Produkten äußern, sondern eher in der ab-strakten Bereitschaft, für mehr Umweltschutz zu zahlen, muss der Staat der Unternehmer für den Umweltschutz sein und diese Präferenzen bedienen. Indem er es den Un-ternehmen in der ein oder anderen Weise generell auferlegt, bestimmte Vorkehrungen zu treffen (etwa Katalysatoren, Filter oder andere Abgasvorrichtungen in Automobile ein-zubauen), erfüllt er die Präferenzen der Bürger nach einer besseren Luftqualität und zwingt sie gleichzeitig, dafür zu zahlen. Dieser Zwang resultiert aber nur aus der Tatsache, dass es ohne ihn viele Trittbrettfahrer gäbe, die sich darauf verlassen würden, dass die »anderen« schon ausreichend viel tun werden, so dass sie selbst sich der Zahlung entzie-hen können. Ganz anders, als die Marktapologeten uns glauben machen wollen, bedeutet staatlicher Zwang näm-lich gerade nicht, dass man den Menschen etwas aufzwingt, das sie eigentlich partout nicht haben wollen, sondern dass der Staat wie ein Unternehmer Überzeugungsarbeit leistet, um seine Produkte absetzen zu können. Der Zwang bedeutet a priori nicht, dass der Staat den Menschen etwas aufzwingt, was sie partout nicht haben wollen und was wegen dieses Zwanges etwas dem Markt im weitesten Sin-ne Fremdes ist. Aber selbst wenn es so wäre, dass der Staat allein aus sei-ner besserer Einsicht heraus handelt und den Bürgern et-was aufzwingt (er schafft »meritorische Güter«, sagte man früher), was sie so nicht unmittelbar haben wollen, was aber doch, nach der Einschätzung einer demokratisch ge-wählten Staatsführung, ihrem Wohl dient, kann man als Ökonom nicht einfach sagen, das ist etwas dem Markt

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Fremdes, das muss ich sozusagen abziehen bei der Berech-nung des Wohlstandes. Die Anweisung des Staates etwa, dafür zu sorgen, dass Kinder eine Schule besuchen und nicht arbeiten dürfen, mag der Einzelne als Zwang emp-finden, dennoch wird die weit überwiegende Mehrheit der Bürger das heutzutage als selbstverständlich betrach-ten und wissen, wie sehr das dazu beiträgt, dass auf lange Sicht die Gesellschaft materiell und immateriell reicher wird. Wenn wir auf der Basis dieser Überlegungen die Vorsor-ge für den Umwelt- oder Klimaschutz in die Bedürfnisse und Präferenzen der Bürger und der Gesellschaft einrei-hen, erledigt sich eine ganze Klasse von Problemen, die von der herrschenden Ökonomie mit dem Umweltschutz verbunden wird; das gilt insbesondere für das Problem, das man üblicherweise mit der Formel »die Kosten des Umweltschutzes« umschreibt.

 

Kosten und Arbeitsplätze

Was sind die berühmten Kosten, die regelmäßig von der Wirtschaft angeführt werden, wenn es um Umweltschutz geht? Würde zum Beispiel Volkswagen genau wie alle an-deren Hersteller zur Einhaltung der Abgasgrenzwerte eine Technologie einbauen, die teurer wäre als die derzeitige, wo wäre das Problem? Die zusätzlichen Kosten müssten von den Verbrauchern aufgebracht werden, falls dadurch das Fahrzeug insgesamt teurer würde, und die zusätz-lichen Kosten bedeuteten zusätzliche Erträge für die Her-steller der Teile, die nun zusätzlich eingebaut würden. Die Verbraucher würden vielleicht insgesamt mehr für das Auto

