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LUTHER DEUTSCH 141-158

2017. december 31. 07:32 - RózsaSá

den H lz- und Kupferstichen kursieren massenhaft unter den Leuten

wie eiligenbildchen. Mit dem Erfolg, dass Luther bald auch wie ein

Heiliger verehrt wird. Heute würde man sagen: wie ein Popstar.

Diesem Zweck dienen auch die Doppelbildnisse von Katharina

und Martin Luther, die in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren

entstehen, gleich bei ihrer Skandalhochzeit 1525 fängt Cranach mit

dem Porträtieren an und malt das so ungewöhnliche wie provokante

142 Paar aus Ex-Mönch und Ex-Nonne systematisch hof- und gesell-

schaftsfähig: Wer so bürgerlich-stolz repräsentiert, dem können die

bösen Nachreden nicht mehr allzu viel anhaben, den muss man ernst

nehmen. So ernst, wie Luther die Ehe nimmt und als gottgewollt ge-

gen den Zölibat verteidigt.

Dank Luther, Cranach und einigen anderen Zeitgenossen wissen

wir Etliches über die Zeit Katharinas an der Seite ihres Mannes, dafür

aber fast nichts über die Zeit davor. Halten wir uns also an das wenige,

das verbürgt ist: Katharina wird 1499 geboren, am 29. Januar, auf ei-

nem Gut in der Nähe von Leipzig, wo genau lässt sich nicht sagen, weil

die adeligen Sippen beider Eltern weitverbreitet sind im sächsischen

Raum. Ihr Vater ist Hans von Bora, ihre Mutter eine geborene von

Haubitz oder Haugwitz. Sie stirbt, als Katharina erst fünf Jahre alt ist.

Damit ist ihre Zeit im Elternhaus vorbei. Der Vater gibt die Kleine

als ››K0stkind« zu den Benediktinerinnen nach Brehna. Das ist zwar

sehr früh, aber nicht unüblich. Die Klöster sind voll von Töchtern aus

verarmten adeligen Häusern, die es sich nicht leisten können oder

wollen, alle Kinder selbst großzuziehen, auszubilden und sich spä-

ter um deren Verheiratung zu kümmern und eine ordentliche Mitgift

aufzubringen.

Für die Frauen ist das nicht einmal das Schlechteste, denn mag

das Leben im Kloster auch karg und nach rigiden Regeln geordnet

sein, so eröffnet es ihnen doch auch Chancen, die anderen Frauen

ihrer Zeit vorenthalten bleiben. Nonnen lernen nicht nur Rechnen,

Lesen und Schreiben, sondern arbeiten auch in den Klostergärten,

sind in der Kräuterkunde bewandert und wissen, welches Kraut ge-

gen Kopfweh und' welches bei Magenverstimmung hilft. Vor allem

aber verfügen sie über gerade so viel Latein, dass sie am geistigen

Leben ihrer Zeit teilnehmen können.

Ein Jahr nach dem Tod von Katharinas Mutter heiratet der Vater

Hans von Bora wieder. Für Katharinas weiteres Leben spielt es keine

Rolle mehr. Ihre drei Brüder übernehmen die beiden F amiliengüter,

können sie aber nicht halten, denn die Familie verarmt zusehends.

Eine Erfahrung, die sich Katharina tief einprägt: Sie wird in der Ehe

mit Luther diejenige sein, die das Geld nicht nur durch kluges Wirt-

schaften zusammenhält, sondern auch selbst für ein Familienein-

kommen sorgt, indem sie später im Schwarzen Kloster zu Wittenberg

Zimmer an Studenten vermietet. Außerdem kauft sie, gegen Luthers

Willen, ständig Land hinzu, um Gemüse und Obst für den immen-

sen Bedarf der großen Hausgemeinschaft anzubauen. Und wohl in

Gedanken an eine mögliche Zukunft nach Luthers Tod wird sie - um

wirtschaftlich' unabhängiger zu sein - später sogar die beiden verlo-

renen Landgüter ihrer Eltern in Zülsdorf und Wachsdorf wieder zu-

rückkaufen.

Mit neun oder zehn Jahren wechselt Katharina in das Zisterzien-

serinnenkloster Marienthron in Nimbschen, wo eine Verwandte ih-

rer verstorbenen Mutter als Äbtissin dient. Auch eine Schwester ihres

Vaters, die geliebte Muhme Lene, lebt dort, das wird es ihr leichter

machen, sich an die fremde neue Umgebung zu gewöhnen. In Nimb-

schen aber ist sie kein Kostkind mehr, sondern wird für den geistli-

chen Stand ausgebildet: Katharina soll Nonne werden. Sie liest und

schreibt und singt schon die liturgischen Gebete auf Latein, kennt

sich aus mit allen Heiligen, sie stickt und gärtnert. Aus den Annalen

des Klosters geht hervor, dass sie in Marienthron zusammen mit acht

anderen adeligen Klosterschülerinnen aus der näheren Umgebung

lebt, alle entstammen dem sächsischen Adel.

Auf diese Herkunft seiner Frau wird Martin Luther später so stolz

sein, dass er sie nicht nur Katharina Luther nennt, sondern fast im-

merl auch bei ihrem Geburtsnamen Katharina von Bora. Wie sehr

er sjeine kluge und durchsetzungsstarke Frau aber tatsächlich res-

pekliert, erkennt man auch an der witzigen und liebevollen Anrede

»I-Iirr Käthe« _ so nennt er Katharina, oder »Dominus Ketha«. In sei-

nen Briefen, zum Beispiel am 4. Oktober 1529, schreibt er sie so an:

›`›Meinem freundlichen, lieben Herrn Katharina Lutherin, Doktorin,

Predigerin zu Wittenberg. Gnad und Friede in Christo! Lieber Herr

Käthel« Ein andermal, am 16. Juli 1540, beginnt er, auf ihren Kauf

144 von Gut Zülsdorf anspielend, so: »Meiner gnädigen Jungfer Katherin

Lutherin von Bora und Zülsdorf zu Wittenberg, meinem Liebchen«

und den nächsten Brief, zehn Tage später, widmet er ››Der reichen

Frau zu Zülsdorf, Frau Doktorin Katherin Lutherin, zu Wittenberg

leiblich wohnhaft und zu Zülsdorf geistlich wandelnd, meinem Lieb-

chen, zu Händen.<<51

Was lässt sich nicht allein aus dieser Anrede herauslesen: Liebe-

voll und ein bisschen ironisch geht er mit ihr um, vor allem was ihren

Geschäftssinn als ››reiche<< Besitzerin eines eigenen Gutes außerhalb

von Wittenberg angeht; die Anerkennung ihrer Klugheit steckt in der

››Doktorin«, und nicht zuletzt das ››Liebchen« zeigt, wie zärtlich sich

dieser oft auch grobe Mann seiner Katharina gegenüber ausdrücken

kann. Es wird ihr gefallen, so originell adressiert zu werden!

Aber noch ist sie im Kloster, bereitet sich 15-jährig auf ihr Novizi-

at vor, die einjährige Ausbildung und Vorbereitung auf die Heirat mit

Jesus Christus, wie man den endgültigen Klostereintritt von Frauen

auch nennt. Es ist der frühestmögliche Zeitpunkt, Nonne zu werden.

Nutzt Katharina die Jahresfrist, die ihr zur Selbstprüfung gegeben ist,

ob der eingeschlagene Weg der richtige ist- wir wissen es nicht. Von

Zweifeln ist jedenfalls nichts überliefert. Und wie sollte sie sich auch

prüfen - sie kennt ja nichts anderes als das Klosterleben, kann sich

ein anderes Leben zu diesem Zeitpunkt sicher kaum vorstellen. Als

Alternative käme nur eine standesgemäße Heirat in Betracht, die aber

scheidet für eine so mittellose Nonne, wie sie es ist, aus. ~

Und so legt Katharina am 8. Oktober 1515 die drei Gelübde Armut,

Keuschheit und Gehorsam ab und gehört nun zum geistlichen Stand

der Nonnen. Ab jetzt trägt sie die weiße Kutte der Zisterzienserinnen

und den schwarzen Schleier über dem nun kurz geschorenen Haar.

Sie isst nur zwei Mal am Tag, fastet an zwei Tagen der Woche, singt und

betet in den Gottesdiensten mehrmals am Tag, von früh vor Sonnen-

aufgang bis nach Mitternacht. Miteinander zu sprechen ist den Non-

nen in der Kirche, im Esssaal und in den Schlafzellen verboten, lautes

Lachen erst recht. So sind die Regeln, alle Nonnen leben danach.

Aber bei der Arbeit können sie sich austauschen, von Ausflügen

in die Umgebung wird berichtet und von Besuchern, die ins Kloster

kommen. Katharina und ihre Mitschwestern leben jedenfalls nicht

so abgeschieden, dass sie nicht mitbekämen, was sich »draußen im

Land« so tut.

Acht Jahre wird sich Katharina an ihre Gelübde gebunden

len, danach bricht sie konsequent und dauerhaft mit allen dreien. Mit

dem Gehorsam zuerst, und ihr weiteres Leben bestätigt sie in der

Erfahrung, dass sie gut damit fährt, ihren eigenen Kopf einzusetzen.

Den Ungehorsam wird sie beibehalten, auch als spätere Ehefrau, zum

Leidwesen Martin Luthers: »Wenn ich noch mal freien sollte, wollt

ich mir ein gehorsam Weib aus einem Stein hauen, denn ich bin ver-

zweifelt an aller Weiber Gehorsam<<52, klagt er einmal, abet' Sehr emst

klingt es nicht.

Nein, ein gehorsames Weib ist Katharina sicher nicht, sonst näh-

me ihr Leben jetzt nicht den abenteuerlichen Verlauf, der nun be-

ginnt. Ein gehorsames Weib - und erst recht eine Nonne - lässt sich

nicht von irgendwelchen Revoluzzerideen infizieren und entschließt

sich dann auch noch davonzulaufen, in ein ihr völlig unbekanntes

Schicksal jenseits der Klostermauern. Diese Flucht macht sie be-

rühmt, und als entlaufene Nonne, die den gleichfalls entlaufenen

Mönch Martin Luther heiratet, wird sie in die Geschichte eingehen.

Wie aber kam es zu diesem Entschluss? Was hat die acht anderen

Nonnen von Marienthron bewogen, von heute auf morgen mit ihrer

Vergangenheit zu brechen, den sicheren, Schutz bietenden Kloster-

käfig zu verlassen und sich auf so ein Abenteuer mit ungewissem Aus-

gang einzulassen?

Wiederum kennen wir darauf keine Antwort. Keine der Nonnen

hat die Geschichte ihrer Flucht und dem, was ihr vorausging, aufge-

schrieben, zumindest wissen wir davon nichts. Dabei ist kaum vor-

stellbar, dass sie von so einschneidenden Erlebnissen nicht erzählen,

sie nicht in Briefen an die Verwandten schildern -wenn nicht als gro-

146

160 ßes Abenteuer, so doch vielleicht, um sich vor der Familie zu recht-

fertigen. Denn die Anfeindungen sind enorm, die Gesellschaft ist ge-

spalten in Anhänger und Gegner der Reformation und der Riss geht

sogar quer durch die Sippen.

Wir wissen also nicht, was in den Köpfen der Nonnen aus Nimb-

schen wirklich vor sich geht. Wir wissen nur: Luthers gefährliche Ge-

danken haben auch dicke Klostermauern durchdrungen und Mönche

und Nonnen angesteckt. Vermutlich war es brandgefährlich, Luthers

Schriften heimlich zu lesen oder gar zu diskutieren. Aber auf viele

wirkten die Luther-Worte so überzeugend, dass sie jede Gefahr in Kauf

nahmen und ihr Leben radikal änderten. Immer mehr Mönche und

Nonnen verließen ihre Klöster, und eine davon war Katharina, der

Luther zur Flucht verholfen hat, und die ihm nun sagt: Heirate mich.

Und der mag sich gedacht haben: Ob ich mit dieser eigenwilligen

Person glücklich werde, weiß ich nicht, aber wer so für die Ehe trom-

melt wie ich, sollte der nicht selbst mit gutem Beispiel vorangehen?

