Greta Thunberg Ich will, dass ihr in Panik geratet! Meine Reden zum Klimaschutz | Fischer Taschenbuch, Juli 2019. Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff
Ez egy online-könyv, kéthetente jön egy új fejezet, két nyelven. (Előzőek: Precht: Vadászok, Adler/Sch.: Green New Deal /11 társadalommodell/, Hermann: Atomzeitalter, Nürnberger: Luther). www.okobetyar.blog.hu
»Wenn ein paar Kinder es schaffen, Schlagzeilen auf der ganzen Welt zu bekommen, indem sie einfach nicht zur Schule gehen, dann stellen Sie mal vor; was wir alles erreichen könnten, wenn wir es wirklich wollten.”
Mit Worten wie diesen hat die sechzehnjährige Greta Thunberg weltweite Protestbewegung für den Klimaschutz ins Leben gerufen. Ob bei der UN-Klimakonferenz in Kattowitz, beim Weltwirtschaftsforum in Davos oder beim Europäischen Parlament in Brüssel, Greta Thunberg verschafft sich Gehör. Mit Zahlen, Fakten und stichhaltigen Argumenten zeigt sie: Die Klimakrise ist jetzt! Jedes Jahr verbrauchen wir in Deutschland die Ressourcen von drei Planeten. Erderwärmung, Luftverschmutzung und Artensterben zeigen schon jetzt verheerede Folgen. Die in diesem Band dokumentierten Reden von Greta Thunberg ein Weckruf. Sie machen deutlich, welche Verantwortung wir hier heute tragen — denn noch können wir handeln.
Greta Thunberg, geboren 2003, ist eine schwedische Klimaschutzaktivistin. Ihre Auftritte beim Weltklimagipfel in Kattowitz und bei Weltwirtschaftsforum in Davos sorgten für großes Aufsehen. Die von ihr initiierten Schulstreiks für das Klima sind inzwischen zu der glo balen Bewegung #FridaysForFuture geworden. Greta Thunberg ist Schweden zur »Frau des Jahres« gewählt worden und ist für den Friedensnobelpreis nominiert. Bei S. Fischer erschienen »Szenen aus der Herzen. Unser Leben für das Klima«.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Editorische Notiz 7
1 Rede auf dem Klimamarsch in Stockholm, 8. September 2018 9
2 Rede in Brüssel am 6. Oktober 2018 13
3 Rede in Helsinki am 20. Oktober 2018 19
4 Rede zur »Declaration of Rebellion« in London am 31. Oktober 2018 24 5 Vortrag bei TEDxStockholm im November 2018 30
6 Rede bei der 24. UN-Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember 2018 37
7 Rede an den UN-Generalsekretär António Guterres beim YOUNGO-Treffen auf der UN-Klimakonferenz in KattoWitz am 3. Dezember 2018 40
8 Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos
am 25. Januar 2019 43
9 Beitrag auf Facebook am 2. Februar 2019 [@gretathunbergsweden] 49
10 Rede vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozial-ausschuss der EU in Brüssel am 21. Februar 2019 56
11 Dankesrede zur Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin am 30. März 2019 62
***Greta Thunbergs Rede auf der "Brilliant Minds" Konferenz in Stockholm am 13. Juni 2019***
Zum Schulbeginn nach den schwedischen Sommerferien August 2018 entschied sich die junge Schülerin Greta Thunberg, in einen Schulstreik zu treten, um auf die Missachtung des Pariser Klimaabkommens aufmerksam zu machen. Seither trifft man sie jeden Freitag mit einem selbstgeschriebe Plakat, auf dem das mittlerweile weltweit bekannte Motto »Skolstrejk för Klimatet« steht, in der Mitte des Mynttorget (des Platzes in Stockholm zwischen Parlament und königlichem Schloss) — oder auf anderen Plätzen dieser Welt. Im Laufe der Zeit haben sich Greta immer mehr Schülerin und Schüler angeschlossen, und ihre Aktion inspiriert auf der ganzen Welt viele Menschen, die ebenfalls freitags unter dem Motto #FridaysForFuture friedlich protestieren.
Greta wurde sehr schnell zu Konferenzen, Kundgebungen und anderen öffentlichen Auftritten eingeladen und schreibt ihre Reden für diese Anlässe selbst. Lediglich Fakten bezüglich des Klimawandels lässt sie sich von Wissenschaftlern Forschern bestätigen. Das vorliegende Buch dokumen die wichtigsten Reden von Greta in chronologischer Reihenfolge, beginnend mit ihrer ersten öffentlichen Rede anlässlich des Klimamarschs in Stockholm, bis hin zu ihrer Dankes zur Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin. Auch wenn sich bestimmte Abschnitte in den verschiedenen Reden wiederholen, haben wir uns entschieden, diese Stellen im Sinne der Dokumentation nicht zu kürzen, zu streichen oder die Reden zusammenzuführen. Die Leserin, der Leser soll einen vollständigen Eindruck gewinnen können.
Die Redaktion
1
Rede auf dem Klimamarsch in Stockholm, 8. September 2018
Greta hielt ihre erste öffentliche Rede aus Anlass des Klimamarschs in Stockholm am 8. September 2018. Der Peoples Climate Mara fand an diesem Tag in 90 Ländern statt, und es nahmen weltweit mehr als 250 000 Menschen daran teil.
Im vergangenen Sommer schrieben der Klimaforscher Johan Rockström und einige andere, dass uns noch höchstens drei Jahre Zeit bleiben, den Anstieg der Treibhausgasemissionen umzukehren, wenn wir die im Pariser Klimaschutzabkommen gesetzten Ziele erreichen wollen.
Seitdem sind mehr als ein Jahr und zwei Monate vergangen, und in dieser Zeit haben viele weitere Wissenschaftler dasselbe gesagt. Aber vieles ist schlimmer geworden, und die Treibhausgasemissionen steigen weiter. Wir haben also vielleicht noch weniger Zeit als das eine Jahr und die zehn Monate, die uns laut Johan Rockström noch bleiben.
Wenn die Menschen das wüssten, bräuchten sie mich nicht zu fragen, warum ich mich so »leidenschaftlich für Klimawandel« interessiere.
Wenn die Menschen wüssten, dass die Wissenschaftler sagen, dass wir eine fünfprozentige Chance haben, die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, und wenn sie wüssten, welches albtraumhafte Szenario uns bevorsteht, wenn wir die Erderwärmung nicht unter zwei Grad Celsius halten, bräuchten sie mich nicht zu fragen, warum ich vor dem Parlamentsgebäude einen Schulstreik mache.
Denn wenn alle wüssten, wie ernst die Lage ist und wie wenig tatsächlich getan wird, würden alle kommen und sich neben uns setzen.
In Schweden leben wir, als ob wir die Ressourcen von 4,2 Planeten hätten. Unser CO2-Fußabdruck gehört mit zu den zehn schlechtesten der Welt. Das bedeutet, Schweden stiehlt zukünftigen Generationen Jahr für Jahr 3,2 Jahre an natürlichen Ressourcen. Diejenigen von uns, die zu diesen zukünftigen Generationen gehören, wollen, dass Schweden damit aufhört.
Sofort.
Dies ist keine politische Rede. Unser Schulstreik hat nichts mit Parteipolitik zu tun.
Denn das Klima und die Biosphäre kümmern sich keine Sekunde lang um Politik und unsere leeren Worte.
Sie kümmern sich nur um das, was wir tatsächlich tun.
Dies ist ein Hilferuf.
An alle Zeitungen, die immer noch nicht über Klimawandel schreiben und berichten, obwohl sie in diesem Sommer, als die schwedischen Wälder brannten, gesagt haben, das Klima sei »die entscheidende Frage unserer Zeit«.
An euch alle, die ihr diese Krise nie als Krise behandelt habt.
An alle Influencer, die sich für alles einsetzen außer für dal Klima und die Umwelt.
An alle politischen Parteien, die vorgeben, die Klimafrage ernst zu nehmen.
An alle Politiker, die sich in den sozialen Medien über u lustig machen und mich anprangern, so dass Leute mir sage ich sei retardiert, eine Bitch oder eine Terroristin und viel andere.
An euch alle, die ihr euch tagtäglich dazu entscheidet, wegzusehen, weil ihr offenbar mehr Angst vor den Veränderungei habt, die einen katastrophalen Klimawandel verhindern kör nen, als vor dem katastrophalen Klimawandel selbst.
Euer Schweigen ist beinahe das Schlimmste. Die Zukunft aller kommenden Generationen ruht auf euren Schultern.
Diejenigen von uns, die noch Kinder sind, können später, wenn wir erst einmal alt genug» sind, etwas dagegen zu un-ternehmen, nichts mehr an dem ändern, was ihr heute falsch macht.
Viele sagen, Schweden sei ein kleines Land und was wir tun, spiele keine Rolle. Aber ich finde, wenn ein paar Mädchen auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen können, indem sie für ein paar Wochen nicht zur Schule gehen, dann stellt euch nur mal vor, was wir gemeinsam schaffen könnten, wenn wir nur wollten.
Jede Einzelperson zählt.
Genauso wie jede einzelne Emission zählt.
Jedes einzelne Kilo.
Alles zählt.
Also bitte, behandelt die Klimakrise als die akute Krise, die sie ist, und gebt uns eine Zukunft.
Unser Leben liegt in euren Händen.
2
Rede in Brüssel am 6. Oktober 2018
Nachdem Gretas Skolstrejk för Klimatet über Schwedens Landesgrenzen hinaus bekannt wurde, fanden sich auch in weiteren Ländern Schüler zusammen, um für das Klima zu streiken. Zeitnah wurde Greta zunächst nach Brüssel und dann nach Helsinki zu dies Streiks eingeladen. Bei der Rede in Helsinki handelt es sich um eine leichte Abwandlung der Rede in Brüssel, und beide Texte bauen auf Gretas erster Rede vom Klimamarsch in Stockholm auf.
Bonjour, je m'apelle Greta Thunberg, j'ai quinze ans et je viens de Stockholm, en Suéde. Je fais la gréve de l'ecole devant le parlement suédois.
Je le fais pour faire attention á la crise climatique.