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bezahlen und dafür, bei gegebenem Einkommen, wo-anders beim Konsum sparen.. Die Automobilhersteller könnten aber auch auf den Einbau irgendwelcher Zierteile verzichten und damit die nun höheren Umweltkosten aus-, gleichen. Gesamtwirtschaftlich geseh n. ist das Ergebnis immer gleich: Es entstehen zusätzliche Einkommen und Arbeits-plätze bei den Herstellein der Abgasvorrichtungen, und es wird weniger verdient (werden Arbeitsplätze abgebaut), wo die Kunden oder die die Einsparung vornehmen, also bei den Zierteilen zum Beispiel. Das ist kein Problem, sondern das sind ganz normale Impulse in Richtung Strukturwandel, wie sie jeden Tag millionen-fach durch rein private Dispositionen gegeben werden. Die Politik muss sich darüber überhaupt keine Gedanken machen. Wenn sich die Politik allerdings den einzelwirtschaft-lichen Schuh eines einzelnen Automobilproduzenten oder auch der Branche insgesamt anzieht, dann gerät sie in die Bredouille. Sobald sie auf deren Argumente eingeht, sitzt sie in der Falle, weil sie zugeben muss, die Situation der Branche oder des Produzenten verschlechtert zu haben, denn durch die staatlichen Auflagen ist die Produktion teurer geworden. Man kann sich leicht vorstellen, dass bei einer solchen Sichtweise die Politik große Schwierig-keiten hat, den Produzenten, die mit Arbeitsplatzverlus-ten drohen, zu erklären, dass Umweltschutz wichtiger ist als einzelne Jobs. Da beginnt der Kuhhandel, auf den sich ein kompetenter Staat (also ein Staat, der ausschließ-lich in gesamtwirtschaftlichen Kategorien denkt) von vorneherein überhaupt nicht einlassen muss. Man sieht hier überdies sofort, warum die ganze auf der

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einzelwirtschaftlichen Ebene geführte Diskussion um den Konflikt zwischen Umweltschutz auf der einen Seite und Arbeitsplätzen oder Einkommen auf der anderen vollkom-men an der Sache vorbeigeht. Im alltäglichen Strukturwan-del, der uns von den privaten Produzenten aufgedrängt wird (über Werbung, unter anderem), fragen wir nie, ob die Ergebnisse auch für die Arbeitsplätze und das Ein-kommen positiv sind. Wenn ein neuer Tablet-Computer in großem Maße alte Desktops verdrängt, verschieben sich auch viele Arbeitsplätze und Einkommensmöglich-keiten. Niemand käme aber auf die Idee zu fragen, ob man diese Entwicklung nicht aufhalten oder wenigstens abschwächen sollte, damit nicht so viele einzelne Arbeits-plätze gefährdet werden. Nur wenn der Staat involviert ist, nimmt sich jeder einzelne Produzent (die großen zu-mal) heraus, genau diese Frage zu stellen. Natürlich wäre auch diese Konfusion nicht möglich, würden die Volkswirte wirklich Volkwirtschaft betreiben und nicht verkleidete Betriebswirtschaft. Tatsächlich muss man hier ein besonders trauriges Kapitel ökonomischer Konfusion aufgreifen. Die herrschende Ökonomie be-gann nämlich schon in den siebziger Jahren damit (Flass-beck & Maier-Rigaud 1982), aus dem »magischen Vier-eck«, also den normalen makroökonomischen Zielen (Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, ho-her Beschäftigungsstand, angemessenes Wachstum), ein Fünfeck zu formen, bei dem auch der Umweltschutz eine eigene Ecke erhielt.

Das war und ist grandioser Unsinn, weil der Wunsch der Menschen (oder die von ihnen verstandene Notwen-digkeit einzugreifen, um die Umwelt zu schützen) nach sauberer Umwelt in die Reihe der (mikroökonomischen)

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Präferenzen gehört, aber nichts damit zu tun hat, wie das System makroökonomisch gesteuert wird und welche Er-gebnisse man mit der Makrosteuerung erzielt. Die Einordnung des Umweltschutzes in die Reihe der Präferenzen zeigt zugleich, dass die Euphorie viele An-hänger der grünen Bewegung, die davon sprechen, der Umweltschutz bringe »zwei Dividenden«, nämlich die Verbesserung der Umwelt und mehr Arbeitsplätze oder mehr Einkommen, genauso abwegig ist wie der oben an-gesprochene Konflikt. Umweltschutz ist bei dieser Betrach-tung ein ganz normales Gut, dessen Produktion aller-dings in der Regel vom Staat angeschoben werden muss. Die Produktion von mehr Umweltschutz in diesem Sinne steht weder im Konflikt mit den Arbeitsplätzen insgesamt, noch kann man sich davon besonders viele Arbeitsplätze erwarten. Eine angemessene Wirtschaftspolitik nimmt das zur Kenntnis und betreibt ihre Aufgabe ganz unab-hängig davon, wie viel (und auf welche Weise) Umwelt-schutz die anderen Bereiche der staatlichen Politik durch-setzen.