Theoretisch war Luther schon lange für die Ehe, lobt sie gerade-

zu als ››Gottesdienst«, zumindest als einen gottgewollten Dienst, den

Ehepartner einander erweisen. Denn hat Gott nicht Mann und Frau

erschaffen, damit sie fruchtbar seien und sich mehrten? Und ist Gott

nicht »eine Magd, die ein Kind wickelt und ihm einen Brei kocht und -

selbst wenn es das Kind einer Hure wäre - lieber als alle Mönche und

Nonnen dieser Erde, die sich nicht auf Gott berufen können?« 53

Nur die Lust, die mit dem fruchtbar sein zwangsläufig verbunden

ist- die macht den Kirchenleuten zu schaffen; für sie ist das kein Ge-

schenk Gottes, sondern ein Fluch der Menschheit, seit ihrer Vertrei-

bung aus dem Paradies. Daher halten sie die Fleischeslust nicht allein

für sündig, sondern ~ weil unkontrollierbar - auch noch für hoch

gefährlich. Vor allem bei den Weibern, deren Lust mit dem Teufel im

Bunde scheint, unersättlich wie sie sind.

Auch Luther hadert noch mit der Lust, er ist ja doch auch ein

Mann der Kirche und Kind seiner Zeit. Aber es gibt sie nun mal, die

Lust, man kann sie nicht wegdiskutieren, auch die Frömmšten schaf-

fen das nicht. Also muss man sie in geordnete Bahnen lenken, die Ehe

ist wie geschaffen dafür. ›>Die Begierde kommt ohne besonderen An-

lass, wie Flöhe oder Läuse; Liebe aber ist dann da, wenn wir anderen

dienen wollen« 54, erklärt er sein Ehe- oder Liebesverständnis. In der

Ehe kann die Lust ausgelebt werden, um der Kinder willen, die sich -

in möglichst großer Zahl - einstellen sollen. Das zähmt die gefähr-

lichen Triebe und macht sie produktiv. Bedingung ist allerdings die

Treue - der Pfeiler, auf dem Ehe hauptsächlich ruht. Einander dienen

und sich treu sein, sind die Voraussetzungen für eine gute Ehe.

Die positiven Erfahrungen, die Luther in der Ehe macht, werden

seine Einstellung zur sündigen Sexualität jedoch ändern, und er wird

zu der Überzeugung gelangen, dass Gott ›>Lust, Liebe und Freude« 55

gefallen.

Ein weiterer Grund, der Martin Luther nun für die Ehe erwärmt,

sind seine Eltern, denen er damit eine Liebe tun kann. Denn die wa-

ren nie glücklich über seinen Entschluss, ins Kloster zu gehen, hätten

ihren Sohn gerne eine juristische Laufbahn einschlagen sehen und

Enkelkinder gehabt. Jetzt bietet sich eine Chance zur Aussöhnung.

Und dann kann es Martin Luther nicht schnell genug gehen: Verlo-

bung und I-lochzeit werden gleich zusammengelegt, auf den 13. Juni

  1. Da sind außer den alten Luders, seinen Eltern - von Katha-

rinas Familie ist offenbar nur die Tante Lene anwesend - die engs-

ten Freunde aus Wittenberg dabei. Katharina wird von den Cranachs

zu Luther ins Schwarze Kloster geführt, und was nach der Segnung

durch Pastor Bugenhagen passiert, schildert der Freund Justus Jonas

so: »Luther hat Katharina von Bora zur Frau genommen. Gestern war

ich zugegen und sah das Paar auf dem Brautlager liegen. Ich konnte

mich nicht enthalten, bei diesem Schauspiel Tränen zu vergießen.«56

Was bedeutet das? Haben Martin und Katharina etwa ›>das Bei-

lager unter Zeugen abgehalten<<, wie es in historischen Berichten

heißt, also die Ehe - ihr erstes Mal - coram publico vollzogen, um die

Jungfräμlichkeit der Braut unter Beweis zu stellen? Denn böse Zun-

gen haben ja das Gerücht gestreut, dass sie längst in Unzucht lebten, der abtrünnige Mönch und die entlaufene Nonne, und dass die Braut

schon schwanger sei und deshalb so schnell geheiratet werden müsse.

Nichts davon stimmt, und im Juni 1525 ist das Beilager auch nur

noch ein Ritus, der an die alte Sitte der öffentlich vollzogenen Ehe

erinnert: Martin Luther und Katharina von Bora legen sich nur noch

symbolisch auf ihr Brautlager, in den Kleidern, die eigentliche Hoch-

zeitsnacht findet später ohne Zuschauer statt.

Philipp Melanchthon, der engste Mitarbeiter Martin Luthers, ist

erst zur vierzehn Tage späteren großen Feier, der sogenannten Wirt-

schaft eingeladen, dem Fest für den großen Kreis der Freunde und

Verwandten, unter ihnen als Ehrengast auch Leonhard Koppe, der

Nonnenräuber und Befreier Katharinas. Melanchthon aber kränkt es

sehr, nicht im engsten Kreis mitfeiern zu dürfen, der Brief an einen

Freund verrät, wie sehr ihm das zu schaffen macht: »Unerwarteter-p

weise hat Luther die Bora geheiratet, ohne auch nur einen seiner

Freunde vorher über seine Absichtzu unterrichten  Du wunderst

dich wohl, dass in so ernsten Zeiten, da die Guten überall so schwer

leiden, dieser nicht mit den anderen leidet, sondern vielmehr

schwelgt und seinen guten Ruf kompromittiert  Der Mann ist über-

aus leicht zu verführen, und so haben ihn die Nonnen, die ihm auf

alle Weise nachstellten, umgarnt, obgleich er ein edler und wackerer

Mann ist.<< Möge ››der Ehestand ihn würdevoller<< machen, auf dass er

seine tadelnswerte ››Possenreißerei« 57 verliere, schließt er.

So also urteilt der Mann, der als Luthers wichtigste Stütze im

Kampf um die Reformation gilt. Ganz klassisch sieht er Martin als

Opfer eines verführerischen Weibes, wie es ja schon der Sündenfall

im Paradies lehrt. Wenn so schon Freunde urteilen - wie schlachten

dann erst Luthers Feinde die Hochzeit aus! Da nennt man Luther ei-

nen ››Nonnenhengst<<, halt- und maßlos seinen fleischlichen Begier-

den ausgeliefert, und Katharina von Bora eine ››treulose, meineidige,

entlaufene Hure« 58.

Ob die meist anonymen Schmähschriften die beiden sehr verlet-

zen? Oder können sie den Dreck, der nun kübelweise im Land über sie ausgeschüttet wird, tatsächlich ignorieren, wie Luther behauptet -

149 wir wissen es nicht. Leicht ist es sicher für beide nicht. Doch kommt

das erste Kind -Johannes - ganz ordentlich erst nach einem Jahr zur

Welt und trägt auch keine zwei Köpfe auf den kleinen Schultern, wie

zuvor geraunt worden ist, weil es heißt, dass Mönche und Nonnen

miteinander nur Monster hervorbrächten. Nein, es ist ein gesunder

kleiner Junge; er stopft den Abergläubischen das Maul und straft die

Verleumder Lügen.

Üppig ist das Eheleben im Schwarzen Kloster nicht, wo Martin

Luther nach seinem Austritt aus dem Augustinerorden drei Jahre zu-

vor einfach weiter wohnen bleibt, jetzt mit seiner Frau Katharina.

Alle anderen Mönche sind längst in alle Winde zerstreut. Als Abfin-

dung für die Klosterzeit bekommt Martin Luther etwas Geld und darf

Mobiliar behalten. Aber das ist alt und schäbig und sein Gehalt als

Prediger an der Stadtkirche knapp.

Aber Katharina von Bora hat das Wirtschaften in Nimbschen ge-

lernt, oder ist sie vielleicht eine ökonomische Naturbegabung? Je-

denfalls übernimmt sie die Geschäfte in dieser Ehe. Das zeigt sich

erstmals beim Hochzeitsgeschenk des Kardinals Albrecht von Bran-

denburg (und Mainz), der ein Gegner der Reformation ist, weil er

nicht auf das Geld aus dem Ablasshandel verzichten will. Immerhin

sendet er aber eine Silberdose mit 20 Gulden. Doch Luther ist em-

pört und weist die Gabe zurück. Doch hat er nicht mit seiner Frau

gerechnet, die den Boten an der Hintertreppe abfängt und Gulden wie

Silberdose in ihrem Reich verschwinden lässt. Sie kann das Geld für

nötige Anschaffungen sehr gut gebrauchen.

Und dann räumt sie auf und bringt alles auf Vordermann, auch

den Gatten. Als Erstes sorgt sie dafür, dass Luthers halbverfaulte

Strohmatratze aus dem Schlafzimmer fliegt und außer einem neuen

Bett auch ein anständiges Kopfkissen angeschafft wird. Dann macht

sie nach und nach aus dem Refektorium, dem Essenssaal der Mönche,

'eine Riesenküche mit Brot-, Mehl- und Speisekammer, lässt einen

neuen Herd mauern und Rohrwasseranschlüsse legen. Ofen werden

150150 gesetzt, wurmstichige Balken erneuert, der unebene Lehmfußboden

begradigt. Wände, die winzige Mönchszellen trennten, lässt sie nie-

derreißen und neue errichten, um größere Wohnräume zu schaffen,

auch werden Treppen neu gebaut und das Ganze unterkellert. Eine

Waschküche findet neben den Vorräten dort Platz, später wird sie zu

einer richtigen Badestube erweitert. Die berühmte Lutherstube aber,

Ort der Tischgespräche, Wohnzimmer und Treffpunkt von Familie,

Studenten und Freunden, wird erst zehn Jahre nach dem Einzug fer-

tig werden, nachdem die Stadt endlich das hierfür notwendige Bau-

holz genehmigt hat.

Das Schwarze Kloster zu Wittenberg ist nun auf Jahre eine Bau-

stelle, die viel Lärm macht und den armen Doktor in seiner Turmstube

peinigt. Verdrossen bemerkt er, dass Ehefrauen »ihren Männern, wenn

diese auch noch so sehr beschäftigt sind, viele unnötige Störungen«

bereiten. Die Baumaßnahmen Katharina Luthers aber verhelfen vie-

len Wittenberger Handwerkern zu Auftrag und Arbeit und verwandeln

das Gebäude nach und nach aus einem schäbigen, abgewirtschafteten

und baufälligen Kloster in einen ansehnlichen funktionalen - heute

würde man sagen: mittelständischen - Betrieb mit Wohnhaus und

Landwirtschaft drum herum. Und auch wenn ihm das manchmal alles

zu viel wird - Luther weiß ganz gut, was seine Frau da leistet und was

er an ihr hat, und er sagt es auch: »Meine Katharina macht aus diesem

verrotteten Kloster ein Paradies auf dieser dunklen Erd.«59

Auch den Garten legt die Lutherin gleich nach dem Einzug an,

noch im ersten Jahr. Und zieht dort alles selbst, was sie für die Küche

braucht, Salat und Kräuter, Kürbisse und Melonen, Äpfel und Kir-

schen, Pfirsiche und Aprikosen, Brombeeren und Himbeeren, Son-

nen- und Mohnblumen - sie sät und gräbt und pflanzt und erntet. Ein

kleiner Wingert wird angelegt, und auch das Bier braut sie selber. So-

gar Bienen schafft sie an, um an Honig zu kommen; aus dem Wachs

zieht sie Kerzen.

Fehlen noch die Tiere, die Hof und Ställe in wachsender Zahl

bevölkern, um den Bedarf der Wirtschaft zu decken: Im -Jahr 1542

151

fünf Kühe neun Kälber, eine Ziege mit zwei Zicklein, acht

und drei Ferkel, außerdem Pferde, Hühnelß GänSC› EH*

und Tauben zum Bestand gezählt - so ist esıauf einer šY0ß@n

im Lutherhaus verzeichnet. Auch einen Fıschteich hat Ka-

Luther angelegt, später wird sie ein Stuck Land hinzukaufen,

das ein kleiner Fluss fließt, der Hechte, Forellen und Fluss-

spendet. Einen Hund gibt es im Hause Luther auch, TOIPC1

Namen, ein Spitz, aber der gehört zur Familie; alle anderen Tiere

das Ihre zum Unterhalt der Hausgemeinschaft bei.