(Guten Tag, ich heiße Greta Thunberg, bin fünfzehn Jah alt und komme aus Stockholm in Schweden. Ich mache jed Freitag einen Schulstreik vor dem schwedischen Parlament.
Das tue ich, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen.)
Jeden Freitag sitzen wir vor dem schwedischen Parlament gebäude, bis Schweden das Pariser Klimaschutzabkommen einhält.
Wir fordern alle dringend auf, dasselbe zu tun, wo immer ihr auch seid: Setzt euch vor euer Parlamentsgebäude oder euer Rathaus, bis euer Land auf einem sicheren Weg zu einem Erderwärmungsziel von unter zwei Grad ist.
Wenn wir sämtliche aktuellen Emissionen Schwedens und Belgiens — einschließlich Luftfahrt, Verkehr und Importgütern — einbeziehen und den Gerechtigkeitsaspekt gegenüber ärmeren Ländern berücksichtigen, wie es eindeutig im Pariser Klimaschutzabkommen und im Kyoto-Protokoll festgehalten ist, dann müssen reiche Länder wie Schweden oder Belgien laut der Universität Uppsala anfangen, ihre Emissionen alljährlich um mindestens fünfzehn Prozent zu reduzieren. Wenn wir das tun, geben wir Entwicklungsländern eine Chance, ihren Lebensstandard zu erhöhen, indem sie einen Teil der Infrastruktur aufbauen, die wir schon haben, wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser, sauberes Trinkwasser, Stromversorgung usw.
Manche sagen, wir sollten stattdessen lieber in die Schule gehen. Aber warum sollen wir für eine Zukunft lernen, die es schon bald nicht mehr geben wird, wenn niemand irgendetwas unternimmt, um diese Zukunft zu retten? Und welchen Sinn hat es, in der Schule Fakten zu lernen, wenn die wichtigsten Fakten, belegt durch die modernste Forschung ebendieses Bildungssystems, unseren Politikern und unserer Gesellschaft offensichtlich nichts bedeuten?
Gegenwärtig verbrauchen wir jeden Tag hundert Millionen Barrel Öl. Es gibt keine politischen Maßnahmen, das zu ändern: Es gibt keine Vorschriften, dieses Öl im Boden zu belassen.
Daher können wir die Welt nicht retten, indem wir uns an die Regeln halten. Denn die Regeln müssen geändert werden.
Alles muss verändert werden.
Und das muss heute anfangen.
Ihr braucht nicht irgendwohin zu gehen, um gegen die Klimakrise zu protestieren. Denn der Klimawandel ist überall. Ihr könnt euch vor jedes Regierungsgebäude auf der Welt stellen oder setzen und gleich viel Gutes bewirken. Ihr könnt euch vor jedes Öl- oder Energieunternehmen stellen. Und vor jeden Lebensmittelladen, jede Zeitung, jeden Flughafen, jede Tankstelle, jeden Fleischproduzenten oder jeden Fernsehsender der Welt.
Niemand tut auch nur annähernd genug.
Alles und alle müssen sich ändern.
Im vergangenen Monat erklärte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, wir hätten bis 2020 Zeit, den Kurs zu ändern und die Emissionskurve steil nach unten zu drücken, um in Reichweite des Pariser Klimaschutzabkommens zu bleiben,
An alle Zeitungen, die diese Krise nie als Krise behandelt haben.
An alle Influencer, die sich für alles einsetzen außer für das Klima und die Umwelt.
An alle politischen Parteien, die vorgeben, die Klimafrage ernst zu nehmen.
An euch alle, die ihr Bescheid wisst, aber tagtäglich lieber wegseht, weil ihr anscheinend die Veränderungen, die den katastrophalen Klimawandel verhindern können, mehr fürchtet als den katastrophalen Klimawandel selbst.
Euer Schweigen ist beinahe das Schlimmste.
Die Zukunft aller kommenden Generationen ruht auf euren Schultern.
Was ihr heute tut, können wir Kinder in der Zukunft nicht mehr ungeschehen machen.
Viele sagen, Schweden und Belgien seien bloß kleine Länder und was wir machen, spiele keine Rolle. Aber ich finde, wenn ein paar Kinder auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen können, nur indem sie für ein paar Wochen nicht zur Schule gehen, dann stellt euch mal vor, was wir gemeinsam schaffen könnten, wenn wir nur wollten.
Jede Einzelperson zählt.
Genauso wie jede einzelne Emission zählt.
Jedes einzelne Kilogramm.
Also bitte, behandelt die Klimakrise als die akute Krise, die sie ist, und gebt uns eine Zukunft.
Unser Leben liegt in euren Händen.
3
Rede in Helsinki am 20. Oktober 2018
Nimeni an Greta Thunberg. Olen viisitoista vuotias. Asun Tukholmassa. Olen koululakossa ilmaston puolesta.
(Ich heiße Greta Thunberg. Ich bin fünfzehn Jahre alt. Ich wohne in Stockholm. Ich befinde mich für das Klima im Schulstreik.)
Jeden Freitag sitzen wir vor dem schwedischen Parlament, bis Schweden das Pariser Klimaschutzabkommen einhält.
Wir fordern alle auf, es ebenso zu machen, wo immer ihr seid: Setzt euch vor euer Parlamentsgebäude oder Rathaus, bis euer Land auf einem sicheren Weg zu einem Erderwärmungsziel von unter zwei Grad ist.
Wenn wir sämtliche aktuellen Emissionen Schwedens und Finnlands – einschließlich Luftfahrt, Verkehr und Importgütern – einbeziehen und den Gerechtigkeitsaspekt gegenüber ärmeren Ländern berücksichtigen, wie es eindeutig im Pariser Klimaschutzabkommen und im Kyoto-Protokoll fest-gehalten ist, dann müssen reiche Länder wie Schweden oder Finnland laut der Universität Uppsala anfangen, ihre Emissionen alljährlich um mindestens fünfzehn Prozent zu reduzieren. Wenn wir das tun, geben wir Entwicklungsländern eine Chance, ihren Lebensstandard zu erhöhen, indem sie einen Teil der Infrastruktur aufbauen, die wir schon haben, wie Straßen, Schulen, Krankenhäuser, sauberes Trinkwasser, Stromversorgung usw.
Manche sagen, wir sollten stattdessen lieber in die Schule gehen. Manche sagen, wir sollten studieren, Klimaforscher werden und dann »die Klimakrise lösen«. Aber die Klimakrise ist bereits gelöst. Wir kennen schon sämtliche Fakten und Lösungen. Alles, was wir tun müssen, ist aufwachen und etwas verändern.
Und warum sollten wir für eine Zukunft lernen, die es schon bald nicht mehr geben wird, wenn niemand irgendetwas unternimmt, um diese Zukunft zu retten? Welchen Sinn hat es, in der Schule Fakten zu lernen, wenn die wichtigsten Fakten, belegt durch die modernste Forschung ebendieses Bildungssystems, unseren Politikern und unserer Gesellschaft offensichtlich nichts bedeuten?
Heute verbrauchen wir täglich hundert Millionen Barrel Öl. Es gibt keine politischen Maßnahmen, das zu ändern. Es gibt keine Vorschriften, das Öl im Boden zu belassen.
Daher können wir die Welt nicht retten, indem wir uns an die Regeln halten. Denn die Regeln müssen verändert werden. Alles muss verändert werden.
Und dass muss heute anfangen.
Ihr braucht nirgendwohin zu gehen, um gegen die Klimakrise zu protestieren. Denn der Klimawandel ist überall. Ihr könnt euch überall auf der Welt vor ein Regierungsgebäude stellen oder setzen und gleich viel Gutes bewirken. Ihr könnt euch vor irgendein Öl- oder Energieunternehmen stellen. Vor irgendeinen Lebensmittelladen, eine Zeitung, einen Flughafen, eine Tankstelle, einen Fleischproduzenten oder einen Fernsehsender auf der Welt.
Niemand tut auch nur annähernd genug.
Alles und alle müssen sich ändern.
Vor einem Monat sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, wir hätten bis 2020 Zeit, den Kurs zu ändern und die Emissionskurve steil nach unten zu senken, um in Reichweite des Pariser Klimaschutzabkommens zu bleiben, sonst stünde die Welt vor »einer unmittelbaren Existenzbedrohung«.
Wenn die Leute wüssten, dass die Wissenschaftler sagen, dass wir gegenwärtig nicht einmal mehr eine fünfprozentige Chance haben, das Pariser Klimaziel zu erreichen, und wenn die Leute wüssten, welches albtraumhafte Szenario uns droht, wenn wir die Erderwärmung nicht unter zwei Grad Celsius halten, dann bräuchten sie mich nicht zu fragen, warum ich vor dem schwedischen Parlament im Schulstreik bin.
Denn wenn alle wüssten, wie ernst die Lage ist und wie wenig tatsächlich dagegen unternommen wird, würden alle kommen und sich neben uns setzen.
In Schweden leben wir, als ob wir die Ressourcen von 4,2 Planeten zur Verfügung hätten. In Finnland braucht ihr 3,7 Planeten. Also gewinnt Schweden. Leider.
Aber unser CO2-Fußabdruck gehört zu den größten der Welt. Das heißt, dass wir zukünftigen Generationen jedes Jahr nahezu drei Jahre an natürlichen Ressourcen stehlen. Diejenigen von uns, die zu diesen zukünftigen Generationen gehören, fordern Schweden und Finnland und alle anderen Länder auf, damit aufzuhören und anzufangen, im Rahmen der Grenzen dieses Planeten zu leben.
Dies ist ein Hilferuf.
An alle Zeitungen, die diese Krise nie als Krise behandelt haben.
An alle Influencer, die sich für alles einsetzen außer für das Klima und die Umwelt.
An alle politischen Parteien, die vorgeben, Klimafragen ernst zu nehmen.
An alle unter euch, die ihr Bescheid wisst, aber lieber jeden Tag wegseht, weil ihr die Veränderungen, die den katastrophalen Klimawandel verhindern könnten, offenbar mehr fürchtet als den katastrophalen Klimawandel selbst.
Euer Schweigen ist beinahe das Schlimmste.
Die Zukunft sämtlicher kommenden Generationen ruht auf euren Schultern.