Der einzige Bereich, wo auch aufgeklärte Ökonomen oft glauben, eine Einschränkung von dieser Logik ma-chen zu müssen, ist die Frage der internationalen Wettbe-werbsfähigkeit. In der Tat, wenn ein Staat massive Um-weltauflagen macht und sein Handelspartner nicht, dann entsteht bei sonst gleichen Bedingungen ein einmaliges Kostengefälle, das den Staat begünstigen kann, der in Sa-chen Umweltschutz nichts unternimmt. Hier wirkt die Einreihung des Umweltschutzes in die normalen Präferenzen nicht mehr, weil es durchaus sein kann, dass die Wünsche der Menschen (oder die natürlichen Bedingungen) in dem anderen Land so sind, dass

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der Staat dort mit einer gewissen Berechtigung weniger Umweltschutz durchsetzt. Mit anderen Worten: Im Ver-hältnis dieser beiden Staaten kann man nicht einfach un-terstellen, dass die Produktion für den Umweltschutz überall so nachgefragt wird wie Produktion für ein nor-males Gut, denn die Präferenzen für mehr Umweltschutz gibt es ja nur in einem Land. Folglich sind das Kosten-(auch hier, wenn sonst alles gleich ist) und das Preisniveau der normalen (und vermutlich auch der meisten handelba-ren) Güter in dem Land mit hohen Auflagen höher. Ein einmaliges Gefälle, wenn es denn wirklich quantita-tiv bedeutend wäre, kann der Staat jedoch durch viele ver-schiedene Maßnahmen ausgleichen. Er kann durchaus auf Güter, die mit geringeren Auflagen produziert worden sind, permanent einen Zoll erheben, der den Kostenvor-teil wettmacht, er kann auch seinen eigenen Unternehmen einen Steuervorteil oder eine Subvention geben, die den Nachteil ausgleichen. Man muss aber generell bedenken, dass die absoluten Kostenniveaus in vielen Ländern ohne-hin durch staatliche Eingriffe massiv verzerrt sind. Die Steuersätze sind selbst in der Europäischen Union extrem unterschiedlich, ohne dass man vermutet, dass das zu sys-tematischen Verzerrungen des Wettbewerbs führt. Unter-schiedlichen Niveaus der Steuerbelastung steht ja häufig auch ein unterschiedliches Niveau der Ausstattung mit In-frastruktur durch den Staat gegenüber, die den Unterneh-men in dem Land mit höheren Steuern zugutekommt. Auch eine bessere Ausbildung der Arbeitskräfte gehört zu dieser Infrastruktur.

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Steuerung über die Preise, wie denn auch sonst

Im Bereich begrenzter Rohstoffvorkommen ist es offen-sichtlich, dass die Umweltfrage eine Sache der Knappheit und damit der Preise ist. Hier geht es darum, auf der gan-zen Welt die Menschen anzuhalten, mit diesen auf der Er-de einmaligen Bodenschätzen sorgsam umzugehen. Preis-effekte schaffen zudem unmittelbar Anreize dafür, dass die Menschen ihre Intelligenz und ihre Kreativität dafür einsetzen, etwas zu schaffen, was hilft, weit über den heu-tigen Stand der Technik hinaus fossile Energieträger ein-zusparen. Wenn es folglich gelänge, eine globale Preissteuerung durchzusetzen, die dafür sorgt, dass die Preise von Öl und Kohle im Vergleich stetig und auch im Verhältnis zu unse-ren Einkommen zunehmen, könnte man damit rechnen, dass wesentlich mehr Anstrengungen unternommen wür-den, diese Stoffe einzusparen und damit zu schonen, als es sich je aus den Vorgaben eines Staates (oder aller Staaten) ergeben könnte. Ein großes Potenzial an erneuerbarer Ener-gie wird ja gerade deshalb nicht genutzt, weil die fossilen Brennstoffe auch vierzig Jahre nach der ersten Ölpreiskri-se immer noch so günstig zu haben sind wie damals. Das erste Argument, das dagegen ins Feld geführt wird, ist offensichtlich. »Das kimtet ja was! «, werden viele sa-gen. Natürlich kostet das was ! Wie sollte es solch riesige Investitionen umsonst geben? Ein gesamtwirtschaftliches Problem ist das jedoch nicht, weil davon ja wieder be-stimmte Produzenten profitieren, während andere in Schwierigkeiten kommen. Der damit entstehende Struk-turwandel ist gewollt, aber der kostet immer etwas in dem Sinne, dass die Kunden mit ihrem Geld nicht mehr