In Wittenberg gibt es niemanden, der mehr Land oder mehr Viíh

Für Luther unerklärlich, denn ihm scheint, dass »ich me Y

als ich einnehme<<6°. Doch manchmal ist das Geld so knapp,

allem wenn Katharina Luther mal wieder Land gekauft hat, dass

beispielsweise vom 24. August bis zum 19. Oktober »kein Bier

Haus (hat) und kein Geld, welches zu kaufen<<, 50 notiert es em

etwas frustrierter Gast am 19. Oktober 1540. Doch im Großen

(`anzen sieht Luther keinen Grund, sich über Käthes Haushal-

zu beklagen, der er den ganzen Wohlstand zu verdanken hat: >›In

Dingen füge ich mich Käthe«, Sagt GY daher, nlßht Ohne

Seine - höhere - Sphäre hinzuweisen: ››Im Übrigen regiert mich

Heilige Geist.«61 Fragt sich nur wie diese Frau das alles schafft? »Ich muss mich in

Teile zerlegen, an sieben Orten zugleich sein und siebenerlei

verwalten Ich bin erstens Ackerbürgerin, zweitens Bäuerin,

Köchin, viertens Kuhmagd, fünftens Gärtnerin, sechstens

und Almosengeberin an alle Bettler in Wittenberg, sieben-

aber bin ich die Doktorissa, die sich ihres berühmten Gatten

zeigen und mit 200 Gulden J ahresgehalt viele Gäste bewirten

listet die Lutherin wie sie überall genannt wird, selbst nicht

Witz all ihre Berufe auf. Gleichzeitig gibt sie ein Zeugnis ihrer

Tüchtigkeit, die einem Angst und Bange machen kann. “ Historiker haben Katharina Luthers Tagesablauf rekonstruıer

und 'ruf dieselbe Tafel im Lutherhaus geschrieben, die schon den

152153 Viehbestand im Jahr 1542 aufführt: Danach steht die inzwischen

43-jährige Mutter von fünf Kindern morgens früh um vier auf, um

das Frühmahl zu bereiten. Anschließend wird die Morgenandacht im

Kreis aller Hausgenossen gehalten. Dazu gehören inzwischen eine

große, wechselnde Anzahl von Studenten, an die sie Zimmer vermie-

tet, um die Haushaltskasse zu füllen. Zudem haben die Luthers außer

den eigenen fünf noch 12 Pflegekinder von verstorbenen Angehöri-

gen dauerhaft aufgenommen und beherbergen kurzfristig noch vier

Kinder von Eltern, die durch die Pest umkommen. Katharinas Tante

Magdalena, »Muhme Lene<<, wohnt im Schwarzen Kloster ebenso wie

Luthers Famulus (eine Art wissenschaftliche Hilfskraft) Wolf Sieber-

ger. Und zehn Haus-angestellte helfen, den Betrieb am Laufen zu hal-

ten: ein Verwalter, ein Hauslehrer für die Kinder, eine Köchin, ein

Kutscher, ein Schweinehirt und fünf Knechte und Mägde.

››Im Haus des Doktors wohnt eine wunderlich gemischte Schar

aus jungen Leuten, Studenten, jungen Mädchen, Witwen, alten Frau-

en und Kindern, weshalb große Unruhe im Haus ist, deretwegen viele154 Leute Luther bedauern<<63, bemerkt ein Zeitgenosse aus Wittenberg

  1. Katharina Luther, die die ganze Arbeit hat, bedauert offensicht-

lich niemand. Die Gäste geben sich die Türklinke in die Hand, bedeu-

tende und weniger bedeutende und solche, die gleich auf Monate oder

Jahre bleiben: ehemalige Nonnen, die nicht mehr zu ihren Familien

zurück können, andere politisch religiöse Flüchtlinge wie die Landes-

fürstin Elisabeth von Brandenburg, die sich gegen den Willen ihres

Mannes der Reformation anschließt. Natürlich sitzt auch der gesamte

Wittenberger Freundeskreis häufig am Tisch. Alle essen und trinken,

brauchen eine Schlafstatt und vieles mehr - die Lutherin hat täglich

sage und schreibe bis zu 60 Personen zu versorgen. Selbst mit der

Hilfe von Dienstboten ein schier mörderisches Pensum.

Nach der Morgenandacht mit all den gerade genannten Leuten ist

es erst sieben Uhr. Jetzt setzt Katharina sich hin und macht einen ge-

nauen Plan, was an Arbeit in Küche, Ställen und Gärten in den nächs-

ten 3 Stunden erledigt werdein muss, und zwar von ihr persönlich - so

steht es zumindest auf dieser Tafel: Sägen und Hacken von Brenn-

holz, Kerzenziehen, Getreide mahlen und schroten, Brot backen, Bier

brauen und Gerste kochen; um Malz zu gewinnen, Butter und Käse

herstellen, nach dem Vieh schauen und schlachten, das Fleisch halt-

bar machen, also pökeln, dörren und räuchern.

Weinbau und Gartenarbeit komplettieren das Programm, Arbei-

ten, die aber je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich ausfallen und im

Winter wohl kaum Zeit beansprucht haben dürften. Aber nun stehen

noch Waschen, Nähen, Flicken und Stopfen auf ihrer Agenda sowie

die Zubereitung von Heilmitteln, also Salben, Tränklein und Tees für

die Kranken oder für die Hausapotheke. Auf den Markt wird sie auch

noch gehen müssen, um das wenige zu kaufen, was ihr eigener Betrieb

nicht herstellt. Und schließlich heißt es noch Míttagsmahl kochen.

Das gibt es um zehn. Danach ist eine kurze Ruhepause, dann wird .

die Liste weiter abgearbeitet bis nachmittags um fünf. Da geht's zum

Abendessen, anschließend hält man wieder eine Andacht und geht

um neun zu Bett. Man sieht, die Luthers haben den alten Kloster-

155 rhythmus beibehalten. Dazwischen aber findet der sogenannte Feierabend statt, seit 1535 wohl hauptsächlich in der Lutherstube, mit

Unterhaltung, Gesang und Lautenspiel im großen Kreis der Hausge-

nossen und Gästen wie die Tafel vermerkt.

Ein praller Arbeitstag, und das wahrscheinlich 365-mal im Jahr.

Luther notiert anerkennend: »Meine Käthe ist der Morgenstern von

Wittenberg. Sie steht auf morgens in der Früh um vier Uhr, fuhr-

werkt, bestellt das Feld, weidet und kauft Vieh, braut und so weiter.« 64

Dazu kommen noch sechs Schwangerschaften in acht Jahren, von

ihnen soll gleich noch die Rede sein.

Aber noch mal zurück zu den Anfängen dieses so produktiven Un-

ternehmens, den ersten Wochen und Monaten der Ehe von Katha-

rina und Martin Luther. Auch da sind ihre Eindrücke und Empfin-

dungen leider nicht überliefert; er aber notiert: »Das erste Jahr einer

Ehe macht einem Ehemann seltsame Gedanken. Sitzt er am Tisch, so

denkt er: Früher warst du allein, jetzt selbander. Beim Erwachen sieht

er zwei Zöpfe neben sich liegen, die er früher nicht sah.<<65

Wäre die Luther-Ehe als unglücklich bekannt, könnte man hier

vielleicht eine gewisse Skepsis heraushören. Aber das Gegenteil ist

der Fall: Viele seiner Worte - und die wenigen von ihr - geben Anlass

zu der Vermutung, dass sich Martin und Katharina nicht nur respek-

tieren, sondern auch sehr gern haben: »Ich bin nicht 'leidenschaftlich

verliebt, aber ich habe mein Weib lieb und wert«66, sagt er nach seiner

Heirat.

Die beiden Zöpfe, die Luther beim Erwachen nun neben sich sieht -

sie sind das Bild dafür, wie sehr die Ehe sein Leben verändert hat: das

Staunen darüber, dass da nun plötzlich noch jemand ist, eine junge

Frau, die man vor Kurzem noch gar nicht kannte, und die jetzt mit

einem im Bett liegt und friedlich schläft. Und der Mann daneben, der

lange, nein, immer allein war des Nachts, kann es kaum glauben, dass

die Trägerin dieser Zöpfe von nun an immer da ist und sechs Kinder

mit ihm bekommt, bis dass der Tod sie scheidet.

J Diese Vernunftehe wird besser halten als so manche Liebesheirat156 in späteren, romantischeren Zeiten und wird auch dadurch Vorbild-

charakter bekommen. ››Ich wollte meine Käthe nicht um Frankreich

. und um Venedig dazu hergeben!<<67, sagt Luther und klingt nach ei-

nem Ehemann, der es doch alles in allem recht glücklich mit seiner

Frau getroffen hat. Auch wenn es in der Ehe nicht allezeit schnur-

leicht zugehe. Und nicht nur Generationen evangelischer Pfarrer

werden sich an den Luthers orientieren; mit Martin und Katharina

wird die Ehe, die vordem nur etwas für den Adel und betuchte Bürger

war, als Lebensform weit über die protestantischen Kreise hinaus für

alle Menschen populär. „

"Das »schönste Ehepfand« sind für Martin Luther aber die Kinder.

Und er frohlockt: »Ich habe eheliche Kinder, die hat kein papistischer

Theologe.<<68 Er ist ein engagierter Vater, der von unterwegs nicht

nur Katharina schreibt, sondern auch den Kindern und ihnen klei-

ne Geschichten erzählt. Wenn er nach Haus zurückkommt, bringt er

Zuckerwerk und Spielzeug mit. Drei Söhne und drei Töchter bringt

Katharina in nur acht Jahren zur Welt. In den Abendstunden sind die

Kinder bei der großen Gesellschaft der Hausgenossen mit dabei, der Vater findet Zeit, sich mit ihnen. zu beschäftigen, denn »sollen wir

Kinder erziehen, müssen wir Kinder mit ihnen werden« 69, befindet

er und zeigt damit, wie ernst es ihm damit ist, seine Kinder zu ver-

stehen. Auch wenn er tagsüber manchmal streng sein muss, wenn sie

ihn beim Arbeiten stören: »Wenn ich sitze und schreibe, so kommt

das Hündchen Tölpel über meine Briefe, und mein Hänschen singt

mir ein Liedlein daher; wenn er's zu laut will machen, so fahre ich

ihn ein wenig an, so singt er gleichwohl fort, aber er machet's heimli-

cher und etwas mit Sorgen und Scheu.<<7° Auch seine Strenge klingt

weniger autoritär, als man es für seine Zeit erwartet. Es ist bekannt:

dass der Vater seine Kinder nie schlägt, so wie er von seinem stren-

gen Vater geschlagen worden ist. Dennoch ist auch für Martin Luther

die Rangfolge eindeutig: Erst kommt Gott, dann der Fürst, dann der

Mann, nach ihm die Frau und dann erst die Kinder.

Doch Hänschen, das älteste Kind, macht als Jugendlicher seier soll. 157 Die einen Eltern Kummer, weil er zu Hause nicht so lernt, wie

Eltern schicken ihn daher in die beste Lehranstalt des Landes nach

Torgau zu Schulmeister Markus Crodel, wo er vor allem in Latein,

Grammatik und den guten Sitten unterwiesen werden soll. Doch

dann erkrankt seine jüngere Schwester Lene schwer - die Tochter,

die nach dem Tod der kleinen Elisabeth, die ihnen

nicht erlebt, als drittes Kind geboren worden ist. Die Luthers rufseın

Johannes zurück nach Wittenberg, weil Lene nach ihm verlangt. >> ie

sehnt sich so danach, ihren Bruder zu sehen, daß ich einen Wagen

schicken muss. Sie haben einander sehr lieb gehabt«, schrelbt Luthef

an Crodel. »Lass ihn also mit dem Wagen hierher fliegen, äbef V_eY'

schweige ihm den Grund  vielleicht kann Lenchen sich durch seine

Ankunft wieder etwas erholen.<< 71 _ d

Doch das kann sie nicht. Magdalene stirbt mit 13 Jahren. Un

zwar in den Armen des Vaters, nicht der Mutter, die den Schmem

der sie überwältigt, vor dem sterbenden Kind verbergen will: »Kälthí

war in derselben Kammer, doch weiter vom.Bette um der TraurigMei

willen« 72, schreibt Luther auf. Schon bei Elisabeths Tod mit acht o-

naten empfindet der Vater große Trauer, über die er fast ein wenig

verwundert notiert: ››Das hätte ich nie zuvor gedacht, dass ein va-

`terliches Herz so weich werden könnte, wegen der Kinder.<<73 Doch

bei Lieblingstochter Lene sind beide Eltern so untröstlich, dass ihnen

nicht einmal ››der Tod Christi« hilft, »wie es doch sein sollte« 74. Bei

der Trauerfeier fällt Martin Luther auf die Knie und weint bitterlich.