Was ihr heute tut, können wir, die Kinder, in der Zukunft nicht mehr ungeschehen machen.
Viele sagen, Schweden und Finnland seien bloß kleine Länder und es spiele keine Rolle, was wir tun. Aber ich finde, wenn ein paar Kinder auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen können, nur indem sie ein paar Wochen nicht zur Schule gehen, dann stellt euch mal vor, was wir gemeinsam erreichen könnten, wenn wir nur wollten.
Jede Einzelperson zählt.
Genauso wie jede einzelne Emission zählt.
Jedes einzelne Kilogramm.
Also bitte, behandelt die Klimakrise als die akute Krise, die sie ist, und gebt uns eine Zukunft.
Unser Leben liegt in euren Händen.
4
Rede zur »Declaration of Rebellion« in London am 31. Oktober 2018
Die weltweit aktive Bewegung Extinction Rebellion (Rebellion gegen das Aussterben) lud Greta als eine von insgesamt fünf Rednern zu ihrer Declaration of Rebellion im Oktober 2018 nach London ein. Die Deklaration richtete sich gegen die britische Regierung und deren Tatenlosigkeit angesichts der drängenden Klimakrise. Die Veranstaltung fand auf dem Parliament Square statt und wurde von mehr als 1000 Menschen besucht.
Als ich etwa acht Jahre alt war, hörte ich zum ersten Mal etwas über den sogenannten Klimawandel oder die Erderwärmung. Offenbar war das etwas, was wir Menschen durch un sere Lebensweise hervorgebracht haben. Man sagte mir, ich solle das Licht ausschalten, um Energie zu sparen, und Papie recyceln, um Ressourcen zu schonen.
Ich erinnere mich, dass ich es äußerst merkwürdig fand, das. Menschen, die doch eine Tierart unter anderen sind, imstan de sein sollten, das Klima der Erde zu verändern. Denn wem es so wäre und das tatsächlich passierte, würden wir ja woh über nichts anderes mehr reden. Sobald man das Fernsehen einschaltete, müsste sich alles nur darum drehen. Schlagzeilen, Radio, Zeitungen — man würde von nichts anderen lesen oder hören. Als oh ein Weltkrieg stattfände.
Aber: Niemand sprach darüber. Nie.
Wenn das Verbrennen fossiler Brennstoffe so schlimm war, dass es unsere Existenz bedrohte, wie konnten wir dann einfach weitermachen wie bisher? Warum gab es keine Beschränkungen? Warum wurde es nicht gesetzlich verboten?
Für mich ergab das alles keinen Sinn. Es war einfach zu unwirklich.
Ich habe das Asperger-Syndrom, und für mich ist fast alles schwarz oder weiß.
Ich glaube, dass wir Autisten in vielerlei Hinsicht die Normalen und die übrigen Menschen ziemlich seltsam sind. Ständig sagen sie, der Klimawandel sei eine existentielle Bedrohung und das wichtigste Problem von allen. Und trotzdem machen sie einfach weiter wie bisher. Wenn die Emissionen aufhören müssen, dann müssen wir die Emissionen stoppen. Für mich ist das schwarz oder weiß. Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht. Entweder wir existieren als Zivilisation weiter oder gar nicht.
Wir müssen uns ändern.
Länder wie Schweden und das Vereinigte Königreich müssen anfangen, ihre Emissionen um mindestens fünfzehn Prozent pro Jahr zu reduzieren, um unter einem Erwärmungsziel von zwei Grad Celsius zu bleiben.
Mittlerweile sagt der Weltklimarat, dass wir 1,5 Grad anstreben müssen. Wir können uns nur vorstellen, was das bedeutet. Man sollte meinen, alle unsere führenden Politiker un die Medien würden über nichts anderes reden — aber keiner erwähnt es an irgendeiner Stelle. Noch sagt irgendjemand jemals etwas über die Treibhausgase, die schon in der Erdatmosphäre gebunden sind, oder über die Luftverschmutzung die eine Erwärmung kaschiert, so dass wir, selbst wenn wir mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe aufhören, schon jetzt eine garantierte zusätzliche Erderwärmung von 0,5 bis 1,1 Grad Celsius haben werden.
Und kaum jemand spricht je darüber, dass wir uns mitten im sechsten massenhaften Artensterben befinden und tagtäglic etwa zweihundert Arten aussterben.
Außerdem spricht niemand je über den Gerechtigkeitsaspekt oder die Klimagerechtigkeit, die klar und deutlich im Paris Klimaschutzabkommen und im Kyoto-Protokoll festgehalten sind, was absolut notwendig ist, damit das Abkomm weltweit wirkt. Das heißt, dass reiche Länder innerhalb von sechs bis zwölf Jahren ihre Emissionen auf null senken müssen, damit die Menschen in ärmeren Ländern ihren Lebensstandard erhöhen können, indem sie etwas von der Infrastruktur schaffen, die wir bereits haben: Straßen, Krankenhäuser, Stromversorgung, Schulen und sauberes Trinkwasser. Denn wie können wir von Ländern wie Indien oder Nigeria erwarten, dass sie sich um die Klimakrise kümmern, wenn wir, die wir schon alles haben, uns keine Sekunde darum oder um unsere tatsächlichen Verpflichtungen nach dem Parise Klimaschutzabkommen scheren?
Warum reduzieren wir also unsere Emissionen nicht? Wa um steigen sie sogar weiter? Verursachen wir wissentlich ei massenhaftes Artensterben? Sind wir böse? Nein, natürlich nicht. Menschen tun weiter das, was sie tun, weil die meiste keine Ahnung von den Konsequenzen unseres Alltagslebens haben. Und sie wissen nichts von den schnellen Veränderungen, die notwendig sind. Denn, wie gesagt, niemand spricht darüber. Es gibt keine Schlagzeilen, keine Dringlichkeitssitzungen, keine Eilmeldungen. Niemand verhält sich so, als wir in einer Krise steckten. Selbst die grünsten Politiker und Klimaforscher fliegen weiter um die Welt, essen Fleisch und Milchprodukte.
Falls ich hundert Jahre alt werde, lebe ich im Jahr 2103 immer noch. Wenn ihr heute an »die Zukunft« denkt, denkt ihr nicht über das Jahr 2050 hinaus. Dann werde ich bestenfalls nicht einmal die Hälfte meines Lebens hinter mir haben. Was passiert dann?
Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern.
Was wir jetzt, heute, tun oder lassen, betrifft mein gang Leben und das Leben meiner Kinder und Enkelkinder.
Als im August dieses Jahres die Schule wieder anfing, beschloss ich, dass es reicht. Ich setzte mich vor dem schwedischen Parlament auf den Boden und trat für das Klima in den Schulstreik.
Manche sagen, ich sollte lieber in die Schule gehen. Manche sagen, ich sollte lernen und Klimaforscherin werden, damit ich »die Klimakrise lösen« kann. Aber die Klimakrise ist bereits gelöst. Alles, was wir tun müssen, ist, aufzuwachen und etwas zu ändern.
Und warum sollte ich für eine Zukunft lernen, die es schon bald nicht mehr geben wird, wenn niemand irgendetwas unternimmt, um diese Zukunft zu retten? Welchen Sinn hat es, in der Schule Fakten zu lernen, wenn die wichtigsten Fakten, belegt durch die modernste Forschung ebendieses Bildungssystems, unseren Politikern und unserer Gesellschaft nichts bedeuten?
Viele sagen, Schweden sei nur ein kleines Land und es spiele keine Rolle, was wir machen. Aber ich finde, wenn ein paar Kinder auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen können, nur indem sie ein paar Wochen nicht zur Schule gehen, dann stellt euch mal vor, was wir alle erreichen könnten, wenn wir wollten.
Gegenwärtig verbrauchen wir täglich hundert Millionen Barrel Öl. Es gibt keine politischen Maßnahmen, das zu ändern. Es gibt keine Vorschriften, das Öl im Boden zu belassen. Wir können die Welt also nicht ändern, indem wir uns an die Regeln halten. Denn die Regeln müssen geändert werden. Alles muss sich ändern. Und das muss heute anfangen.
Also alle da draußen: Jetzt ist es an der Zeit für zivilen Ungehorsam, es ist Zeit zu rebellieren.
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Vortrag bei TEDxStockholm im November 2018
Im November 2018 nahm Greta an einem TEDx-Talk in Stockholm teil. Die von Chris Andersen in den USA ins Leben gerufene Konferenzreihe TED-Talkist mittlerweile weltweit bekannt und erhält große Aufmerksamkeit. TEDx bezeichnet dabei eine untergeordnete Eventreihe neben den TED-Talks. Jeder Teilnehmer erhält eine einzige Vorgabe für seinen Talk — dieser darf nicht länger als 18 Minuten dauern.
Als ich ungefähr acht Jahre alt war, hörte ich zum ersten Mal etwas von “Klimawandel” und “globaler Erwärmung”. Anscheinend war das etwas, was Menschen durch ihre Lebensweise erzeugten. Mir wurde gesagt, ich solle Lichter ausschalten, um Energie zu sparen, und Papier recyceln, um Ressourcen zu sparen.
Ich erinnere mich, wie seltsam ich es fand, dass Menschen, eine Tierart unter vielen anderen, das Klima der Erde verändern können. Denn, wenn es so wäre und es wirklich passieren würde, würden wir über nichts anderes reden. Sobald wir den Fernseher einschalten würden, ginge es nur darum. Schlagzeilen, Radios, Zeitungen: Wir würden gar nichts anderes lesen oder hören. Es war, als ob es einen Weltkrieg gäbe, aber niemand spräche darüber. Wenn die Verbrennung fossiler Brennstoffe so gefährlich ist, dass sie unsere Existenz bedroht, wie konnten wir dann so weitermachen wie bisher? Warum gab es keine Beschränkungen? Warum wurde es nicht verboten?
Ich konnte das nicht verstehen. Es war zu unwirklich.
Als ich elf Jahre alt war, wurde ich krank, depressiv, hörte auf zu reden und zu essen. In zwei Monaten verlor ich etwa 10 Kilogramm. Später wurde bei mir Asperger-Syndrom, OCD und selektiver Mutismus diagnostiziert.
Das heißt, ich spreche nur, wenn ich es für notwendig halte. Jetzt ist einer dieser Momente.