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das Gleiche kaufen wie vorher. Folglich verlieren, wie unten gezeigt, zwar viele Produzenten von alten Produkten, aber viele neue Anbieter gewinnen. Dass die großen Ener-giekonzerne das nicht gut finden, ist klar, aber warum sollten sich Politiker darum scheren? Wer aus fossiler und atomarer Energie aussteigen will, muss also entweder die fossile und atomare Energie so stark verteuern, dass die erneuerbare Energie auf diese Wei-se wettbewerbsfähig wird (wiederum so, dass der relative Preis der fossilen Energie steigt), oder er muss die erneuer-bare Energie direkt subventionieren. Man kann auch die sogenannten neuen marktwirtschaftlichen Instrumente einsetzen und denjenigen belasten, der die Schadstoffe ausstößt, indem man ihn zwingt, Zertifikate zu kaufen, die ihm die Erlaubnis geben, eine bestimmte Menge an Schadstoffen auszustoßen. Wird dann die Menge der Zer-tifikate konsequent und stetig verringert, so dass der Preis der Zertifikate dauernd steigt, verändern sich ebenfalls die relativen Preise zugunsten erneuerbarer Energien. Weil sich die Politik bisher weder global an die Energiepreise noch an die neuen marktwirtschaftlichen Instrumente he-rantraute, hat man in Deutschland in den letzten zehn Jah-ren den Weg der Subvention gewählt. Die Bundesregierung hat die Attraktivität der fossilen Energie verringert (den relativen Preis fossiler Energie er, höht), indem sie den Aufbau erneuerbarer Energiequellen über garantierte Abnahmepreise subventioniert hat. Das kann man sehr gut rechtfertigen, denn ohne solche Sub ventionen gibt es die Energiewende nicht, weil ja nichts, dafür spricht, dass der Markt von sich aus das Öl früh ge-nug so teuer macht, dass die Wende rechtzeitig von allein käme. Solche Subventionen gibt es, nebenbei gemerkt, im-

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mer noch für die Atomwirtschaft, nämlich in Form der nicht durch den Strompreis •bgedeckten Kosten für End-lagerstätten und die Schadensbeseitigung bei den Zwi-schenlagern (Stichwort Asse, Gorleben usw.). Die Finan-zierung der Entschärfung dieser Zeitbomben kommt auf den Steuerzahler noch zu, denn die großen Konzerne ha-ben sich bislang erfolgreich darum gedrückt. Mit der starken Veränderung der relativen Preise hat Deutschland immerhin eine Energiewende hinbekom-men. Schneller, als es sich jemand hätte vorstellen können, vollzog sich die Umstellung von fossiler Stromerzeugung auf Stromerzeugung durch erneuerbare Quellen. Dieses Beispiel demonstriert eines sehr deutlich: Um bei der Energiewende voranzukommen, hilft die Flexibilität der Unternehmen ganz ungeheuer, obwohl der Prozess mit Marktwirtschaft nichts zu tun hat. Weil der Staat all de-nen, die in erneuerbare Energien investieren konnten, einen bestimmten Abnahmepreis für Strom garantierte, also eine feste Einspeisevergütung versprach, ließen sich ent-sprechende Investitionen gut rechnen. Folglich begann fast jeder, der Geld zum Investieren hatte oder es sich lei-hen konnte, zu überlegen, ob er nicht irgendwo ein großes Dach habe, das er mit Sonnenkollektoren bedecken könn-te, oder eine Wiese auf einem Hügel, auf die ein Windrad passt. So wurden im Handumdrehen Landwirte, Eigen-heimbesitzer oder Restaurantbetreiber zu Stromproduzenten.