Doch sind ja außer Johannes noch die drei jüngeren Kinder im Haus,

die beiden Buben Martin und Paul und die Jüngste Tochter Marga'

rethel sie werden die Eltern im Lauf der Zeit wohl trösten.

Vier Jahre später geht es auch mit Martin Luther zu Ende. Nach

dem Tod von Lene haben seine Depressionen wieder Zllgenommená

auch plagen ihn unzählige andere Leiden wie die Gicht, Gallen-dun

BlasensteinefMagenprøbleme, V@1'$t0Dfl1ng› Bluthochdfllck un em

schwerer Tinnitus - wohl die Folgen V0“ Fasten und lahrelangem

Schlafmangel während seines Klosterlebens, das seine Gesundheit

158158 früh ruiniert hat. Er stirbt am 18. Februar 1546 in Eisleben. Katha-

rina trifft die Nachricht ins Herz, seine so viel jüngere Frau wird ihn

nur um sechs Jahre überleben.

Bei der Trauerfeier am 22. Februar sind außer Katharina Luther

und den vier Kindern und den Freunden auch Hofbeamte, Wittenber-

ger und die ganze Universität dabei. Bugenhagen und Melanchthon

halten die Traueransprachen zu Ehren des verstorbenen Reformators.

Die Witwe findet darin mit keinem einzigen Wort Erwähnung.

Dabei ist sie diejenige, die der Verlust Luthers am meisten trifft.

Wie schlecht es ihr noch zwei Monate nach seinem Tod geht, wissen

wir aus einem ihrer wenigen erhaltenen Briefe: ››... wer sollte nicht

billig betrübt und bekümmert sein wegen eines solchen teuren Man-

nes, wie es mein lieber Herr gewesen ist, der nicht allein einer Stadt

oder nur einem Land, sondern der ganzen Welt viel gedient hat. Des-

wegen bin ich wahrhaftig so sehr betrübt, daß ich mein großes Her-

zeleid keinem Menschen sagen kann und ich weiß nicht, wie mir zu

Sinn und zu Mut ist. Ich kanncweder essen noch trinken. Auch dazu

nicht schlafen. Und wenn ich ein Fürstentum oder Kaisertum gehabt

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 128-141

2017. december 31. 07:23 - RózsaSá

129 »Vom unfreien Willen<<. Wo die Schrift unklar erscheine, liege der

Fehler nicht in der Schrift, sondern in dem unzureichend erkennen-

den Menschen, erklärte Luther. Und mit dem Willen des Menschen

verhalte es sich wie mit einem Zugtier: »Wenn Gott sich darauf ge-

setzt hat, will er und geht, wohin Gott will, wie der Psalm sagt.

Wenn Satan sich darauf gesetzt hat, will und geht er, wohin Satan

will. Und es steht nicht in seiner freien Entscheidung, zu einem von

beiden Reitern zu laufen oder ihn sich zu verschaffen zu suchen, son-

dern die Reiter selbst kämpfen miteinander, ihn zu erlangen und zu

besitzen.<<

Folgenschwerer als diese Meinungsverschiedenheit war vermut-

lich die» Art, wie sie ausgetragen wurde. Erasmus lieferte einen abwä-

genden, ergebnisoffenen Debattenbeitrag, deren Fortsetzung er sich

erhoffte. Er schrieb in dem Bewusstsein, dass er über keine absolute

Wahrheit verfüge und ein Suchender ist, der sich gern eines Besse-

ren belehren lässt. Luther dagegen polterte dogmatisch und autori-

tär, er habe in seiner Schrift nicht Ansichten ausgetauscht, »sondern

ich habe feste Erklärungen abgegeben und gebe feste Erklärungen

  1. Ich will auch keinem das Urteil überlassen, sondern rate allen,

dass sie Gehorsam leisten. Der Herr aber, um dessen Sache es geht,

erleuchte dich und mache dich zu einem Gefäß zu seiner Ehre und

Herrlichkeit. Amen.«

Auf das Erasmus'sche Angebot eines offenen Gesprächs antwor-

tet Luther mit einer abschließenden Verkündung der Wahrheit. So

autoritär er sich damit gebärdet, so sehr leidet darunter seine Autori-

tät, vor allem seine eigene Glaubwürdigkeit, denn auf dem Reichstag

in Worms hatte er für sich ganz selbstverständlich, neuzeitlich und

130modern das Recht beansprucht, sich gegen die höchsten Autoritäten

auf Schrift, Vernunft und Gewissen zu berufen. Anderen verwehrte

er dieses Recht, wenn sie nicht zu denselben Schlussfolgerungen ge-

kommen sind wie er.

Seit seiner Rückkehr von der Wartburg wird Luther nun mit der

Kehrseite und dem Problematischen seiner Lehre und seines Frei-

heitsverständnisses konfrontiert: Wer entscheidet, was als wahr gel-

ten soll, wenn wir keinen Papst über uns akzeptieren?

Luther hat darauf die Antwort gegeben: die Schrift. Die Schrift

aber ist, wie schon Erasmus richtig erkannte, nicht immer eindeutig,

nicht selten in sich selbst widersprüchlich und kann verschieden in-

terpretiert werden. Welcher Interpret kann dann mit welchem Recht

behaupten, dass seine Interpretation die einzig richtige sei?

Das Problem verschärft sich noch, wenn einer unter Berufung auf

das allgemeine Priestertum aller Gläubigen offensichtliche Spinne-

reien verkündet und behauptet, der Heilige Geist habe ihm das ein-

gegeben. Wer soll entscheiden, wer ein Spinner, Schwärmer, Rotten-

geist ist? Und wenn einer eine Wahnsinnstat begeht und behauptet,

sein Gewissen, oder gar Gott selbst, habe ihm diese Tat geboten, wer

kann ihm sagen, dass sein Gewissen irrt?

Luther hat es nie so gesagt, aber stets so gehandelt und sich -

insgeheim wohl - als von Gott gesandter Prophet verstanden. Womit

er dann auch über dem Papst und praktisch allen anderen gestanden

hätte. ..

Eine sehr große, ja fast unangreifbare Autorität ist ihm anfangs

auch zugestanden worden, und die hatte er sich auch erarbeitet.

Hohe Glaubwürdigkeit verschaffte ihm sein Status des Bettelmönchs,

der mitdeníınanziellen Machenschaften und dem klerikalen Pfrün-

densystem seiner Kirche nichts zu tun hat. Als Prediger, der dem Volk

aufs Maul schaute, seine Sprache sprach und wusste, wo der Schuh

drückt, erarbeitete er sich den Respekt seiner Mitbürger. Und als ged-

lehrter Doktor und Professor, fand er Aufmerksamkeit und Gehör bei

den gebildeten Schichten, sprach öffentlich aus, was diese heimlich

dachten, formulierte es besser, als sie selbst es hätten formulieren

können und brachte sie überdies auf neue Gedanken.

»Insbesondere sein theologisches Doktorat war ihm, zunächst ge-

genüber den ›Papisten<, später auch gegenüber den ›Schwärmern< aus

dem eigenen Lager, ein wichtiges Instrument, um seinen eigenen Au-

toritätsanspruch zu legitimieren. Für die Selbstinszenierung seines

Wittenberger Kollegen, des Weltpriesters Karlstadt, der seine akade-

mischen Titulaturen ablegte, sich mit dem grauen Rock und Filzhut

eines Bauern bekleidete, sich als Ausdruck seiner Neubewertung des

geistlichen Status des Laien als ›neuer lay< bezeichnete und ›Bruder

Andreas< nennen ließ, hatte der ernste Bettelmönch nur Spott und

Verachtung übrig. Anbiedereien gegenüber Studenten oder niederen

Ständen widersprachen Luthers ständischen Ordnungsvorstellungen,

die auf dem Glauben an die gottgegebene soziale Ungleichheit der

Menschen basierten, zutiefst.«46

Er hat auch immer darauf bestanden, mit »Herr Doktor« angere-

det zu werden von seinen Studenten. Verbrüderung war seine Sache

nicht, und nie hat er in seiner jeweiligen Umgebung je einen Zweifel

daran gelassen, wer hier der Chef ist. Und seine Umgebung hat diese

Rolle immer anerkannt.

Aber beide, sowohl er wie auch seine Gefolgsleute, hatten offenbar

die Tragweite ihrer eigenen Gedanken nicht erfasst und darum nicht

vorhergesehen, welche Folgen sich unweigerlich einstellen würden.

Wer den Papst als oberste Instanz für die Wahrheit mit guten Grün-

den stürzt, kann sich anschließend nicht als neuer Papst installieren,

denn dieselben Gründe, die gegen den alten sprachen, sprachen ja

auch gegen jeden neuen.

Daher müssen also alle Papststürzer fortan mit ieinem/unlösba-

ren Problem leben: Wenn sie sich über die richtige Interpretation be-

stimmter Bibelstellen nicht einigen können, kann nicht einer allein

für sich beanspruchen, über die höhere Vernunft, das bessere Schrift-

verständnis, das reinere Gewissen zu verfügen, es sei denn, er findet

genügend Anhänger, die ihm das glauben. Er wird aber damit leben

132müssen, dass es meist noch mehr gibt, die ihm das nicht glauben und

anderen Interpreten oder eigenen Interpretationen vertrauen.

Genau dieses Schicksal steht nun den Anhängern der Reformation

bevor. Luther und Melanchthon müssen die Erfahrung machen, dass

sie zwar neue Gedanken in die Welt entlassen, die Kontrolle darüber

aber verloren haben. Die Gedanken sind frei, entfernen sich von ihren

Urhebern, entwickeln sich unkontrolliert weiter und verändern sich,

die Welt und die Menschen. Ab dem Jahr 1525 erleben Luther, Me-

lanchthon und alle Anhänger der Wittenberger Reformation, wie sich

ihre in Wittenberg entstandenen Gedanken zwar in alle Welt verbrei-

ten, aber ein Eigenleben entwickeln, das dazu führt, dass an anderen

Orten dieser Welt manches anders gesehen, gedacht und interpretiert

wird als in Wittenberg.

In Zürich zum Beispiel gibt der Schweizer Reformator Huldrych

Zwingli 1525 sein Glaubensbekenntnis Von der wahren und falschen

Religion heraus, das er dem französischen König Franz I. schickte. In

vielem ist er mit Luther einig, aber beimßleíendmahlsverständnis, der

Gottesdienstordnung und der Liturgie weicht er von Luther ab und

geht eigene Wege. Bilder, Messen und Zölibat werden abgeschafft und

es gibt eine geregelte Armenfürsorge. *

Ein Jahrzehnt später veröffentlicht Johannes Calvin in Genf sei-

ne Instítutio Chrístíanae Religíonís, zu Deutsch »Unterricht in der

christlichen Religion<<. Es wird zu einem der meistverkauften Werke

der Reformation. Auch er ist von Luther beeinflusst, stimmt in vie-

lem mit ihm überein, in anderen Dingen aber - unter anderem auch

wieder beim Abendmahlsverständnis - unterscheidet er sich sowohl

von Luther wie von Zwingli. Alle drei stehen wiederum gemeinsam

gegen den Papst. \

Und es ist gerade diese Entwicklung, die Luthers Verhaftetsein

ans Mittelalter überwindet und den Weg vorbereitet für den freien

Wettstreit der Gedanken, für Pluralismus, Meinungsfreiheit, Geistes-

freiheit, Freiheit überhaupt. Luther, Melanchthon und seine Witten-berger Reformatoren siegen, insofern sich ihre Gedanken über die

ganze Welt verbreiten. Und sie verlieren, indem andere sich die Frei-

heit nehmen, manche dieser Gedanken zu ändern, zu ergänzen oder

zu streichen.

` 'Das aber entspricht dem von Luther selbst in die Welt gesetzten

reformatorischen Prinzip. Letztlich hat er damit über sich selbst ge-

siegt. Es war ihm nur nicht recht. Lieber hätte er gern alle anderen

besiegt. Aber nirgends in der Schrift steht geschrieben, dass es im-

merzu allein nach dem sturen Kopf des Doktor Martinus Luther zu-

gehen müsse. XIII. Und plötzlich: »Herr Käthe«

129 Klösterliche Ruhe liegt über dem Garten von Marienthron. Man hört

nur das Summen der Hummeln, das Gezwitscher der Vögel und das

Geflüster der Nonnen, die im Garten Unkraut jäten, Kräuter ernten,

Setzlinge pflanzen. Die Welt dort im Sommer des Jahres 1522 scheint

stillzustehen. Es ist, wie es immer war, und es könnte werden, wie es

schon immer geworden ist.