Für uns im Autismus-Spektrum ist fast alles schwarz oder weiß. Wir können nicht sehr gut lügen. Und wir haben normalerweise keinen Spaß an den sozialen Spielen, die der Rest von euch so mag.
Ich denke in vielerlei Hinsicht, dass wir Autisten normal und die anderen ziemlich seltsam sind.
Vor allem, wenn es um die Nachhaltigkeitskrise geht: Alle sagen immer: Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung und das Allerwichtigste. Und doch machen sie einfach weiter wie bisher.
Ich verstehe das nicht. Wenn die Emissionen gestoppt werden müssen, müssen wir die Emissionen stoppen. Für mich ist das schwarz oder weiß: Wenn es ums Überleben geht, gibt es keine Grauzone. Entweder erhalten wir unsere Zivilisation oder nicht. Wir müssen uns ändern.
Reiche Länder wie Schweden müssen ihre Emissionen um mindestens 15 % pro Jahr reduzieren. Das würde gerade einmal reichen, um unter 2° Erwärmung zu bleiben. Doch wie der IPCC kürzlich gezeigt hat, würde ein 1,5°-Ziel die Klimafolgen erheblich reduzieren. Wir können uns nur vorstellen, was dies bezüglich der nötigen Reduktion von Emissionen bedeuten würde. Man sollte denken, die Medien und alle Führungskräfte würden über nichts anderes reden. Aber sie erwähnen es nicht einmal. Auch erwähnt niemand die längst im System gebundenen Treibhausgase. Und auch nicht, dass die allgemeine Luftverschmutzung zurzeit einen Teil der Erderwärmung kompensiert. Wenn wir also aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen, bekommen wir eine zusätzliche Erwärmung – vielleicht sogar um 0,5 bis 1,1 °C.
Außerdem spricht kaum jemand darüber, dass wir uns mitten im sechsten Massensterben befinden: Mit bis zu 200 Arten, die jeden Tag aussterben. Die Aussterberate ist heute 1000 bis 10 000 Mal höher als normal.
Auch spricht kaum jemand über Fairness oder Klimagerechtigkeit. Das ist überall in der Pariser Vereinbarung eindeutig festgelegt und absolut notwendig, damit es auf globaler Ebene funktionieren kann. Das bedeutet, dass bei heutiger Geschwindigkeit die reichen Länder innerhalb von 6-12 Jahren alle Emissionen beenden müssen. Einfach nur deshalb, damit die Menschen in ärmeren Ländern eine Chance haben, ihren Lebensstandard zu verbessern und einen Teil der Infrastruktur bauen können, den wir bereits haben: Straßen, Schulen, Krankenhäuser, sauberes Trinkwasser, Elektrizität und so weiter. Können wir sonst erwarten, dass Länder wie Indien oder Nigeria sich für die Klimakrise interessieren, wenn wir, die wir bereits alles haben, uns nicht um Fairness und unsere Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen kümmern?
Warum reduzieren wir unsere Emissionen nicht? Warum nehmen sie sogar noch zu? Verursachen wir wissentlich ein Massensterben? Sind wir böse? Nein, natürlich nicht. Die Menschen machen weiter wie bisher, weil die große Mehrheit schlicht keine Ahnung von den Konsequenzen für ihren Alltag hat. Und sie wissen nicht, wie schnell der Wandel erfolgen muss.
Wir glauben alle, wir wüssten Bescheid. Und alle anderen auch. Aber das stimmt nicht.
Wie könnten wir es auch wissen? Wenn es wirklich eine Krise gibt und diese Krise durch unsere Emissionen verursacht wurde, würden wir zumindest Anzeichen sehen. Nicht nur überflutete Städte. Zehntausende von Toten und ganze Länder mit zerstörten Gebäuden. Wir würden Beschränkungen sehen.
Aber nichts davon passiert. Und niemand spricht darüber. Es gibt keine Krisensitzungen, keine Schlagzeilen, keine Nachrichten. Niemand verhält sich so, als gäbe es eine Krise.
Selbst die meisten Klimawissenschaftler oder grünen Politiker fliegen weiter um die Welt und essen Fleisch und Milchprodukte.
Wenn ich 100 Jahre alt werde, werde ich das Jahr 2103 erleben. Wenn Sie heute an die Zukunft denken, denken Sie meist nicht über das Jahr 2050 hinaus. Bis dahin habe ich im besten Fall noch nicht einmal die Hälfte meines Leben hinter mir. Doch was passiert danach?
Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Wenn ich Kinder oder Enkelkinder habe, werden sie vielleicht diesen Tag mit mir verbringen.
Vielleicht fragen sie mich nach Ihnen, den Leuten, die damals im Jahr 2018 lebten.
Vielleicht fragen sie, warum Sie nichts getan haben, solange noch Zeit war zu handeln.
Was wir jetzt tun oder nicht tun, wirkt sich auf mein gesamtes Leben und das Leben meiner Kinder und Enkelkinder aus. Was wir jetzt tun oder nicht tun, kann ich und meine Generation in der Zukunft nicht wieder gutmachen.
Als im August dieses Jahres die Schule begann, entschied ich, dass es nun reicht. Ich setzte mich vor das schwedische Parlament und begann einen “Schulstreik für das Klima”.
Einige Leute sagen, ich sollte in der Schule sein. Einige Leute sagen, ich sollte lernen, um Klimawissenschaftlerin zu werden und die Klimakrise zu lösen.
Aber dies ist bereits gelöst. Wir haben alle Fakten und Lösungen. Wir müssen nur aufwachen und etwas verändern.
Und warum sollte ich für eine Zukunft lernen, die bald nicht mehr existieren wird, weil niemand etwas tut, um diese Zukunft zu retten? Und worin besteht der Sinn, Fakten in Schule und Studium zu lernen, wenn die allerwichtigsten Fakten und exzellente Wissenschaft unseren Politikern und unserer Gesellschaft eindeutig völlig egal sind?
Einige Leute sagen, dass Schweden nur ein kleines Land ist und dass es egal sei, was wir tun. Aber ich denke: Wenn ein paar Kinder auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen können, nur weil sie ein paar Wochen nicht zur Schule gehen – stellen Sie sich einmal vor, was wir alle gemeinsam erreichen könnten, wenn wir wollten!
Jetzt sind wir fast am Ende meines Vortrags und hier beginnen die Leute normalerweise, über Hoffnung zu reden. Sonnenkollektoren, Windkraft, Kreislaufwirtschaft usw.
Aber das werde ich nicht machen. Wir haben jetzt 30 Jahre lang Motivationsreden und Verkauf positiver Ideen hinter uns. Es tut mir leid, aber es funktioniert nicht. Würde es funktionieren, wären die Emissionen inzwischen gesunken. Sind sie aber nicht.
Und ja, wir brauchen Hoffnung. Natürlich brauchen wir das. Aber wir brauchen mehr als nur Hoffnung. Sobald wir anfangen zu handeln, ist Hoffnung überall. Anstatt nach Hoffnung zu suchen, suchen Sie nach Handlungsmöglichkeiten. Dann – und nur dann – wird die Hoffnung kommen.
Wir verbrauchen heutzutage jeden Tag 100 Millionen Barrel Öl. Und es gibt keine Politik, die dies ändert. Es gibt keine Gesetze, um dieses Öl im Boden zu halten. Wir können also nicht die Welt retten, indem wir die Regeln einhalten.
Die Gesetze müssen geändert werden. Alles muss sich ändern. Es muss heute beginnen.
Danke.
6
Rede bei der 24. UN-Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember 2018
Die 24. UN-Klimakonferenz fand vom 3. bis 14. Dezember 2018 im polnischen Kattowitz statt. Bei dieser jährlich ausgerichteten Konferenz treffen Regierungschefs, Organisationen, Umweltschutzaktivisten sowie Vertreter aus Wirtschaft und Technik zusammen, um über die Zukunft der Erde zu beraten und verhandeln. Greta hielt unter großem Interesse der Weltbevölkerung im Dezember die erste der nun folgenden Reden. Die zweite richtete sie beim Treffen des Jugend-NGO-Netzwerks YOUNGO auf der UN-Klimakonferenz direkt an den UN-Generalsekretär António Guterres.
Mein Name ist Greta Thunberg. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Schweden. Ich spreche für die Organisation Climate Justice Now!
Viele sagen, dass Schweden sei nur ein kleines Land und es spiele keine Rolle, was wir tun. Aber ich habe gelernt, dass niemand zu klein ist, um ein Unterschied zu bewirken. Und wenn ein paar Kinder weltweit Schlagzeilen machen könne, nur weil sie nicht zur Schule gehen, dann stellt euch vor, was wir alle gemeinsam erreichen können, wenn wir es wirklich wollten.
Aber dazu müssen wir Klartext reden. Egal wie unbequem das sein mag. Ihr sprecht nur von grünem ewigem Wirtschaftswachstum, weil ihr zu viel Angst habt, unpopulär zu sein. Ihr redet nur davon, mit denselben schlechten Ideen weiterzumachen, die uns in diesen Schlamassel gebracht haben. Selbst wenn es das einzig Vernünftige ist, die Notbremse zu ziehen.
Ihr seid nicht reif genug, zu sagen, wie es ist. Selbst diese Bürde überlasst ihr euren Kindern. Aber ich kümmere mich nicht darum, beliebt zu sein, ich kümmere mich um Klimagerechtigkeit und den lebendigen Planeten.
Wir sind dabei, unsere Zivilisation zu opfern, damit einige wenige die Möglichkeit haben, weiter enorme Mengen Geld zu verdienen. Wir sind dabei, die Biosphäre zu opfern, damit reiche Leute in Ländern wie meinem in Luxus leben können. Aber für den Luxus der wenigen bezahlen viele mit ihrem Leid.
Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Falls ich Kinder habe, werden sie diesen Tag vielleicht mit mir zusammen verbringen. Vielleicht werden sie mich nach euch fragen.
Vielleicht werden sie fragen, warum ihr nichts unternommen habt, solange noch Zeit dazu war? Ihr sagt, ihr liebt eure Kinder über alles. Und trotzdem stehlt ihr ihnen ihre Zukunft.