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Verteilungswirkungen ausgleichen

Damit zeigt sich, wie ungeheuer flexibel die Unterneh-men sein können. Sie könnten auch solche globalen Her-ausforderungen wie den Klimawandel leicht bewältigen. Wir müssten nur beginnen zu begreifen, wie die Markt-wirtschaft funktioniert, und wir dürften nicht vor der Lobbymacht einzelner großer »Player« einknicken und uns nicht von den ideologischen Barrieren (»der Staat darf auf keinen Fall langfristig in die Preisbildung eingreifen«) irremachen lassen. Das deutsche Beispiel belegt die Wirkung eines Preises, der für ein zu förderndes Produkt für ausreichend lange Zeit ausreichend stabil ist. Gibt es zudem noch vernünfti-ge Finanzierungsbedingungen, investieren selbst solche Menschen in die Umwelt und die Zukunft, die bisher kei-ne Unternehmer waren und sich einen Teufel um die Um-welt und zukünftige Generationen geschert haben. Trotz-dem geht das nicht ohne den Staat oder die Staaten. Wer bei Gütern von allgemeinem Interesse (öffentlichen Gü-tern) wie dem Klimawandel auf den Markt wartet, wartet bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. »Aber der arme Stromkunde und insbesondere die Ar-men! «, stöhnten da in Deutschland ganz schnell einige, denen die Armen und die Einkommensverhältnisse der Menschen sonst vollkommen egal sind. In der Tat, man kann nicht bestreiten, dass solche marktwirtschaftlichen Instrumente diejenigen am unteren Ende der Einkommens-skala wesentlich stärker belasten als die am oberen Ende. Das gilt vor allem dann, wenn man in Rechnung stellt, dass am oberen Ende weit mehr Energie verbraucht wird.

Hier muss man sich jedoch fragen, was man wirklich will.

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Von vielen anderen Beispielen weiß man: Subjektförderung ist effektiver als Objektförderung. Das heißt, es ist ,n der Regel besser, die weniger begüterten Menschen di-rekt materiell zu fördern, als die Preisbildung, die man hier braucht, zu unterlassen. Tut die Politik das, muss das System nicht darauf verzichten, den Entdeckergeist vieler Menschen zu wecken, was nur mit einer Preissteuerung möglich ist. Es ist vollkommen richtig, darauf zu behar-ren, dass die Ärmeren im Verhältnis zu ihrem Einkom-men nicht stärker belastet werden. Das gilt sowohl für är-mere Länder wie für ärmere Menschen. Folglich muss man sie finanziell so stellen, dass sie in der Lage sind, stei-gende Energiepreise zu bezahlen. Um es simpel auszudrü-cken: Jeder Hartz-IV-Empfänger soll selbst entscheiden können, ob er ein höheres Transfereinkommen für höhere Heizungskosten ausgeben oder sich lieber durch verän-derte Verhaltensweisen am Energiesparen aktiv beteiligen will, um das zusätzliche Geld für andere Konsumgüter zu verwenden.

Man muss folglich Hartz IV kräftig aufstocken, die Steuern für Geringverdiener senken, flächendeckende und steigende Mindestlöhne einführen oder die Beiträge zur Sozialversicherung für Geringverdiener systematisch ver-billigen, wenn man die energiepolitische Wende wirklich will. Wer das ablehnt, macht sich vollkommen unglaub-würdig. Selbst diejenigen, die glauben, dass man Anreize zur Arbeitsaufnahme durch Hartz IV — nämlich mittels eines gehörigen Abstands zu den Durchschnittseinkom-men — braucht, um die Arbeitslosigkeit zu senken (oder andere abstruse Argumente aufführt, die wir hier nicht wiederholen wollen), müssen zugestehen, dass es nicht gerechtfertig ist, wegen der Energiewende die Lebensver-

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hältnisse der unteren Einkommensgruppen noch einmal zu verschlechtern. Die Politik muss freilich von vorneher-ein bereit sein, für einen Ausgleich der zusätzlichen Belas-tung bei den betroffenen Subjekten zu sorgen, um beide Klippen gleichzeitig zu umschiffen.