Aber eine der Zisterzienserinnen, die sich gerade vergewissert hat,

wer in Hörweite ist, sagt zur anderen: ››Hast du schon von diesem

Doktor Martin Luther gehört, Katharina, dem Mann der in Worms

Kaiser und Papst die Stirn geboten hat?« A

››Ja, habe ich«, antwortet Katharina flüsterleise, »und ich habe

auch seine 95 Thesen gelesen,›seine Schrift über die Freiheit eines

Christenmenschen und seine Ansprache an den christlichen Adel

deutscher Nation.«

››Oh«, erwidert die andere, »ich kenne nur seine 95 Thesen, die

anderen Schriften nicht. Hast du sie noch, kannst du sie mir geben?«

›>Klopf heute Abend nach dem letzten Gebet an meine Tür, dann

übergebe ich sie dir<<, antwortet Katharina, ››und gib sie dann an

Schwester Else weiter, die hat mich auch schon danach gefragt<<.

››Else? Die brave fromme Else?« T

››Von wegen brav, von wegen fromm - und nicht nur Else, auch

Margarethe, Ave, Veronika haben mich schon gefragt. Und von Va-

netha Katharina vollendet ihren Satz nicht, denn die Abtissin nähert

sich. Still widmen sich die Nonnen wieder ihrer ArbeitL"El5enso still,

aber heimlich, verbreiten sie Luthers Gedanken unter den Nonnen

des Klosters. Freiheit liegt in der Luft. Träume von einem anderen

Leben werden geträumt. Und der Nervenkitzel der Gefahr, der im-

mer mit Freiheit verbunden ist, beflügelt die Fantasie einiger Zister-

zienserinnen im Kloster Marienthron in Nimbschen in der Nähe von

Grimma an der Mulde.

So oder so ähnlich könnte ein Film über Katharina von Bora begin-

nen. Historisch verbürgt ist dieser Anfang natürlich nicht. Aber wie

es weitergeht, das ist einigermaßen bekannt. Aus den Träumen von

Freiheit und einem anderen Leben wird Realität und die stinkt erst

einmal nach Fisch.

Aber der Reihe nach: Katharina von Bora, 24 Jahre jung, schreibt

einfach an Luther. Er solle ihr und acht weiteren Nonnen helfen, dem

Kloster zu entkommen. Der Brief ist verschollen, aber wir wissen,

dass Luther half. Er instruiert den mit ihm befreundeten Kaufmann

Leonhard Koppe aus Torgau, der das Kloster Marienthron regelmäßig

mit Fisch, Bier und Hirse beliefert. Er soll die Frauen nach Witten~

berg bringen.

Koppe erklärt sich einverstanden, obwohl das Unternehmen auch

für ihn hoch riskant ist: Wer Mönchen oder Nonnen zur Flucht ver-

hilft, kann nach Landesrecht zum Tode verurteilt werden. Das Kloster

liegt im Einflussbereich Georg von Sachsens, einem Gegner Luthers

und der Reformation, und er gilt als gnadenlos. Einen Bürger seines

Landes, der eine Nonne entführen wollte, hat er schon zu Tode mar-

tern lassen. Aber Koppe hat Mut, will seinem verehrten Luther und

den Frauen einen Gefallen erweisen und willigt ein, das Abenteuer zu

wagen. \

Ostern um Mitternacht 1523 ist der verabredete Termin, da wollen

die Frauen mit ihm zurück nach Torgau und dann weiter zu Luther

nach Wittenberg fahren. Koppe begibt sich also nach der nächsten

Fuhre Fisch für Nimbschen nicht sofort wieder auf den Heimweg,

sondern wartet mit seinem Wagen in der Nähe des Klosters, bis es

dunkel ist. Da schleichen sich die Frauen aus dem Kloster und ver-

stecken sich auf seinem Wagen, zwischen oder gar in den leeren

Heringsfässern, wie die Chronik berichtet: »nemlich in jeder Tonne136 eine Jungfrau, darin sie bequem hocken konnt.«'” Was für eine Fahrt

muss das sein - mit dem Fischgestank in der Nase und der Angst

im Nacken! Aufatmen können sie erst, als sie den Herrschaftsbereich

Georgs verlassen und in das Sachsen Friedrichs des Weisen nach

Torgau gelangen. Dort sind sie erst mal sicher, bevor es weitergeht zu

Luther in Wittenberg.

Der reagiert auf die Flucht der Nonnen aus Nimbschen sofort

mit einer neuen Kampfschrift: Ursach und Antwort, dass Jungfrauen

Klöster göttlich verlassen mögen.“ Und begründet darin, warum die

Frauen recht haben zu fliehen und auch ihre Ehre dadurch keinen

Schaden nimmt. Auch ermuntert er andere adelige Familien, ihre

Töchter ebenfalls aus den Klöstern zu holen und in die Freiheit zu

entlassen. Freund Koppe aber lobt er als guten und edlen Räuber, der

arme Seelen aus dem Gefängnis menschlicher Tyrannei gerettet und

damit ein wahres Wunder vollbracht habe.

Die Nacht vom Ostersamstag zu Sonntag, den 6. zum 7. April 1523,

verbringt Katharina im Haus von Leonhard Koppe, hier legt sie ihre

Ordenstracht ab und zieht an, was ihr die Damen der Umgebung aus

ihren Kleiderschränken spendieren. Aber was soll nun aus den Frau-

en werden? Es läge nahe, in ihre Elternhäuser zurückzukehren. Aber

nur drei wählen diesen Weg. Die anderen werden von ihren Eltern gar

nicht zurückgenommen, denn erstens hat man sie ja einst ins Kloster

gesteckt, weil man arm ist und die Töchter nicht ernähren und aus~

bilden konnte, zweitens ist es eine Schande, die Gelübde zu brechen

und einfach aus dem Kloster zu fliehen, und drittens wird sich wegen

dieser Schande auch kein Mann finden, der so eine heiraten würde.

Was also tun mit den sechs Abtrünnigen? Luther weiß: Das ist

jetzt mein Problem. Ich habe sie aus dem Kloster geholt, jetzt muss

ich mich auch um sie kümmern. _ ~

Und er kümmert sich. Am 10.April organisiert er am kurfürstlichen

Hof eine Kollekte, um die Frauen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Und dann müssen sie schnell unter die Haube, passende Ehemänner unter den Junggesellen in Wittenberg und Torgau gesucht wer-

den. Der Professor-Doktor-Reformator-Lehrer-Bibelübersetzer und

Schriftsteller Martin Luther ist nun auch noch Heiratsvermittler.

Ein schwieriges Geschäft. Die »geistlichen Nymphlein«, wie sie spöt-

tisch genannt werden, sind keineswegs bereit, sich an den jeweils

Nächstbesten verkuppeln zu lassen, sondern stellen Ansprüche. Eine

zieht es vor, Leiterin der Mädchenschule in Grimma zu werden, zwei

weitere Frauen kommen zunächst in Haushalten unter, die anderen

finden schließlich akzeptable Ehemänner ~ bis auf eine: Katharina

von Bora.

Sie lebt im Haus des Malers Lucas Cranach, wo sie sich nützlich

macht und mit dessen Frau Barbara anfreundet. Die Beziehungen

zwischen den Familien Luther und Cranach sind eng. Beide über-

nehmen wechselseitig Taufpatenschaften für ihre Kinder. Beide sind

gesellschaftliche ››Hotspots«, wo regelmäßig Berühmtheiten und

Gelehrte aus dem ganzen deutschen Reich vorbeikommen, und Ka-

tharina von Bora ist jetzt mittendrin und lernt den dänischen König

Christian II. kennen, der sich, aus seinem Land verjagt, quasi im Exil

befindet. Er schenkt ihr aus Verehrung einen goldenen Ring. Macht

er ihr den Hof? Gefällt er ihr? Vielleicht. Aber vermutlich lässt sie

solche Fra n gar nicht zu, denn der königliche Däne ist ja schon

verheirat . Interessanter ist daher ein anderer, viel jüngerer Mann, den sie

ebefalls bei den Cranachs kennenlernt, und der ihr sehr gefällt:

def ehemalige Wittenberger Student Hieronymus Baumgartner, ein

Nürnberger Patriziersohn aus reichem Haus. Und es sieht so aus, als

erwidere er die Gefühle Katharinas, die sich -wohl zum ersten Mal in

ihrem Leben - heftig verliebt. Doch dann reist der junge Mann ab und

lässt nichts mehr von sich hören, Katharina wird fast krank vor Lie-

beskummer. Baumgartners Eltern seien entsetzt und hätten ihm die

Heirat mit einer entlaufenen Nonne gründlich ausgeredet, heißt es.

Und außerdem: eine Frau ohne Mitgift, arm wie eine Kirchenmaus,

was soll das? 138138 Luther macht sich noch Jahre später über diesen ihren ersten

››Liebhaber<< lustig, der so schnell von der Fahne ging. Aber jetzt sucht

er erst einmal Ersatz und schlägt Katharina einen anderen Mann vor,

den sehr viel älteren Wittenberger Stiftsherrn Kaspar Glatz; nur gilt

der als wenig anziehend und soll noch dazu zänkisch und geizig sein.

Für Katharina kommt diese Partie überhaupt nicht infrage, ihr Nein

fällt kategorisch aus; Wenn sie heiratet, dann nur einen, den sie auch

selbst gut findet. Warum also nicht Martin Luther persönlich? Sie

denkt das nicht nur, sondern lässt es ihm ausrichten: Nur er selber,

der Doktor Martin Luther, komme in Betracht, ihn sei sie bereit zu

nehmen, sonst keinen.

“Luther ist überrascht, damit hat er nicht gerechnet. Er propagiert

ja, dass Priester, Mönche und Nonnen heiraten, denn Kinder zu be-

kommen und großzuziehen ist für ihn gottgefälliger als alles Beten

im Kloster. Für sich selbst aber hat er diese Möglichkeit offenbar nie

in Betracht gezogen. Auch ist er schon über vierzig, hat mehr als die

Hälfte seines Lebens im Kloster-verbracht, sich also daran gewöhnt,

allein - oder zumindest ohne Frau - zu sein. ››Nicht, dass ich mein

Fleisch und Geschlecht nicht spüre - ich bin weder aus Holz noch

Stein<<49, schreibt Luther noch 1524 sehr offen über die Schwierig-

keit, zölibatär zu leben. Dennoch, an Ehe hat er bisher nicht gedacht.

Und er fliegt auch nicht gerade auf Katharina, denn sie erscheint ihm

»stolz und hochmütig<<, wie er sich später erinnert; ein Etikett, das

eine selbstbewusste Frau im 16. Jahrhundert wahrscheinlich schnell

weghat. Lieber hätte er die sanfte Ave von Schönfeld gehabt, eine der

anderen Nonnen aus Nimbschen, aber die ist schon an einen Apothe-

ker und Arzt in Torgau vergeben.

Und überhaupt: Ist er nicht vor Jahren nicht nur hauptsächlich

wegen eines Gewitters, sondern ein bisschen auch wegen drohender

Zwangsverheiratung ins Kloster geflohen? Und nun kommt so ein

freches 24-jähriges Weibsstück daher und sagt einfach: Heirate mich!

Andererseits imponiert ihm diese selbstbewusst zupackende Art.

Schon im Kloster war sie ja diejenige, die Gedanken des Reformators

in sich aufgesogen, die anderen Nonnen damit infiziert, die Initiative

zur Flucht ergriffen und alles organisiert hat. Und jetzt ist sie diejeni-

ge, die dem 16 Jahre älteren weltberühmten Dr. Luther unverblümt

erklärt, sie wolle ihn haben - statt abzuwarten, welche Pläne er mit

ihr hat, wie es sich eigentlich gehört.

Luther mag sie deshalb als »stolz und hochmütig<< beschrieben

haben, aber vermutlich war es gerade das, was ihn an ihr gereizt hat.

Also warum nicht? Und so vollbringt Luther wieder eine Tat, die das

ganze Reich in Aufruhr versetzt: Der entlaufene Mönch und Kopf der

Reformation heiratet eine entlaufene Nonne. Was für ein Skandal.