Solange ihr nicht anfangt, euch darauf zu konzentrieren, was getan werden muss, statt auf das, was politisch machbar ist, gibt es keine Hoffnung. Wir können eine Krise nicht bewältigen, ohne sie als Krise zu behandeln. Wir müssen die fossilen Brenstoffe im Boden lassen, und wir müssen uns auf Gerechtigkeit konzentrieren.
Und wenn Lösungen innerhalb des Systems unmöglich zu finden sind, dann sollten wir vielleicht das System selbst verändern.
Wir sind nicht gekommen darum zu betteln, dass die Politiker der Welt sich um uns kümmern sollen. Ihr habt uns bisher ignoriert und ihr werdet uns weiter ignorieren. Aber euch gehen die Ausreden aus und die Zeit läuft uns weg. Wir sind gekommen, um euch zu sagen, dass der Wandel kommen wird, ob ihr ihn wollt oder nicht.
Die wahre Macht gehört den Menschen.
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Rede an den UN Generalsekretär António Guterres beim YOUNGO-Treffen auf der Klimakonferenz in Kattowitz, 3. Dezember 2018
Seit 25 Jahren standen zahllose Menschen vor Klimakonferenzen der Vereinten Nationen und baten unsere Regierungschefs die Emissionen zu stoppen. Das hat offensichtlich nichts genützt, da die Emissionen einfach weiter steigen.
Deshalb werde ich nicht sie bitten.
Stattdessen, werde ich die Medien bitten, diese Krise wie eine Krise zu behandeln.
Stattdessen, werde ich die Menschen auf der ganzen Welt bitten sich klar zu machen, dass unsere Regierungen uns im Stich gelassen haben.
Wir stehen vor einer existenziellen Bedrohung und haben keine Zeit mehr, um den Weg des Wahnsinns weiter zu gehen.
Reiche Länder wie Schweden müssen ihre Emissionen um mindestens 15 % pro Jahr reduzieren, um das 2°-Ziel zu erreichen. Man würde denken, dass die Medien und jede und jeder unserer Spitzenpolitiker über nichts Anderes sprechen würde – aber keiner erwähnt es jemals.
Ebenso wenig wird darüber gesprochen, dass wir uns mitten im 6. Massenaussterben befinden und jeden Tag bis zu 200 Arten aussterben.
Darüber hinaus spricht niemand über die überall in der Pariser Vereinbarung klar benannten Gerechtigkeitsfragen. Dies ist aber absolut notwendig, damit es auf globaler Ebene funktioniert. Und es heisst, dass reiche Länder, wie meines, bei heutiger Emissions-Geschwindigkeit in 6-12 Jahren die Emissionen auf Null senken müssen. Nur dann können Menschen in ärmeren Ländern ihren Lebensstandard erhöhen und wenigstens einen Teil der Infrastruktur aufbauen, die wir bereits haben: Krankenhäuser, Elektrizität, sauberes Trinkwasser, usw.
Wie können wir erwarten, dass Länder wie Indien, Kolumbien oder Nigeria sich für die Klimakrise interessieren, wenn wir, die wir bereits alles haben, uns nicht um unsere Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen kümmern?
Als im August dieses Jahres die Schule begann, habe ich mich daher vor dem schwedischen Parlament auf den Boden gesetzt. Ich habe einen “Schulstreik für das Klima” begonnen.
Einige Leute sagen, ich sollte in der Schule sein. Einige Leute sagen, ich sollte lernen, um Klimawissenschaftlerin zu werden und “die Klimakrise zu lösen”. Aber die Klimakrise wurde bereits gelöst. Wir haben bereits alle Fakten und Lösungen.
Warum sollte ich für eine Zukunft studieren, die es möglicherweise bald nicht mehr gibt, wenn niemand etwas unternimmt um diese Zukunft zu retten? Und welchen Sinn macht es Fakten zu lernen, wenn die allerwichtigsten Fakten offensichtlich von unserer Gesellschaft ignoriert werden?
Aktuell verbrauchen wir 100 Millionen Barrel Öl jeden einzelnen Tag. Und es gibt keine Politik, die dies ändert, keine Gesetze, um dieses Öl im Boden zu halten.
Wir können also die Welt nicht retten indem wir nach den Regeln spielen. Die Regeln müssen geändert werden.
Wir sind daher nicht hier, um die Regierungschefs der Welt zu bitten, sich um unsere Zukunft zu kümmern. Sie haben uns in der Vergangenheit ignoriert und sie werden uns wieder ignorieren.
Wir sind hier, um sie wissen zu lassen, dass der Wandel kommen wird, ob es ihnen gefällt oder nicht. Die Menschen werden sich der Herausforderung stellen. Und da sich unsere Staatschefs wie Kinder benehmen, werden wir die Verantwortung übernehmen, die sie schon vor langer Zeit hätten übernehmen müssen.
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Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos am 25. Januar 2019
Das Weltwirtschaftsforumfindet alljährlich in Davos im Schweizer Kanton Graubünden statt und versammelt international anerkannte Wirtschaftsexperten, Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und gesellschaftliche Akteure. Das Forum behandelt neben Wirtschafts-und Sozialpolitik auch aktuelle globale Fragen der Umwelt- und Gesundheitspolitik. Das 49. Treffen in Davos, zu dem auch Greta als Sprecherin eingeladen worden war, fand in der Zeit vom 22. bis 25. Januar 2019 statt.
Unser Haus steht in Flammen.
Ich bin hier, um zu sagen, dass unser Haus in Flammen steht.
Laut Weltklimarat sind wir weniger als zwölf Jahre von dem Punkt entfernt, an dem wir unsere Fehler nicht mehr korrigieren können. In dieser Zeit müssen beispiellose Veränderungen in allen Aspekten der Gesellschaft erfolgen —einschließlich einer Reduktion unserer CO2-Emissionen um mindestens fünfzig Prozent.
Wohlgemerkt: Diese Zahlen schließen noch nicht einmal den Aspekt der Klimagerechtigkeit ein, die absolut notwendig ist, damit das Pariser Klimaschutzabkommen weltweit wirken kann.
Sie schließen auch Kipppunkte oder Rückkopplungsschleifer nicht ein, wie beispielsweise die extrem starke Freisetzung von Methangas durch das Auftauen der arktischen Permafrostgebiete.
An Orten wie Davos erzählen Menschen gern Erfolgsgeschichten. Aber ihr finanzieller Erfolg hat einen unvorstellbaren hohen Preis. Und beim Klimawandel müssen wir zugeben dass wir versagt haben.
Das gilt für alle politischen Bewegungen in ihrer gegenwärtigen Form.
Und die Medien haben darin versagt, ein breites öffentliche Bewusstsein zu schaffen.
Aber der Homo sapiens hat noch nicht versagt.
Ja, in der Vergangenheit haben wir versagt, aber noch ist Zeit alles umzukehren. Wir können das noch in Ordnung bringen. Noch liegt alles in unserer Hand.
Aber wenn wir die ganzen Fehler unseres gegenwärtigen Systems nicht erkennen, haben wir höchstwahrscheinlich keine Chance.
Wir stehen vor unsagbarem Leid für eine ungeheure Menge von Menschen. Und jetzt ist nicht der Zeitpunkt, höflich zu sprechen oder darauf zu achte, was wir sagen dürfen und was nicht. Jetzt ist es an der Zeit, klar und deutlich zu sprechen.
Die Lösung der Klimakrise ist die größte und komplexeste Herausforderung, vor die der Homo sapiens je gestellt war. Die Hauptlösung ist jedoch so simpel, dass selbst ein kleines Kind sie versteht. Wir müssen unsere Treibhausgasemissionen stoppen.
Und entweder tun wir das oder nicht.
Ihr sagt, nichts im Leben ist schwarz oder weiß.
Aber das ist eine Lüge. Eine sehr gefährliche Lüge.
Entweder wir verhindern eine Erderwärmung um 1,5 Grad, oder wir verhindern sie nicht.
Entweder wir verhindern, dass eine irreversible Kettenreaktion in Gang gesetzt wird, die sich menschlicher Kontrolle entzieht — oder wir verhindern es nicht.
Entweder wir entscheiden uns, als Zivilisation weiter zu existieren, oder wir tun es nicht.
Das ist so schwarz und weiß, wie es nur geht.
Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht.
Jetzt haben wir alle noch eine Wahl.
Wir können für verändernde Maßnahmen sorgen, die die Lebensbedingungen für zukünftige Generationen bewahren.
Oder wir können weitermachen wie bisher und scheitern.
Es liegt an Ihnen und mir.
Manche sagen, wir sollten keinen Aktivismus betreiben. Stattdessen sollten wir alles unseren Politikern überlassen und einfach bei Wahlen für einen Wandel stimmen. Aber was machen wir, wenn der politische Wille nicht da ist? Was machen wir, wenn die erforderliche Politik nirgendwo in Sicht ist?
Hier in Davos — wie überall sonst — reden alle über Geld. Es scheint, als sei Geld und Wachstum unsere einzige große Sorge.
Und da die Klimakrise kein einziges Mal als Krise behandelt wurde, sind sich die Menschen einfach nicht über die vollen Konsequenzen unseres Alltagslebens im Klaren. Die Menschen wissen nicht, dass es so etwas wie ein Kohlenstoffbudget gibt und wie unglaublich klein das verbleibende Kohlenstoffbudget ist. Und das muss sich heute ändern.
Keine andere heutige Herausforderung kann an die Bedeutung heranreichen, die es hat, ein breites öffentliches Bewusstsein und Verständnis für unser rapide schwindendes Kohlenstoffbudget zu schaffen, das muss unsere neue globale Währung und der eigentliche Kern unseres zukünftigen und gegenwärtigen Wirtschaftens werden.
Wir befinden uns jetzt an einem Punkt der Geschichte, an dem alle, die eine gewisse Einsicht in die Klimakrise haben, die unsere Zivilisation und die gesamte Biosphäre bedroht, sich zu Wort melden müssen.
In klaren Worten.
Egal, wie unbequem und unrentabel es sein mag. Wir müssen nahezu alles in unseren heutigen Gesellschaften verändern.
Je größer euer Kohlenstofffußabdruck ist, umso größer ist eure moralische Verpflichtung.