 

Globale Lösungen und der Markt

Allerdings gibt es bei Befürwortern wie Kritikern der deut-schen Energiewende durchaus Skepsis, ob die vorhande-nen Technologien zum Ausgleich starker Leistungsschwan-kungen bei den erneuerbaren Energieträgern schon bald zur Verfügung stehen. Auch die Bundesregierung, die aus Prinzip optimistisch sein muss, geht offenbar sehr vorsich-tig mit diesem Thema um. Einige Befürworter der Ener-giewende sagen ganz offen, dass dann, wenn man auf Atomkraft verzichtet (was wir ohne jede Wertung sagen!), fossile Energie noch viele Jahre oder gar Jahrzehnte auch im Bereich der Kraftwerke zur Stromerzeugung ge-braucht wird. Das wirft dann allerdings ein globales Problem auf, das bisher in der Öffentlichkeit überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist. Aus rein ökonomischen Gründen war im-mer klar, dass eine Energiewende in einem Land der Welt das globale Problem der Verbrennung fossiler Stoffe nicht lösen kann. In einem funktionierenden Markt führt der Minderverbrauch an einer Stelle zwingend zu einem Mehr-verbrauch an einer anderen, weil der Markt bei einem ge-ringeren Verbrauch eines Konsumenten die aus der Erde gewonnenen Energieträger Öl, Kohle und Gas mithilfe von Preissenkungen an die übrigen Konsumenten bringt.

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Insofern, das müssen allerdings noch viele Einsparadvo-katen lernen, gibt es keinen »Beitrag«, den ein Land (oder gar irgendeine kleinere Einheit wie ein Haushalt oder eine Privatperson) zur globalen Energiewende leisten kann, solange dieser Markt existiert. Dieser Markt wird jeder-zeit via verbilligter Preise von anderen Konsumenten ge-räumt, wie die Ökonomen das nennen, und wer das nicht will, muss nicht weniger tun, als ein globales Regime zur Kontrolle und Steuerung dieses Marktes schaffen — mit al-len daraus folgenden Konsequenzen. Das hat bisher freilich niemand getan, auch nicht auf der großen Klimakonferenz 201 5 in Paris, im Gegenteil: Man hat nicht einmal darüber geredet. Vor diesem Hintergrund ist das Beste, was sich aus einer globalen Perspektive bisher zur deutschen Energiewende sagen lässt, dass es sehr wichtig sein kann, dass ein Land zeigt, dass eine solche Energiewende möglich ist — ein be-deutendes Argument, das nicht kleingeredet werden soll-te. Dafür in einem reichen Land sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, kann sich durchaus lohnen. Wenn Deutschland seine Energiewende jedoch über viele Jahre oder Jahrzehnte nur dadurch absichern kann, dass es konventionelle Kraftwerke mit fossilen Brennstof-fen vorhält, dann bricht leider auch dieses Argument in sich zusammen, und die Energiewende wird unfassbar teuer, weil man praktisch nichts dafür erhält. Denn wenn die gesamte Welt sich Deutschland zum Vorbild nähme und auf erneuerbare Energien setzte, gleichzeitig aber ebenfalls (wiederum, wenn Atomkraft ausscheidet) die fossile Energie als Auffanglösung bräuchte, benötigte man auch weiterhin einen funktionierenden Markt für entspre-chende Energieträger.

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Diesen Markt und die dazugehörige globale Infrastruk-tur kann die Welt aber nicht für acht Monate auf quasi null fahren und dann wegen der Dunkelflaute oder aus ande-ren Gründen einfach so wieder hochfahren. Diesen Markt, die Förderung von Öl, Kohle und Gas sowie die gewaltige Logistik, hat man oder man hat ihn nicht. Wenn man ihn aber hat, dann werden die geförderten Rohstoffe entwe-der sofort verbraucht oder die Welt braucht zwingend die oben erwähnte globale und staatliche Steuerung und Si-cherung dieses Marktes (auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite, was heißt, über Besteuerung der Nachfra-ge und über Rationierung des Angebots). Doch leider ist die internationale Politik bis heute nicht bereit, über diesen Punkt zu reden, geschweige denn ernsthaft zu verhandeln.