Was für ein Gerede. ~

Wie hat die junge Katharina das verkraftet? Wir wissen es nicht. Wie

wir überhaupt wenig wissen über sie.

Wäre die Reformation wirklich die große, alles verändernde, welt-

umstürzende“Revolution gewesen, als die sie mancher Papsttreue

der damaligen Zeit empfunden haben mag, wüssten wir heute über

Luthers ››Käthe<< genauso viel wie über Luther, denn dann hätte die-

se Weltveränderung auch die herrschende Geschlechter-Ordnung ge-

stürzt. Die Gleichwertigkeit der Geschlechter wäre anerkannt und die

Worte der Frauen genauso wichtig genommen worden wie die Worte

der Männer. Und es wäre dann nicht nur aufgeschrieben worden, was

Luther bei Tisch alles so gesagt hat, sondern auch, was Käthe zu er-

widern hatte.

Es wurde aber nicht für wert befunden, Frauenworte aufzuschrei-

ben. \ iemand, nicht Luther, nicht die Humanisten, ja nicht einmal

die Ffiauen selbst, wären damals auf die Idee gekommen, für Frauen

diesqiben Rechte zu fordern, wie die Männer sie haben.

Daher wissen wir über Katharina von Bora wenig und das wenige

meist nur aus zweiter oder dritter Hand. Und noch weniger über die

anderen Frauen der Reformationszeit und die anderen entlaufenen

Nonnen. Denen gegenüber hatte Katharina immerhin einen kleinen

Vorteil: Als Ehefrau des prominentesten Theologen der damaligen

las140Zeit war sie für diesen häufig ein Anlass, sich über sie zu äußern

und so erfahren wir wenigstens aus dem Munde Martin Luthers einií

ges über Katharina. Und einiges lässt sich erschließen aus den vielen

Briefen, die er an seine Frau geschrieben hat.

Von den vielen Briefen, die sie ihrem Mann schreibt, ist kaum ei-

ner überliefert. Dass sie sie schreibt, belegen seine Antworten. Ihre

Briefe hingegen sind fast alle verschollen, Martin Luther wird sie

nicht aufgehoben haben, wie auch vieles andere nicht, das ihm nicht

wichtig scheint. Er hat genug eigenen Papierkram am Hals und zu

ordnen, will sich nicht noch damit beschweren, Briefe anderer aufzu-

heben, und schon gar nicht will er dafür einen Sekretär beschäftigen,

»denn da würde ein Papsttum wieder daraus werden<<5°, wie er mit

feiner Ironie vermerkt.

So kommt es, dass fast alles, was über Katharina von Bora be-

kannt ist, von Martin Luther selbst stammt. Also muss sie auch hier,

Schicksal der entlaufenen Nonne diesem Buch hinzufügt Äim ihr ein

- . . . f iı

šllenıšg Gerechtigkeit widerfahren zu lassen,„feın Teil seines Lebens

ei en. Wir konnen Katharina nur mit seinen Augen sehen, der Per-

spektive Martin Luthers, den wir wiederum durch die Brille der 500

Jahre später Lebenden wahrnehmen, wie durch ein Fernglas mit ge-

trübter Linse, das kein ganz scharfes Bild mehr liefern kann

Immerhin verfügen wir noch über eine zweite vermutlich eben-

falls getrübte Linse, mit der sich dennoch das unscharfe Bild ein we-

nig schärfen lässt: die Augen des ››Hofmalers« Lucas Cranach. Er erschafft das Bild, nach dem sich die Nachwe/lt Katharina vorstellen soll

er ist ja auch dicht dran bei den Luthers in Wittenberg nicht nur als

enger Freund und Anhänger des Reformators, sondern auch als sein

Trauzeuge und Taufpate des ältesten Kindes Johannes

Und Sie Wird sich einpfäâen, Seine Version von Katharina von

Bora nâben ihrem schon berühmten Bräutigam, und als die Luthe_

rin in .ie Geschichte eingehen: eine aparte junge Frau, mit schräg

geschnittenen Augem hohen Wfinšenknochen und selbstbewusstem

141

in diesem Kapitel, das die Autorin aus Neugier und Anteilnahme am Ä

Blick. Vielleicht keine Schönheit nach heutigem Geschmack, aber

eine eigenwillig hübsche, ausdrucksstarke Erscheinung, die sich ne-

ben dem 16 Jahre älteren, körperlich sehr präsenten Dr. Martinus

Luther durchaus behauptet.

Wenn sie auf den Bildern denn gut getroffen ist. Böse Zungen be-

haupten ja, dass Cranach Frauen immer so oder ähnlich malt. Wenn

man sich seine Venus im Frankfurter Städel oder andere von Cranachs

Frauengesichtern ansieht, meint man hin und wieder, die Züge von

Katharina zu erkennen. Vielleicht ist sie ja für Cranach das Maß aller

Frauen, oder er ist mit seinen Luther- und von Bora-Bildern derart

im Geschäft, dass er nicht die Zeit hat, noch groß zu variieren. Er

muss ja schnell arbeiten und seine Söhne und eine beträchtliche An-

zahl von Hilfsmalern beschäftigen, um die im ganzen Reich steigende

Nachfrage nach Lutherbildern zu befriedigen. Schon deshalb könnte

es ja sein, dass sich die Gesichtszüge Luthers auf den Cranach-Bil-

dern auffallendlähnlich bleiben. Oder bleiben sie sich so ähnlich, weil

dieser Maler dem Original am nächsten kommt? Seine Porträts hat

Luther jedenfalls autorisiert, die der anderen zeitgenössischen Maler

nicht. Sie müssen also zumindest seinem Selbstbild nahekommen.

Aber es ist klar: Die Bilder erfüllen auch Propagandazwecke, sol-

len das Lauffeuer der Reformation am Lodern halten. Denn das wis-

sen Lucas Cranach und Martin Luther aus Erfahrung: Bilderwirken

stärker als Worte, gerade wenn nur wenige Zeitgenossen lesen kön-

nen. Und so setzen sie die große Produktivität der Cranach-Werkstatt

auch d zu gn, die Reformation und ihre Protagonisten im Volk zu

verbreiten und durchzusetzen. Die gedruckten Lutherporträts nach

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 112-128

2017. december 30. 10:42 - RózsaSá

XII. Aufräumen in Wittenberg

112 Der eine nannte den anderen »Erzteufel in Schafskleidern<<, einen

»reifšenden Wolf<<, der ››nur Mord und Aufruhr und Blutvergießen

anrichten« wolle. Der andere konterte mit Zuschreibungen wie »Bru-

der Mastschwein«, »Gevatter Leisetritt«, ›>Stocknarr«, »das giftige

Würmlein mit seiner beschissenen Demut«.

Mit ››Erzteufel in Schafskleidern« und »reißenden Wolf« hat

Martin Luther Thomas Müntzer gemeint, von dem wir noch hören

werden. Dieser sandte als Retourkutsche an Luther den Titel »Mast-

schwein« und die anderen Beschimpfungen.“

Man war nicht zimperlich damals. Die Political Correctness war

noch nicht erfunden. Aus den Druckereien verbreiteten sich Karika-

turen, Beleidigungen, Hasskommentare, die heutiger Facebook-Het-

ze durchaus ebenbürtig waren. Und sowohl Luther wie auch seine

Gegner, die ››Römlinge<<, verstanden sich gut darauf. Bezeichnete

Luther den Papst als ››Antichrist«, so bezeichneten ihn die Papisten

als ›>Afterpapst<<. Mächten sich Luther und Melanchthon über den

Papst als Esel lustig und zeichnete Lucas Cranach den ››Papstesel<<,

so beschimpften Luthers Kritiker ihn als Sprachrohr des Teufels und

illustrierten die Schmähung mit des Teufels Sackpfeife - der Teufel

bläst in einen Dudelsack, der die_Form des Luther'schen Mönchskopfs

hat.

Die Angriffe der Römlinge bekümmerten Luther weniger, die be-

trachtete er als ››normak<, und sie konnten in gleicher Münze heimge-

zahlt werden. Schmerzlicher waren die Angriffe der ehemals eigenen

Anhänger, die sich von Luther absetzten und - »auf eigene Faust<<,

wie Luther empfand - ihre eigenen Baustellen der Reformation er-

richteten.

Seit dem Anschlag der 95 Thesen waren noch keine vier Jahre ver-gangen, aber das, was sie im ganzen Land ausgelöst haben, und was

im weiteren Verlauf immer häufiger ›>reformatio<< genannt, aber nir-

gends definiert wurde, hatte längst ein unkontrollierbares Eigenle-

ben entwickelt, das nicht mehr steuer- und nicht mehr vorhersagbar

war. Die Zahl der Baustellen des Reformationsprojekts wurde rasch

immer größer. Und wenn Luther gedacht haben sollte, er sei der al-

leinige Bauherr und Architekt dieses Umbaus der mittelalterlichen

Gesellschaft, dann wurde er schon während seines Aufenthalts auf

der Wartburg eines Besseren belehrt. So drang etwa die Nachricht zu

ihm, dass er in Wittenberg eine Lücke hinterlasse, die andere zu fül-

len trachteten und die sich berufen fühlten, Luthers Lehren schnell

in eine neue kirchliche Praxis umzusetzen.

Da war zum Beispiel Andreas Karlstadt, Luthers Doktorvater, der

die Heiligenbilder und die Musik aus den Kirchen verbannen, den

Zölibat abschaffen, den Gottesdienst erneuern und das Abendmahl

anders feiern wollte als es bisher Tradition war. Seinen Studenten

empfahl er, die Lehrbücher wegzuwerfen und die Hacke zur Hand zu

nehmen., weil der Bauer der wahre, der gottgefällige Stand sei. Zum

Weihnachtsfest 1521 zelebrierte er die erste evangelische Messe auf

Deutsch, trug dabei kein Priestergewand, sondern weltliche Kleider,

und war davon überzeugt, sicher ganz im Sinne Luthers zu handeln.

Die Heirat mit Anna von Mochau Anfang des Jahres 1522 bezeugte

seinen Bruch mit dem Zölibat. Im Februar 1522 ließ er die Bilder

aus Wittenbergs Kirchen entfernen. Dabei kam es zu Ausschreitun-

gen und Tumulten, denn nicht alle Sympathisanten der Reformati-

on waren damit einverstanden, und der junge Philipp Melanchthon

schwankte unentschieden zwischen Anerkennung und Ablehnung

der Wittenberger Bilderstürmer, hätte wohl auch zu wenig Autorität

gehabt, um erfolgreich dagegen einzuschreiten.

Luther auf seiner Burg erkannte natürlich hinter all diesen Um-

trieben seine eigenen Gedanken. Er selbst hatte gelehrt, dass Bilder

zu Götzen werden, wenn man diese statt Gott anbetet. Er selbst hatte

die Heiligen- und Reliquienverehrung verworfen, den Zölibat infrage

114gestellt, das Mönchtum als unnütz bezeichnet und das Priestertum

aller Gläubigen gelehrt.

Aber bisher beruhte all seine Kritik auf theoretischen Überlegun-

gen. Dass sie schon jetzt so schnell in die Praxis umgesetzt werden,

noch dazu ohne ihn zu fragen, empfand er als unerhört, und so sorgte

er sich, dass ihm die Dinge entgleiten könnten. Als ihn dann der Rat

der Stadt Wittenberg um Hilfe bat, weil die Karlstadt'schen Neuerun-

gen in Wittenberg etlichen Gemeindemitgliedern zu weit gingen und

es zu heftigen Auseinandersetzungen in der Gemeinde kam, hielt ihn

nichts mehr auf seiner Burg. Gegen den Rat des Kurfürsten kehrte er

am 6. März 1522 nach Wittenberg zurück.

Der Kurfürst bangte um Luthers Leben, denn noch immer

schwebte das »Wormser Edikt« wie ein Damoklesschwert über ihm.