Je größer eure Plattform ist, umso größer ist eure Verantwortung.
Erwachsene sagen ständig: »Wir sind es den jungen Leuten schuldig, ihnen Hoffnung zu machen.«
Aber ich will eure Hoffnung nicht.
Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid.
Ich will, dass ihr in Panik geratet.
Ich will, dass ihr die gleiche Angst habt, die ich tagtäglich verspüre, und dann will ich, dass ihr handelt.
Ich will, dass ihr handelt, als befändet ihr euch in einer Krise.
Ich will, dass ihr handelt, als stünde euer Haus in Flammen.
Denn das ist der Fall.
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Beitrag auf Facebook am 2. Februar 2019 [@gretathunbergsweden]
Gretas Skolstrejk för Klimatee verbreitete sich viral sehr schnell über den ganzen Globus, und sie wurde binnen kürzester Zeit durch ihren Einsatz zu einer Ikone für den Klimaschutz, die ein breites Medien- und Öffentlichkeitsinteresse erfährt. Da sie nicht nur positive Zusprachen erhält, sondern oftmals auch mit heftiger Kritik konfrontiert wird, hat Greta im Februar 2019 einen vielbeachteten Text auf Facebook geteilt.
In letzter Zeit habe ich viele Gerüchte gehört, die über mich kursieren, und enorm viel Hass erlebt. Das überrascht mich nicht. Ich weiß, dass die meisten Menschen sich der vollen Bedeutung der Klimakrise nicht bewusst sind (was verständlich ist, da sie nie als Krise behandelt wird) und dass ein Schulstreik für das Klima den Leuten daher generell seltsam erscheint. Deshalb möchte ich einiges über meinen Schulstreik klarstellen.
Im Mai 2018 gehörte ich zu den Gewinnerinnen eines Schreibwettbewerbs über die Umwelt, den die schwedische Tageszeitung Svenska Dagbladet veranstaltet hatte. Mein Artikel wurde veröffentlicht, und einige Leute nahmen mit mir Kontakt auf, darunter Bo Thoren von Fossil Free Dalsland. Er hatte eine Art Gruppe von vor allem jungen Leuten gebildet, die etwas gegen die Klimakrise unternehmen wollten.
Ich nahm an ein paar Telefonkriferenzen mit anderen Aktivisten teil. Der Zweck war, Ideen für neue Projekte zu entwickeln, die auf die Klimakrise aufmerksam machen sollten. Bo hatte ein paar Ideen, was wir machen könnten. Alles von Demonstrationen bis hin zu einer vagen Vorstellung von einer Art Schulstreik (die Idee war, dass Schüler etwas auf dem Schulhof oder in den Klassenzimmern machen würden). Diese Idee war inspiriert von den Schülern in Parkland, die sich nach den Schulschießereien geweigert hatten, in die Schule zu gehen.
Mir gefiel die Idee eines Schulstreiks. Also entwickelte ich sie weiter und versuchte, andere Jugendliche zu bewegen, sich mir anzuschließen, aber niemand war wirklich daran interessiert. Sie fanden, eine schwedische Version des Zero-Hour-Marchs hätte größere Wirkung. Also plante ich den Schulstreik ganz allein und nahm danach an keinen Konferenzen mehr teil.
Als ich meinen Eltern von meinen Plänen erzählte, waren sie davon nicht angetan. Sie hielten nichts von der Idee eines Schulstreiks und sagten, wenn ich das machen wollte, müsste ich es ganz allein und ohne ihre Unterstützung tun.
Am 20. August setzte ich mich vor das schwedische Parlament. Ich verteilte Flugblätter mit einer langen Liste von Fakten über die Klimakrise und mit Erklärungen, warum ich streikte. Das Erste, was ich tat, war, auf Twitter und Instagram zu posten, was ich machte, und das verbreitete sich sehr schnell viral. Dann kamen Journalisten und Zeitungen. Ingmar Rentzhog, ein schwedischer Unternehmer und Geschäftsmann, der in der Klimabewegung aktiv ist, war einer der Ersten, die kamen. Er sprach mit mir und machte Fotos, die er auf Facebook postete. Ich hatte nie zuvor mit ihm gesprochen und war ihm noch nie begegnet.
Viele Leute verbreiten gern Gerüchte und behaupten, ich hätte Leute »hinter mir« oder ich würde für das, was ich tue, »bezahlt« oder »benutzt«. Aber es steht niemand »hinter« mir, außer ich selbst. Meine Eltern waren so weit davon entfernt, Klimaaktivisten zu sein, wie es nur möglich ist, bis ich ihnen die Situation bewusstmachte.
Ich gehöre keiner Organisation an. Manchmal werde ich von einigen NGOs, die sich mit Klima und Umwelt beschäftigen, unterstützt und arbeite mit ihnen zusammen. Aber ich bin völlig unabhängig und stehe nur für mich selbst. Und ich tue das, was ich tue, umsonst, ich habe kein Geld und kein Versprechen auf zukünftige Zahlungen in irgendeiner Form be-kommen. Noch hat irgendjemand, der mit mir oder meiner Familie in Verbindung steht, dies getan.
Selbstverständlich wird es auch so bleiben. Ich habe keinen einzigen Klimaaktivisten getroffen, der für Geld für das Klima kämpft. Diese Vorstellung ist völlig absurd.
Außerdem reise ich nur mit Genehmigung meiner Schule, und meine Eltern übernehmen alle Reisekosten.
Meine Familie hat gemeinsam ein Buch über unsere Familie geschrieben und darüber, wie meine Schwester Beata und ich die Vorstellungen und die Sicht meiner Eltern zur Welt und vor allem zum Klima beeinflusst haben. Und über unsere Diagnosen. Dieses Buch sollte im Mai 2018 erscheinen. Weil es aber erhebliche Unstimmigkeiten mit dem Verlag gab, wechselten wir schließlich zu einem anderen Verlag, und daher erschien das Buch erst im August 2018.
Vor Erscheinen des Buches machten meine Eltern klar, dass eventuelle Gewinne aus dem Verkauf des Buches Scener ur hjärtat (dt.: Szenen aus dem Herzen — Unser Leben für das Klima) an acht gemeinnützige Organisationen gehen werden, die sich für die Umwelt, für Kinder mit der gleichen Krankheitsdiagnose, wie ich sie habe, und für Tierrechte einsetzen.
Und ja: Ich schreibe meine Reden selbst. Aber da ich weiß, dass das, was ich sage, viele, viele Menschen erreicht, bitte ich oft um Anregungen. Ich kenne auch einige Wissenschaftler, die ich häufig um Rat frage, wie ich bestimmte komplizierte Dinge ausdrücken kann. Ich möchte, dass alles völlig korrekt ist, damit ich keine falschen Behauptungen oder etwas, was missverstanden werden könnte, verbreite.
Manche machen sich über meine Diagnose lustig. Aber das Asperger-Syndrom ist keine Krankheit, es ist eine Gabe. Leute sagen auch, weil ich Asperger habe, könnte ich mich unmöglich selbst in die Situation großer Aufmerksamkeit gebracht haben. Aber gerade deshalb habe ich es getan. Denn wäre ich »normal« und sozial umgänglich, hätte ich mich einer Organisation angeschlossen oder selbst eine Organisation gegründet. Da ich aber nicht so gut im Umgang mit anderen Menschen bin, machte ich stattdessen dies hier. Ich war so frustriert, dass nichts gegen die Klimakrise unternommen wird, und hatte das Gefühl, dass ich etwas, irgendetwas, tun müsse. Und NICHTS zu tun — wie sich einfach vor das Parlamentsgebäude zu setzen — spricht manchmal lauter, als etwas zu tun. So wie ein Flüstern manchmal lauter ist als ein Schreien.
Dann gibt es noch die Kritik, ich »klinge und schreibe wie eine Erwachsene«. Darauf kann ich nur sagen: Glaubt ihr nicht, dass eine Sechzehnjährige für sich selbst sprechen kann? Es gibt auch Leute, die behaupten, ich vereinfache die Dinge zu stark. Zum Beispiel wenn ich sage: »Die Klimakrise ist eine Frage von schwarz und weiß«; »wir müssen die Treibhausgasemissionen stoppen« oder »ich will, dass ihr in Panik geratet«. Aber ich sage das nur, weil es wahr ist. Ja, die Klimakrise ist das komplexeste Problem, mit dem wir je konfrontiert waren, und es wird von uns alles erfordern, sie »zu stoppen«. Aber die Lösung ist schwarz und weiß: Wir müssen die Treibhausgasemissionen stoppen.
Denn entweder begrenzen wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau oder nicht. Entweder wir kommen an einen Kipppunkt, an dem eine Kettenreaktion von Ereignissen einsetzt, die weit jenseits menschlicher Kontrolle liegen, oder nicht. Entweder wir existieren als Zivilisation weiter oder nicht. Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht.
Und wenn ich sage, dass ich will, dass ihr in Panik geratet, dann meine ich, dass wir die Krise als Krise behandeln müssen. Wenn euer Haus in Flammen steht, setzt ihr euch nicht hin und redet darüber, wie schön ihr es wieder aufbauen könnt, wenn ihr das Feuer erst einmal gelöscht habt. Wenn euer Haus in Flammen steht, lauft ihr hinaus und sorgt dafür, dass alle draußen sind, während ihr die Feuerwehr ruft. Das erfordert ein gewisses Maß an Panik.
Es gibt noch ein weiteres Argument, an dem ich nichts ändern kann. Und das ist die Tatsache, dass ich »nur ein Kind bin und wir nicht auf Kinder hören sollten«. Aber das lässt sich leicht ändern: Fangt einfach an, auf die grundsolide Wissenschaft zu hören. Denn wenn alle auf die Wissenschaftler und die Fakten hören würden, auf die ich ständig hinweise, dann müsste niemand mir zuhören oder den anderen Hunderttausenden Schülern, die auf der ganzen Welt für das Klima in den Schulstreik treten. Dann könnten wir alle wieder in die Schule gehen. Ich bin nur eine Botin, und trotzdem bekomme ich diesen ganzen Hass ab. Ich sage nichts Neues, ich sage nur, was Wissenschaftler seit Jahrzehnten gesagt haben. Und ich gebe euch recht: Ich bin zu jung dazu. Wir Kinder sollten das nicht tun müssen. Aber weil fast niemand etwas unternimmt und unsere Zukunft auf dem Spiel steht, haben wir das Gefühl, dass wir weitermachen müssen.