 

Ein globales Paradox

Auch hier gibt es folglich eine sehr interessante »fallacy of composition« (also eine Schlussfolgerung, die auf einen Teil des Systems zutreffen mag, die aber nicht für das gan-ze System gilt): Ein Land kann sich bei seiner Energiewen-de hin zu erneuerbaren Energieträgern durchaus darauf verlassen, dass immer genügend fossile Energie zur Verfü-gung steht, um Schwankungen bei der Produktion er-neuerbarer Energien auszugleichen, die Welt insgesamt kann das allerdings nicht. Für die Welt bleiben dann beim heutigen Stand der Technik nur die Atomkraft (wiederum ohne Wertung) und die Hoffnung, dass noch weit vor dem natürlichen Ende des fossilen

Zeitalters (also der Erschöp-fung aller fossilen Ressourcen) eine ganz andere sichere Energiequelle zur Verfügung steht.

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Doch machen wir uns nichts vor: Solange es eine solche Energiequelle nicht gibt, wird niemand auf dieser Welt (außer dem »globalen grünen Diktator«) verhindern, dass fossile Energieträger in großem Ausmaß verbrannt werden, ganz gleich, wie viele internationale Abkommen geschlos-sen werden, in denen sich (einige oder fast alle) Länder verpflichten, den CO2-Ausstoß zu verringern. Gemessen an den Vorstellungen der Klimaforscher, die eine rasche absolute Verminderung der Emissionen erreichen wollen, ist die derzeit global betriebene Politik einfach nicht geeig-net, jene Punkte anzugehen, auf die es ankommt, wenn man eine weitere globale Erwärmung verhindern will. Das sind keine guten Aussichten für eine globale Klima-stabilisierung. Aber es nützt nichts, sich mit Illusionen zu trösten, wenn es keine guten Argumente gibt. Die interna-tionale Energieagentur (IEA) hat gerade berichtet, dass der globale Ausstoß von CO, in den vergangenen drei Jah-ren etwa konstant hoch geblieben, also nicht weiter gestie-gen ist (Clark 20 1 7). Ob das Anlass zum Optimismus ist, kann aktuell niemand eindeutig sagen, da auch die IEA in Rechnung stellt, dass in China, wo die Emissionen um ein Prozent sanken, viele neue Atomkraftwerke ans Netz ge-hen und dass dort auch verstärkt auf Wasserkraft gesetzt wird. Man muss hierbei vor allem berücksichtigen, dass die globale wirtschaftliche (insbesondere die industrielle) Entwicklung recht schwach war. Die drei Prozent BIP-Wachstum, die global errechnet werden, muss man mit großer Vorsicht genießen, da sie die weltweite Industrie-dynamik nicht angemessen abbilden. Auch in Europa, wo es in den vergangenen Jahren eine geringe Verminde-rung des CO2-Ausstoßes gab, gilt es, zur Kenntnis zu neh-

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men, dass die wirtschaftliche Entwicklung (auch hier vor allem in der Industrie) in den letzten fünf bis sechs Jahren extrem schwach ausfiel, was man, wie es aber häufig tat-sächlich passiert, aus wirtschaftlichen und sozialen Grün-den nicht so fortschreiben darf. In jedem Fall ist eine drastische absolute Verminderung des CO2-Ausstoßes aus der Verbrennung fossiler Rohstof-fe (andere Quellen gibt es dann immer noch) bis 2050; wie das von vielen Klimaforschern für notwendig gehalten wird (man redet sogar von Null-Emissionen aus der Ver-brennung), vollkommen ausgeschlossen. Dazu müsste, wie gesagt, sehr rasch eine globale Energiewende in Gang kommen, für die es derzeit aber fast keine Anzeichen gibt. Zudem müsste ein globales und radikales Management des Marktes für fossile Energie installiert werden — das sich derzeit niemand auch nur intellektuell vorzubereiten traut.

 

Preise und Mengen

Große Konfusion herrscht in der gesamten Energiedebat-te weiterhin darüber, ob und inwieweit man »dem Markt« im Allgemeinen die Entdeckung der richtigen Preise für Energieträger überlassen kann. Das gilt nicht nur für die fossilen Energieträger, sondern auch für Strom. Manch einer meint, man könne es nun, nachdem der Staat einen Anschub für die vermehrte Nutzung erneuerbarer Ener-gien gegeben habe, weitgehend dem Markt überlassen, den richtigen Strompreis zu finden. Nichts ist weiter von der Realität entfernt als eine sol-che Vorstellung. Man sieht schon heute, dass ein

 

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freier” Strompreis verwirrende und irrationale Sig-nale gibt. Negative Preise an den Strombörsen, wie sie seit der-Energiewende immer Wieder vorgekommen sind, sig-nalisieren den Anbietern herkömmlich hergestellten Stroms, dass ihr Produkt weniger als nichts wert ist, und fordern sie daher implizit auf, die Produktion sofort einzustellen. Das aber ist politisch gar nicht gewollt, weil die Volatilität der erneuerbaren Energieträger dann ja voll durchschlagen könnte. Wenn das jedoch nicht gewollt ist, kann man nicht auf die Signale des Strommarktes setzen, ja, man muss sie im Grunde verhindern.