Davor schützen konnte ihn der Kurfürst nur auf seinem eigenen klei-

nen Territorium, aber selbst dort war Luther nicht vor Entführung

und dem Zugriff römischer Häscher gefeit. Der aber hatte schon lan-

ge keine Angst mehr, vertraute auf Gott und schrieb selbstbewusst

und frohgemut an den Kurfürsten, er »komme gen Wittenberg in gar

viel einem höheren Schutz denn des Kurfürsten<<,“ nämlich in dem

Gottes. Er habe auch nicht im Sinn, den Schutz des Kurfürsten zu

begehren, sondern wolle den Kurfürsten mehr schützen als dieser

ihn schützen könne, »denn wer am meisten glaubt, der wird hier am

meisten schützen<<.42

Als er in Wittenberg eintraf, wollte er sofort wieder sein gewohn-

tes Leben als Wittenberger Mönch, Lehrer und Prediger fortsetzen,

kehrte in die Turmstube seines Klosters zurück, ließ sich seinen Bart

rasieren und die Haare schneiden, zog die Mönchskutte an - aber das

Wittenberg, in das er nun kam, war nicht mehr dasselbe wie das, das

er vor einem Dreivierteljahr verlassen hatte. Sein Kloster war fast un-

bewohnt. Und verarmt. Nur zwei seiner Mitbrüder lebten dort noch,

die anderen hatten sich vom Mönchtum losgesagt und das Kloster

verlassen. Da das Betteln nun aufgehört hatte und den Ausgetretenen

Abfindungen gezahlt worden waren, fehlte es dem Kloster an Geld.

116

Damit kam Luther aber ganz gut zurecht. Sowieso hatte er für sei-

ne Lehrtätigkeit als Professor nie, ein Gehalt bekommen, denn er war

ja ein Bettelmönch. Fürs Predigen an der Wittenberger Stadtkirche

bekam er acht Gulden pro Monat, weniger als ein Zwölftel von Me-

lanchthons Professorengehalt, und für seine zahlreichen Schriften,

die ihn hätten reich machen können, hat er nie ein Honorar genom-

men.

Geld war ihm nicht wichtig. Viel wichtiger war ihm, wieder Ord-

nung in das Chaos zu bringen, das er vorfand, nicht nur in Witten-

berg, sondern im ganzen Reich, denn ihm war zu Ohren gekommen,

dass es überall gärte.

Zunächst kümmerte er sich um Wittenberg. Mit der ganzen Auto-

rität, die er sich inzwischen erworben hatte, nimmt er nun den Kampf

auf gegen die, wie er sie nennt, ››Schwärmer«, ››Rottengeister« und

›>Aufrührer<<. Seinem Doktorvater und ehemaligen Mitstreiter Karl-

stadt kündigt er nicht nur die`Freundschaft, sondern setzt- autoritär

wie ein Papst - ein Predigtverbot gegen ihn durch und erwirkt eine

Zensur- und Beschlagnahmung seiner Schriften durch die Universität.

Dann steigt er auf die Kanzel und predigt Geduld. Die Umsetzung

reformatorischer Gedanken in reformatorische Praxis müsse wohl be-

dacht sein, aber vor allem habe man dabei Rücksicht zu nehmen auf

jene, die nicht so schnell mitkommen. Das ist der Inhalt seiner acht

››Invokavitpredigten<< - benannt nach dem Namen des ersten Sonn-

tags der Passionszeit - die er im März 1522 in Wittenberg hält.

Hier entfaltet er seine Vorstellung davon, wie es nun im Leben der

Gemeinde weitergehen solle: »So wie jede Mutter ihre Kinder ganz

allmählich großziehe und kein sofortiges Erwachsensein erwarte, so

sei der Gemeinde genügend Zeit einzuräumen, auf dass ihr Glaube

allein durch Gottes Wort gestärkt werden könne«

Und ja, selbstverständlich brauchen neue Inhalte auch neue For-

men, und selbstverständlich muss man daher auch neue Formen des

Gottesdienstes entwickeln, aber zuvor muss das Wort nicht nur ins

Ohr, sondern durchs Herz gedrungen'sein. Und ja, auch er verabscheue jede Abgötterei von Heiligenbildern -

die er ››Ölgötzen« nannte - doch habe es Gott den Menschen überlas-

sen, sie als Zeichen zu betrachten. V

Und ja, er selbst habe sich schon auf der Wartburg vom Mönch-

tum losgesagt und die Gelübde für nichtig erklärt, dennoch trage er

seine Mönchskutte weiter und werde sie erst ablegen, wenn er sich

innerlich frei fühle dazu. Wer jedoch sein Kloster mit gutem Glauben

und Gewissen verlassen wolle, der solle getrost gehen.

Luther wird seine Kutte noch zwei weitere Jahre tragen. Den Got-

tesdienst hält er in geweihten Gewändern, mit Gesang und mit latei-

nischen Zeremonien. Damit demonstriert er, wie er sich den Prozess

der Reformation vorstellt: einen Schritt nach dem anderen machen

und den Leuten genau begründen, warum nun dieser Schritt nötig ist

und was der nächste sein wird. 4 P

Wenn man gedanklich zu dem Schluss gekommen ist, dass sich

die Institution des Mönchtums nicht biblisch begründen lässt, muss

man es natürlich abschaffen, aber doch nicht über Nacht. Es gibt

schließlich zahlreiche praktische Fragen zu klären, wie etwa, was mit

dem Besitz und den Gebäuden der Klöster geschehen soll. Und wenn

man gedanklich zu dem Schluss gekommen ist, dass der Gottesdienst

auf Deutsch, in neuen Formen und in anderen Gewändern gefeiert

werden sollte, muss man doch vorher genau geklärt haben, in wel-

chen Formen, welchen Gewändern und warum gerade in diesen.

Jeder Schritt will sorgsam bedacht sein, bevor man ihn ausführt.

Hat man aber alles gründlich durchdacht, kann er entschlossen getan

und der nächste Schritt überlegt werden. Änderungen kommen also

für Luther erst dann infrage, wenn sie von der Bibel her so begründet

werden können, dass sie auf einem sicheren theologischen Funda-

ment stehen. Bis dahin muss erst mal mit dem Alten weitergemacht

werden, denn wer ein altes Haus abreißt, bevor er ein neues gebaut

hat, wird oft im Regen stehen. Aber vor allem: Nicht mit Gewalt sol-

len die Änderungen herbeigeführt werden, sondern durch die Kraft ` ^,

des Wortes.

119 Dieses Wort Gottes habe bisher allein den Kampf gegen das Papst-

tum geführt und es entscheidet geschwächt, während er mit Me-

lanchthon in aller Ruhe wittenbergisch Bier getrunken habe.“ Mit

dieser besonnen-vermittelnden Haltung bei gleichzeitig scharfer Ab-

grenzung gegenüber Karlstadt und allen ››Abweichlern« in den eige-

nen Reihen gelingt es Luther, wieder Ruhe hineinzubringen in die

Wittenberger Gemeinde. Aber eben nur dort.

Was ihm in Wittenberg gelingt, gelingt nicht mehr im Rest der

Welt. Andere sind ungeduldiger, preschen voran, wollen aus den

Gedanken Luthers eine neue Welt und eine neue Kirche entstehen

lassen oder doch zumindest sicht- und erlebbare Veränderungen als

Konsequenz aus Luthers Lehren, und zwar schnell, notfalls auch mit

Gewalt.

So berufen sich zwar alle auf Luther, aber legen ihn und die Bi-

bel nach eigenem Gutdünken aus und fühlen sich dazu gerade durch

Luther legitimiert, denn hatte er nicht das Priestertum aller Gläubi-

gen gelehrt? Und wenn jeder ein vom Heiligen Geist geleiteter Pries-

ter ist,.wer kann behaupten, was ihm der Geist eingegeben habe, sei

falsch?

Da ist zum Beispiel der Reichsritter Franz von Sickingen, von An-

fang an ein glühender Anhänger Luthers. Ihm gefällt dessen Angriff

gegen den Papst, denn Sickingen hat selbst ein Problem mit Auto-

ritäten.'Aber vor allem hat er ein Problem mit dem Niedergang sei-

nes einst so stolzen Reichsritterstands. Ritter werden nicht mehr so

gebraucht, seit mit Artillerie und Landsknechtsheeren erfolgreicher

Krieg geführt wird. Der Niedergang schlägt sich direkt in den Finan-

zen der Ritter nieder und indirekt in sinkendem politischen Einfluss.

Um dem Bedeutungsverlust entgegenzuwirken, wird Sickingen, zu-

sammen mit anderen, ab dem Jahr 1515 zum Raubritter, nimmt

Kaufleute als Geiseln, zündet Dörfer an, belagert Städte und baut

sich mit der Beute eine Streitmacht auf, gegen die kaum ein Fürst

zu kämpfen wagt.

120Als dann Jahre später über Luther und dessen Anhänger die Reichs-

acht verhängt wird, bietet er diesen seinen Schutz an. Luther ver-

zichtet darauf, aber andere Reformatoren wie etwa Martin Bucer oder

Caspar Aquila finden Unterschlupf auf Sickingens Ebernburg südlich

von Bingen. Auch Ulrich von Hütten, damals einer der bekanntesten

Dichter des Reiches, verfasst auf dieser Burg Schmähgedichte gegen

den Papst, den Klerus und das Mönchtum.

lm Lauf der Zeit entsteht auf der Burg eine evangelische Gemein-

de, welche die tägliche Messe durch einen sonntäglichen Gottesdienst

ersetzt. Die Ebernburg wurde deswegen als »Herberge der Gerechtig-

keit« bezeichnet.

Im Jahr 1522 greift Sickingen den Trierer Erzbischof Richard von

Greiffenklau an, um sich dessen Besitz anzueignen, verkündet aber

offiziell, es gehe ihm um das Evangelium, daher habe der Bischof sich

.von seinem kirchlichen Besitz zu trennen. Doch Greiffenklau ist vor-

bereitet, hält Sickingens 7 000 Fußknechten stand, zwingt sie sogar

zum Rückzug auf die Burg Nanstein bei Landstuhl, nimmt die Burg

unter schweren Beschuss und belagert sie, bis der bei den Gefechten

schwer verletzte Sickingen aufgibt. Am 7. Mai 1523 erliegt er seinen

Verletzungen. ~

Die ehemals von Sickingen bedrohten Städte, Bischöfe und Fürs-

ten holen nun zum großen Gegenschlag aus gegen die verbliebenen

Ritter, darunter auch gegen den berühmt-berüchtigten Götz von Ber-

lichingen. Davon erholt sich die Reichsritterschaft nicht mehr und

verschwindet als politische Kraft.

Luther sah diese Verquickung des Evangeliums mit Gewalt, Raub

und persönlichen Interessen mit wachsendem Unbehagen und ge-

wann zunehmend die Überzeugung, dass hier der Teufel persönlich

am Werk sei, um der Reformation zu schaden. Er reagiert darauf

in der ihm eigenen Weise, indem er wieder ein Problem gründlich

durchdenkt und dann daraus eine Schrift verfasst: Von weltlicher Ob-

rigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei. . ' _

Luther entfaltet darin die später sogenannte Zwei-Reiche-Lehre,

die besagt: Glaubensfragen unterstehen dem Regiment Gottes. Kei-

ne Macht der Welt darf den Christen in Glaubensfragen Vorschriften

machen. Hier haben sich Kaiser, Könige und Fürsten gefälligst her-

auszuhalten.

Andererseits lebt auch ein Christ in der Welt unter dem Regiment

von Kaisern, Königen und Fürsten. Deren weltliche Ordnung stammt

ebenso von Gott wie die geistliche und ist darum im Kern auch gut,

bewahrt sie doch die Welt vor Chaos und vor dem Faustrecht. Daher

verbiete es sich einem Christen, gewaltsam gegen die weltliche Ob-

rigkeit vorzugehen.

Beide Sphären sind für Luther getrennt, und darum dürfe man sie

auch nicht vermischen. Die Heilige Schrift lehre nicht, wie man Ehen

schließen, Häuser bauen, Kriege führen oder Schifffahrt treiben soll,

dazu genüge die weltliche Vernunft, die natürlich schlechter sei als

die göttliche, aber für irdische Belange ausreichend. Daher dürfe man

das von göttlicher Weisheit regierte Reich nicht auf Erden erwarten,

sondern erst im Jenseits. Hier im Diesseits jedoch habe man sich mit

der Unvollkommenheit der Welt und dem Platz, der einem von Gott

zugewiesen wurde, abzufinden.

Immer stärker schält sich nun heraus, dass dieser Luther kein

Revolutionär ist, sondern tatsächlich ››nur« ein Reformator. ››Refor-

matio« - das heißt nicht Umsturz, sondern zurück zu den Ursprün-

gen, Wiederherstellung der guten alten Ordnung. Und Luther betont

auch immer wieder, er habe nichts Neues hervorgebracht, sondern

im Grunde nur das verschüttete Uranliegen Christi wieder freigelegt.