Wenn ihr noch weitere Bedenken oder Zweifel an mir habt, könnt ihr euch meinen TEDx-Talk anhören, in dem ich darüber spreche, wie mein Interesse an Klima und Umwelt angefangen hat.
Ich danke euch allen für eure Unterstützung! Sie macht mir Hoffnung.
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Rede vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU in Brüssel am 21. Februar 2019
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat seinen Sitz in Brüssel und ist eine beratende Einrichtung der EU. Er legt dein Rat der Europäischen Union, der Europäischen Kommission und dein Europäischen Parlament Stellungnahmen zu aktuellen Themen vor und dient so als vermittelnde Instanz zwischen den Entscheidungsorganen der EU und ihren Bürgerinnen und Bürgern. Bei einer Konferenz des Ausschusses im Februar 2019 traf Greta auf den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und hielt die folgende Rede für den Klimaschutz.
Mein Name ist Greta Thunberg. Ich bin eine Klimaaktivistin aus Schweden. Und das sind Anuna De Wever, Adeleide Charlier, Kyra Gantois, Gilles Vandaele, Dries Cornelissen, Toon Lambrecht und Luisa Neubauer.
Zehntausende Kinder sind auf den Straßen Brüssels im Schulstreik. Hunderttausende auf der ganzen Welt tun das Gleiche. Wir sind im Schulstreik, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Acht von uns sind heute hier.
Leute sagen uns immer, sie seien voller Hoffnung. Sie sind voller Hoffnung, dass junge Leute die Welt retten werden. Aber wir sind es nicht. Es ist einfach nicht genug Zeit, zu warten, dass wir erwachsen werden und diejenigen sind, di, das Sagen haben. Denn bis zum Jahr 2020 müssen wir die Emissionskurve steil nach unten gesenkt haben. Das ist in nächsten Jahr.
Wir wissen, dass die meisten Politiker nicht mit uns sprechen wollen. Gut, wir wollen auch nicht mit ihnen reden. Wir wollen lieber mit den Wissenschaftlern reden, auf sie hören Denn wir wiederholen nur, was sie sagen und seit Jahrzehnten gesagt haben. Wir wollen, dass Sie sich an das Pariser Klimaschutzabkommen und den Bericht des Weltklimarates halten. Wir haben keine anderen Programme oder Forderungen: Stellen Sie sich einfach hinter die Wissenschaft. Das is unsere Forderung.
Viele Politiker, die über den Schulstreik für das Klima reden über fast alles andere außer über die Klimakrise. Viele versuchen, die Schulstreiks zu einer Frage zu machen, ob wir Schulschwänzen fördern oder ob wir in der Schule sein sollten oder nicht. Sie erfinden alle möglichen Verschwörungen und bezeichnen uns als Marionetten, die nicht selbst denken können. Sie versuchen verzweifelt, den Fokus vor der Klimakrise wegzulenken und das Thema zu wechseln Sie wollen nicht darüber reden, weil sie wissen, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen können. Denn sie wissen, dass sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Aber wir haben sie gemacht.
Wenn Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden Sie erkennen, dass wir eine neue Politik brauchen. Wir brauchen eine neue Wirtschaft, in der alles auf unserem - rapide schwindenden und extrem begrenzten verbleibenden Kohlenstoffbudget basiert. Aber das reicht nicht. Wir brauchen eine völlig neue Denkweise. In dem politischen System, das Sie geschaffen haben, dreht sich alles um Wettbewerb. Sie betrügen, wenn Sie können, weil gewinnen und Macht erhalten alles ist, was zählt. Das muss aufhören. Wir müssen aufhören, miteinander zu konkurrieren. Wir müssen anfangen, zu kooperieren und die verbleibenden Ressourcen dieses Planeten fair zu teilen. Wir müssen anfangen, innerhalb der Grenzen des Planeten zu leben, uns auf Gerechtigkeit zu konzentrieren und zum Wohle aller lebenden Spezies ein paar Schritte zurück zu machen. Wir müssen die Biosphäre schützen. Die Luft. Die Meere. Die Wälder. Den Boden. Das mag sehr naiv klingen. Aber wenn Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden Sie wissen, dass wir keine andere Wahl haben. Wir müssen unser gesamtes Sein auf den Klimawandel konzentrieren. Denn wenn wir das nicht tun, waren all unsere Errungenschaften und Fortschritte vergebens, und alles, was vom Vermächtnis unserer politischen Führungen übrig bleibt, wird das größte Versagen der Menschheitsgeschichte sein. Und sie werden als die größten Schurken aller Zeiten in Erinnerung bleiben, weil sie beschlossen haben, nicht zuzuhören und nicht zu handeln. Aber das muss nicht sein. Noch ist es Zeit.
Laut dem Bericht des Weltklimarates sind wir noch elf Jahre von einem Punkt entfernt, an dem wir eine irreversible Kettenreaktion in Gang setzen, die sich jeglicher menschlichen Kontrolle entzieht. Um das zu verhindern, müssen kommenden Jahrzehnt beispiellose Veränderungen in allen Aspekten der Gesellschaft erfolgen — einschließlich einer Reduzierung unserer CO2-Emissionen um mindestens fünf Prozent bis 2030.
Wohlgemerkt: Diese Zahlen beinhalten noch nicht den Aspekt der Klimagerechtigkeit, die unbedingt notwendig damit das Pariser Klimaschutzabkommen weltweit wirkt. Sie beinhalten auch noch nicht Kipppunkte oder Rückkoppelungsschleifen wie die extrem hohe Freisetzung von Methangas durch das Tauen der arktischen Permafrostgebiete. Allerdings beinhalten sie negative Emissionstechniken in große weltweitem Maßstab, die es erst noch zu entwickeln gilt. Und viele Wissenschaftler fürchten, dass sie niemals rechtzeitig fertig werden und ohnehin in der angenommenen Größenordnung unmöglich umzusetzen sind.
Man hat uns gesagt, die EU habe vor, ihre Zielvorgabe für Emissionsreduzierung zu verbessern. Nach der neuen Vorgabe schlägt die EU vor, ihre klimaschädlichen Emission bis 2030 auf 45 Prozent unter den Stand von 1990 zu senken. Manche sagen, das sei gut oder ambitioniert.
Aber diese neue Zielvorgabe reicht nicht aus, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Dieses Ziel reicht nicht, um die Zukunft der Kinder, die heute aufwachsen, zu sichern. Wenn die EU einen fairen Beitrag dazu leisten will, innerhalb des Kohlenstoffbudgets für die Zwei-Grad-Grenze zu bleiben, dann ist eine Reduzierung um mindestens achtzig Prozent bis 2030 notwendig — und das schließt Luftfahrt und Schifffahrt ein. Das ist also annähernd doppelt so ambitioniert wie der gegenwärtige Vorschlag. Die erforderlichen Maßnahmen liegen jenseits irgendeines Manifests oder einer Parteipolitik.
Wieder einmal kehren Sie ihre Probleme unter den Teppich, und unsere Generation soll sich um sie kümmern und sie lösen.
Manche sagen, wir kämpfen für unsere Zukunft, aber das stimmt nicht. Wir kämpfen nicht für unsere Zukunft. Wir kämpfen für die Zukunft aller. Und wenn Sie finden, wir sollten lieber in die Schule gehen, dann schlagen wir vor, dass Sie unseren Platz auf der Straße einnehmen und in Ihrer Arbeit streiken. Oder noch besser: Schließen Sie sich uns an, damit wir den Prozess beschleunigen können.
Es tut mir leid, aber zu behaupten, alles würde gut, und weiterhin nichts zu tun, macht uns einfach keine Hoffnung. Es ist sogar das Gegenteil von Hoffnung. Aber genau das machen Sie. Sie dürfen nicht einfach nur dasitzen und darauf warten, dass sich Hoffnung einstellt. Dann verhalten Sie sich wie verwöhnte, verantwortungslose Kinder. Sie scheinen nicht zu begreifen, dass Hoffnung etwas ist, was man sich verdienen muss. Und wenn Sie immer noch behaupten, wir würden »wertvolle Unterrichtszeit vergeuden«, dann lassen Sie mich daran erinnern, dass unsere führenden Politiker durch Verleugnung und Untätigkeit Jahrzehnte vergeudet haben. Und da uns die Zeit ausgeht, haben wir beschlossen, aktiv zu werden. Wir haben angefangen, Ihren Mist aufzuräumen. Und wir werden nicht aufhören, bis wir damit fertig sind.
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Dankesrede zur Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin am 30. März 2019
Am 30. März 2019 wurde Greta mit der Goldenen Kamera in der eigens für sie kreierten Kategorie Klimaschutz ausgezeichnet. Der Fernsehpreis Goldene Kamera wird veranstaltet von der Funke Mediengruppe. Die Verleihungszeremonie fand in Berlin statt und wurde live im deutschen Fernsehen übertragen. Die Laudatio hielt der Komiker und Schauspieler Michael »Bully « Herbig.
Wir leben in einer seltsamen Welt, in der die gesamten Wissenschaften uns sagen, dass wir noch etwa elf Jahre von dem Punkt entfernt sind, an dem eine irreversible Kettenreaktion in Gang gesetzt wird, die sich jeglicher menschlichen Kontrolle entzieht und die wahrscheinlich das Ende unserer Zivilisation, wie wir sie kennen, bedeuten wird.
Wir leben in einer seltsamen Welt, in der Kinder ihre eigene Bildung opfern müssen, um gegen die Zerstörung ihrer Zukunft zu protestieren.
In der Menschen, die am wenigsten zu dieser Krise beigetragen haben, am stärksten davon betroffen sein werden.
In der Politiker behaupten, es sei zu teuer, die Welt zu retten, aber fossile Energieträger mit Billiarden Euro subventionieren.
Wir leben in einer seltsamen Welt, in der niemand den Blick über unser gegenwärtiges politisches System hinaus zu richten wagt, obwohl klar ist, dass die Antworten, nach denen wir suchen, in der heutigen Politik nicht zu finden sind.