Das zeigt ein einfaches und unbestreitbares Prinzip: Wer aus politischen oder anderen Gründen bestimmte Men-genziele hat, darf die Preise nicht dem Markt überlassen. Der Markt verteilt nur das, was gegenwärtig an Angebot vorhanden ist, sorgt aber nicht dafür, dass ein bestimmtes Produkt in einer bestimmten Menge auch in Zukunft pro-duziert wird. Die besten Beispiele dafür sind die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung und der Zins, wie wir das oben schon erläutert haben. Weil alle westlichen Gesell-schaften nicht nur darauf aus sind, das einmal vorhande-ne Güterangebot zu verteilen, sondern wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, wird einer der wichtigsten Prei-se in der Marktwirtschaft, der Zins, fast vollständig vom Staat (bzw. der von ihm beauftragten Notenbank) ge-steuert. Wer in Sachen Energieversorgung und Klimawandel be-stimmte Mengenziele verfolgt, darf sich nicht vor dem Eingriff in die Märkte scheuen, sondern muss aktiv inter-venieren und die Preise möglichst stetig so steuern, wie es den politischen Vorstellungen entspricht. Auch das müss-ten informierte und effizient funktionierende Staaten ih-

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ren Bürgern sagen, um klar zu zeigen, dass sie es mit den erklärten Zielen ernst meinen. Im Lichte all dessen ist das, was der US-amerikanische Präsident Donald Trump jetzt tut, nämlich aus dem Pari-ser Abkommen auszusteigen, weniger dramatisch, als es vielen scheint. Schöne Absichtserklärungen im Rest der Welt sind auch keine Politik zur Verhinderung des Klima-wandels. Insofern kann man sich hier die moralische Über-heblichkeit sparen. Viele kritisch denkende Menschen sind unzufrieden mit der politischen Umsetzung dessen, was sie als notwen-dig ansehen, um die Welt zu retten. Für die einen liegt da der Wunsch nahe, die schwerfällige und unberechenbare Staatsform der Demokratie durch eine gut gemeinte glo-bale Ökodiktatur zu ersetzen, in der ein wohlwollender Diktator das tut, was für die Menschheit insgesamt ange-messen erscheint. Andere betrachten Dezentralisierung, den Abschied vom Staat und seinen so unzureichend len-kenden Eingriffen, als den einzigen Weg, um die Mensch-heit mit ihrer Umwelt zu versöhnen. Beide Ideen sind extrem gefährlich. Um die gesamtwirt-schaftliche Steuerungsaufgabe zu lösen, die von den wirt-schaftspolitischen bis hin zu den umweltpolitischen Zie-len reicht, braucht man einen extrem kompetenten Staat, aber es spricht alles dagegen, dass eine Diktatur genau die-se Effizienz liefern könnte — von allen anderen Sorgen, die man damit verbinden müsste, einmal abgesehen. Auch de-zentrale, weitgehend ohne einen Staat funktionierende Einheiten sind eine Illusion. Das Umweltproblem kann nur global und auf der Ebene der Politik gelöst werden, der Beitrag, den dezentrale Einheiten dazu erbringen kön-nen, ist verschwindend gering. Der Einzelne mag sich damit trösten und sein Gewissen beruhigen, wee er umweltbewusst lebt. Zu glauben, allein das Vorbild einer weniger reiche aus, um die Masse zu einer Anderung ihrer Lebensweise zu bewegen, ist realitätsfremd. (Genauso, wie weiter alles verbrauchen und auf die Weltregierung warten!RS)

 

VÉGE VÉGE VÉGE MINDENNEK

VÉGE A SZÉP ÉLETÜNKNEK! 18IX1

 

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