In der manche sich offenbar mehr Sorgen um die Anwesenheit einiger Kinder in der Schule machen als um die Zukunft der Menschheit.
In der jeder sich seine eigene Realität aussuchen und seine eigene Wahrheit kaufen kann.
In der unser Überleben von einem kleinen, schnell schwindenden Kohlenstoffbudget abhängt und kaum jemand auch nur weiß, dass es so etwas gibt.
Wir leben in einer seltsamen Welt, in der wir glauben, wir könnten uns einen Ausweg aus einer Krise bauen oder kaufen, einer Krise, die gerade daraus entstanden ist, dass wir Dinge bauen und kaufen.
In der ein Fußballspiel oder eine Filmgala mehr Medienaufmerksamkeit bekommt als die größte Krise, mit der die Menschheit je konfrontiert war.
In der Prominente, Film- und Popstars, die gegen alle möglichen Ungerechtigkeiten aufgestanden sind, nicht für unsere Umwelt und für Klimagerechtigkeit aufstehen, weil das ihr Recht beeinträchtigen würde, um die Welt zu fliegen, um ihre Lieblingsrestaurants, ihre Lieblingsstrände und Lieblingsyogaseminare zu besuchen.
Einen katastrophalen Zusammenbruch des Klimas zu verhindern heißt, das, scheinbar Unmögliche zu schaffen. Und genau das müssen wir tun.
Aber das ist die Wahrheit: Ohne euch hier im Publikum schaffen wir das nicht.
Die Leute sehen euch Prominente als Götter. Ihr habt Einfluss auf Milliarden von Menschen. Wir brauchen euch.
Ihr könnt eure Stimme nutzen, um das Bewusstsein für diese globale Krise zu schärfen. Ihr könnt helfen, aus Einzelnen eine Bewegung zu machen. Ihr könnt uns helfen, unsere Politiker wachzurütteln — und ihnen klarzumachen, dass unser Haus in Flammen steht.
Wir leben in einer seltsamen Welt.
Aber das ist die Welt, die meiner Generation nun bleibt.
Es ist die einzige Welt, die wir haben.
Wir stehen jetzt an einem Scheideweg unserer Geschichte.
Wir sind im Begriff zu scheitern.
Aber noch sind wir nicht gescheitert.
Noch ist es Zeit, das zu ändern.
Es liegt an uns.
***Greta Thunbergs Rede auf der "Brilliant Minds" Konferenz in Stockholm am 13. Juni 2019***
Es geht um Gerechtigkeit und die ungleich größere Verantwortung, die wir wohlhabenden Menschen des industrialisierten Westens haben. Das Schlimmste wäre, wenn wir so täten, als ob unser extremer Lebensstil normal wäre. Der Großteil der Weltbevölkerung lebt bereits jetzt innerhalb der planetaren Grenzen. Es ist eine Minderheit, die es nicht tun - und das sind wir. Wir müssen es wagen, unbequem zu sein!
Mein Name ist Greta Thunberg und ich bin ein Klimaaktivist. Um das Jahr 2030 werden wir uns in einer Situation befinden, in der wir wahrscheinlich eine unumkehrbare Kettenreaktion in Gang setzen, die sehr wahrscheinlich zum Ende der Zivilisation führen wird, wie wir sie kennen - jenseits jeder menschlichen Kontrolle.
Es sei denn, dass in diesem Zeitraum dauerhafte und beispiellose Veränderungen in allen Aspekten der industrialisierten Gesellschaft stattgefunden haben – einschliesslich einer Reduktion unserer CO₂-Emissionen von mindestens 50 Prozent. Und bitte berücksichtigen Sie, dass diese Berechnungen auf Erfindungen beruhen, die bislang in dem vorgesehen Umfang noch nicht entwickelt wurden. Des weiteren beinhalten diese wissenschaftlichen Berechnungen nicht die meisten der unvorhersehbaren Kipp-Punkte und Feedback-Schleifen. Auch beinhalten diese Berechnungen nicht durch giftige Luftverschmutzung kaschierte bereits eingeschlossene Wärmemengen. Ebensowenig den Aspekt der Gerechtigkeit – der eine absolute Notwendigkeit darstellt, damit das Pariser Abkommen in einem globalen Maßstab funktionieren kann.
Und diese Berechnungen sind keine Meinungen oder wilde Schätzungen. Diese Projektionen der IPCC werden von wissenschaftlichen Fakten gestützt. Wenn wir also unter der 1,5-Grad-Grenze bleiben wollen, was nach den Gesetzen der Physik noch immer möglich ist, müssen wir nahezu alles verändern.
Wir müssen beginnen, unser Leben innerhalb der planetaren Grenzen auszurichten. Das wird ein drastischer Wandel für Viele sein – doch nicht für die Meisten. Denn der Großteil der Weltbevölkerung lebt bereits heute innerhalb der planetaren Grenzen. Es ist eine Minderheit, die es nicht tun.
Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung verursachen ungefähr die Hälfte unserer Emissionen an Treibhausgasen. Die reichsten 1 Prozent emittieren mehr, als die ärmsten 50 Prozent. Und hier geht es nicht darum, Armut zu glorifizieren! Hier geht es um physikalische Gesetze und die verbleibende Menge an Treibhausgasen, die wir gemäß des Pariser Abkommens noch in die Atmosphäre emittieren können.
Es sind nicht die Menschen in Ländern wie Mosambik, Bangladesh oder Kolumbien, die die meiste Verantwortung für diese Krise tragen. Es geht zumeist genau um Menschen wie Sie hier im Publikum – Unternehmer, Personen des öffentlichen Lebens, Politiker, Wirtschaftsbosse. Menschen, die eine Menge Macht haben. Menschen, die enorme Mengen an Zeug konsumieren, die oftmals um die Welt fliegen, zum Teil in Privatjets. Ihre individuellen CO₂-Fussabdrücke entsprechen in einigen Fällen denen ganzer Dörfer. Doch ich denke, das Schlimmste daran ist, dass Sie so tun, als ob dieser extreme Lebensstil normal wäre - denn die Menschen schauen zu Ihnen auf. Ihr seid die Leitbilder, ihr setzt die Standards, die Menschen streben danach, so zu sein wie ihr!
Rund 100 Firmen emittieren ungefähr 71% unserer gesamten CO₂-Emissionen.
Und ja, ich weiß: Wir brauchen einen Systemwechsel, eher als einen individuellen Wandel. Doch es gibt das eine nicht ohne das andere!
Wenn wir die Geschichte betrachten, sehen wir, dass alle großen gesellschaftlichen Veränderungen von Menschen auf der Graswurzelebene begonnen wurden. Kein Systemwechsel greift Raum ohne den Druck großer Gruppen von Individuen.
Und nein, ich gebe dir nicht die Schuld. Du handelst nicht so, weil du dumm bist. Du ruinierst die Biosphäre und die zukünftigen Lebensgrundlagen aller Lebewesen nicht, weil du böse bist. Zumindest hoffe ich das. Ich weiß, dass nahezu jeder von euch einfach uninformiert ist – so wie der Rest der Weltbevölkerung.
Ich weiß, dass ihr hier im Publikum nicht hierher gereist seid, um einem 16-jährigen Mädchen zuzuschauen, das seltsame und unbequeme Dinge sagt.
Aber wisst ihr was? Wir müssen es wagen, unbequem zu sein!
Wir müssen mutig genug sein, Dinge zu sagen und zu tun, die weder unseren Gewinn noch unsere Beliebtheit steigern, denn sonst haben wir nicht die geringste Chance. Wir brauchen unkonventionelle Gedanken und Ideen, anerkennend, dass wir so lange nicht all die Lösungen für die Klimakrise und die ökologische Krise haben, wie wir nicht damit aufhören, bestimmte Dinge zu tun.
Wir müssen akzeptieren, dass Märkte und neue Technologien nicht alles für uns lösen werden. Wir müssen unser gemeinsames Scheitern zugeben. Und dann müssen wir handeln, solange es noch möglich ist.
Bei Treffen wie diesen liebt ihr es, neuen Ideen und Erfindungen von Unternehmern zuzuhören. Doch wenn es um die Klimakrise geht, ist die Zeit für solch neue magische Erfinden lange vorbei.
Obwohl wir ganz sicher jedes Bisschen neuer sauberer Technik willkommen heissen sollten, können wir nicht länger an der Tatsache vorbeischauen, dass wir auch unser Verhalten ändern müssen - und einige von uns mehr als andere.
Das Thema der diesjährigen „Brilliant Mind“ Konferenz ist der „Flexibilitäts-Quotient“. Es ist, wie es die Organisatoren nennen, eine „Symphonie des Denkens des Großen Ganzen“.
Also – hier ist etwas „Denken des Großen Ganzen“ für euch: Wenn du regelmässig rund um die Welt fliegst, Fleisch und Molkereiprodukte isst und einen CO₂-reichen Lebensstil lebst, heisst das, dass du zahllose verbleibende Carbon-Budgets anderer Menschen aufgebraucht hast. CO₂-Budget, die sie und die ihnen folgenden Generationen in ihrem täglichen Leben so notwendig brauchen!
Und als ob das nicht genug wäre: Jene, deren CO₂-Budgets wir stehlen, sind am wenigsten verantwortlich für diese Krise und doch am meisten beeinträchtigt.
Alle und alles müssen sich ändern. Doch je größer dein Wohlstandsplateu, um so größer ist deine Verantwortung. Je größer dein CO₂-Fussabdruck, um so größer deine moralische Verpflichtung.
Um die anstehenden Veränderungen zu bewirken, braucht es Vorbilder und Führungspersönlichkeiten. Menschen wie Sie. Ich bin sicher, dass die meisten von Ihnen, die hier sitzen, den Mut, die Weisheit und den gesunden Menschenverstand haben, einige Schritte zurückzutreten, um das große Bild zu sehen und die notwendigen Entbehrungen auf sich zu nehmen, um zu den Anführern zu werden, die wir so dringend benötigen.
Die Frage ist: Werden Sie das rechtzeitig tun? Die kommenden Generationen zählen auf Sie. Enttäuschen Sie uns nicht.
Danke.
ENDE (64 Seiten + Br. Minds)