Im Lauf der Geschichte führte diese Zwei-Reiche-Lehre zu ver-

hängnisvollen Folgen, denn es entwickelt sich daraus der autoritäre

deutsche Obrigkeitsstaat mit obrigkeitshörigen Untertanen. Das hat

Luther natürlich nicht voraussehen können. Ihm war es damals nicht

um die zukünftigen Folgen seiner Lehren gegangen, sondern um eine

Befriedung seiner Gegenwart, vor allem um die Vermeidung von Ge-

walt und Blutvergießen.

Wie berechtigt diese Sorge war, sollte sich schon bald herausstel-

122 len, als die Bauern Luthers »Freiheit eines Christenmenschen« gar \ 1

zu wörtlich verstanden und in einen Krieg gegen die Obrigkeit zogen,

den sie nicht gewinnen konnten. Ihr Anführer hieß Thomas Münt-

zer, jener ehemalige Anhänger Martin Luthers, der diesen als »Mast-

schwein« verunglimpft und den Luther als »Erzteufel in Schafsklei-

dern« geschmäht hatte.

»Kein armer Tier auf Erd' man find', muss arbeiten bei Regen, Wind

und gewinnen, was all' Welt verschlingt, des Haferstrohs man mir

kaum gönnt« 44 - so dichtete 1525 der Nürnberger Schumacher, Meis-

tersinger und Dramatiker Hans Sachs über den Bauernstand. Auf die-

se Klage über das Los der Bauern antwortet höhnisch die Obrigkeit:

››Esel, du bist dazu geborn, dass du sollst bauen Weiz' und Korn

und doch essen Distel, Dorn. Darum geh hin ohn alles Morrn. Willst

nicht mit Lieb, so musst mit Zorn, denn ich sitz gewaltig auf dir vorn

und schlag dich tapfer um die Ohrn, stupf dich dazu mit scharfem

Sporn. Du bist mein eigen und geschworn, du musst tanzen nach

meinem Horn.<<45

Hans Sachs, auch ein Anhänger Luthers, zeigt hier Empathie für

die Bauern und fragt zwischen den Zeilen: Dieses Unrecht, das den

leibeigenen Bauern geschieht, diese Ausbeutung, diese Rechtlosigkeit

gegenüber ihren Ausbeutern - das soll von Gott gedeckt sein?

Luther weiß durchaus, wie die Bauern von Abgaben (auch an die

Kirche), Fronarbeit und Schulden geplagt waren. Und er sagt den

Fürsten und Fürstbischöfen: »Man wird nicht, man kann nicht, man

will nicht eure Tyrannei und Mutwillen auf die Dauer leiden. Gott

will's nicht länger haben.« Er ermahnt also die Fürsten und Bischö-

fe, ihre Bauern besser zu behandeln. Er ermahnt aber auch die Bau-

ern, nicht gewaltsam aufzubegehren. An deren Leibeigenschaft sieht

er nichts Verwerfliches. So ist nun mal die weltliche Ordnung, und

wenn Gott eine andere Ordnung wollte, würde er sie schon ändern.

Sie wissen inzwischen, dass die »Pfaffen« und Fürsten ein aus-

schweifendes Leben auf Kosten der Bauern führen. Sie sehen, wie die

Kirchen und Klöster durch Stiftungen, Erbschaften, Spenden immer

reicher werden und ihnen trotzdem immer mehr von dem abnehmenwas sie durch ihrer Hände Arbeit erwirtschaften. Auch alte, seit Jahr-

hunderten bestehende Rechte und ungeschriebene Gesetze zu ihren

Gunsten - Weide-, Holzschlag-, Fischerei-, Jagdrechtel- wurden von

ihren Grundherren beschnitten oder abgeschafft, sodass immer mehr

Bauern verarmten und in bitterster Not lebten. W

Sie haben auch schon gehört, dass man in Rom durch Vettern-

wirtschaft und Bestechung in die höchsten Ämter kommt\und in Saus

und Braus lebt. Daher wurden sie hellhörig, als Luther gegen Rom

aufbegehrte. Sie lasen oder ließen sich vorlesen, was Luther über die

»Freiheit eines Christenmenschen« schrieb. Und sie suchten in der

Luther'schen Bibelübersetzung nach Rechtfertigungen für die An-

sprüche von Adel und Klerus, fanden aber nichts. Ganz in Luthers

Sinn folgerten sie daher: Wennivon der Einschränkung ihrer Rechte

durch die Grundherren' nichts in der Bibel steht, kann es sich auch

nicht um göttliches Recht handeln. V ' G

Also begehren sie nun auf. In Memmingen wollen sie nicht mehr

darauf warten, dass Gott oder die Obrigkeit das Los der Bauern ver-

bessern und sie erst im Jenseits für ihr Stillhalten belohnt werden.

Stattdessen kämpfen sie - in der Überzeugung, dass Gott mit ihnen

sei - für eine Verbesserung ihres Lebens im Diesseits.

Anfang des Jahres 1525 schreiben sie ihre Forderungen in zwölf

Artikel: Der ››Zehnte<<, eine Abgabe an die Kirche, soll abgeschafft

werden, ebenso der sogenannte Todfall, eine Art Erbschaftssteuer

beim Ableben des I-lofpächters, und auch die=Leibeigenschaft. Die

ausufernden Frondienste sollen vermindert werden. Die alten Jagd-,

Fischerei- und Weiderechte fordern sie zurück.

Die zwölf Artikel, im März 1525 gedruckt, verbreiten sich genauso

schnell wie einst Luthers Schriften und erreichen innerhalb von zwei

Monaten eine Auflage von 25 000. Auch Luther kennt sie und kommt

um eine Stellungnahme nicht herum. Er antwortet mit der Schrift

Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauemschaft, in

Schwaben.

Obwohl er mit einigen Forderungen sympathisiert, verhält er sich

anderen Forderungen gegenüber ablehnend. Er bittet die Bauern,

sich mit ihren Obrigkeiten gütlich zu einigen und auf Gewalt zu ver-

zichten. Tun die aber nicht. Im Gegenteil. Überall im Land stürmen

sie Klöster und Burgen, auch in Thüringen und Sachsen und, ganz in

Luthers Nähe, im Umkreis von Mansfeld.

Als er selber durch das thüringische Aufstandsgebiet reist, um die

Bauern zur Mäßigung aufzurufen, macht er eine neue, für ihn unge-

wohnte und darum einschneidende Erfahrung: Statt ihm mit Respekt

und Ehrerbietung zu begegnen, wird er mit Klingelgeläut verhöhnt,

niedergeschrien und verlacht.

In Orlamünde und in der Saalegegend trifft er auf seinen alten

Rivalen Karlstadt, den er doch aus Wittenberg gejagt und als erledigt

betrachtet hatte, dem aber jetzt die Leute nachlaufen und aufmerk-

samer zuhören als ihm, Luther. Und Thomas Müntzer, der ebenfalls

schon mehrfach aus verschiedenen Gemeinden verjagt worden war,

ist auch wieder da und agiert einfach in anderen Gegenden weiter, in

Eisenach, im Mansfelder Land und in der freien Reichsstadt Mühl-

hausen. Dort versucht er seine Vorstellungen einer gerechten Gesell-

schaftsordnung umzusetzen: Klöster werden aufgelöst, Räume für

Obdachlose geschaffen, eine Armenspeisung eingerichtet. Müntzer,

seiner Zeit weit voraus, fordert die ›>Gemeinschaft aller Güter die

gleiche Verpflichtung aller zur Arbeit und die Abschaffung aller Ob-

richkeit«.

Während Luther von den Bauern verspottet wird, folgen sie dem

»Satan Müntzer«, der nicht nur zu gewaltsamen Aufständen aufruft,

sondern auch eine eigene Theologie vertritt, die, wie Luther meint,

seine Lehre verfälscht. Zwar setzt auch Müntzer auf die Schrift,

kommt aber zu einer anderen Auslegung. Die Buchweisheiten der

Schriftgelehrten verachtet er, stattdessen setzt er auf Visionen und

unmittelbare göttliche Eingebungen. Und mit biblischen Zitaten be-

gründet er auch das Recht auf ein gewaltsames Vorgehen gegen die

gottlosen Fürsten und Bischöfe.

126In dieser Situation tut Luther etwas schwer Verständliches: Er

schreibt einen Text, in dem er sich nicht nur auf die Seite der Fürsten

schlägt, sondern diese zu gnadenlosem Vorgehen gegen die Aufstän-

dischen anstachelt. In seiner berühmt-berüchtigten Schrift Wider die

räuberíschen und mörderísc/zen Rotten der Bauern sagt er den Fürs-

ten, sie sollen die Bauern >›zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich

und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen

muss.«

Das hätte er den Fürsten gar nicht sagen müssen. Sie hätten das

auch ohne Luther getan. Haben es schon getan. Und hier wäre es an

Luther gewesen, die Fürsten zur Mäßigung aufzurufen. Stattdessen

konnten sie auf das Einverständnis Luthers setzen, und auch auf das

von Melanchthon. Der war am 18. Mai 1525 von Kurfürst Ludwig V.

von der Pfalz gefragt worden, was vom Aufruhr der Bauern zu hal-

ten sei. Und Melanchthon hatte geantwortet, die Obrigkeit tue recht,

wenn sie gegen das »wilde ungezogene Bauernvolk« vorgehe. Außer-

dem sei der Zehnte rechtens, die Leibeigenschaft und Zinsen nicht

frevelhaft. ››Die Obrigkeit kann die Strafe setzen nach der Not im Lan-

de und die Bauern haben nicht das Recht, der Herrschaft ein Gesetz

zu diktieren. Für solch ein ungezogenes, mutwilliges und blutgieri-

ges Volk nennt Gott das Schwert«

Nur vier Tage später zog der Kurfürst mit 4 500 Landsknechten,

1 800 Reitern und mehreren Geschützen von Heidelberg bis nach

Bruchsal gegen die Bauern und rang sie blutig nieder. Aber das war

fast schon ein Nachhutgefecht, denn die größte Niederlage war den

Bauern schon eine Woche zuvor in der Schlacht bei Frankenhausen

zugefügt worden.

In ihr wurden die Aufständischen unter Thomas Müntzer durch ein

Fürstenheer vollständig besiegt. Müntzer selbst wurde gefangen ge-

nommen und am 27. Mai in Mühlhausen enthauptet, nachdem er

auf die Festung Heldrungen gebracht und gefoltert worden war. Die

überlebenden Bauern wurden danach vom geistlichen und weltlichen

Adel mit maßlos überzogenen Schadenersatzforderungen und Stra-

fen verfolgt. Ungerührt kommentiert Luther: »Wer den Müntzer ge-

sehen hat, der mag sagen, er habe den Teufel leibhaftig gesehen« Und

Melanchthon: »Dieses Ende Thomas Müntzers ist zu bedenken, damit

jeder daraus lerne, wie hart Gott Ungehorsam und Aufruhr gegen die

Obrigkeit straft.<<

Danach war für sehr lange Zeit wieder Ruhe im Lande - so wie

Luther es gewollt hat.

Die Bauern ihrer Obrigkeit wieder untertan, Luthers schlimmster

Feind, der »Teufel Müntzer«, nicht nur besiegt, sondern auch hinge-

richtet, die göttliche Ordnung also wiederhergestellt - so konnten

sich die Wittenberger Reformatoren als Sieger fühlen. De facto waren

sie das auch. '

Jedoch: Beim gemeinen Volk hatte Luther an Ansehen verloren.

Er war nun nicht mehr die von allen anerkannte unumschränkte Au-

torität, als die er sich selber gesehen hatte ~ und ist es auch nie mehr

geworden.

Dass er nach dem Bauernkrieg an der Seite der weltlichen und

geistlichen Obrigkeit als Sieger stand, hat der gerade entstandenen

neuen Bewegung den revolutionären, vorwärtsdrängenden Geist ge-

nommen. Die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse wurden

damit für lange Zeit zementiert mit dem Glaubenssatz »Seid untertan

der Obrigkeit<<. Es dauerte bis 1789, also mehr als zwei Jahrhunderte,

bis sich in Frankreich die ausgebeuteten, entrechteten Massen wieder

gegen ihre Ausbeuter erhoben und die Herrschaft der Kirche und des

Adels beendeten. In Deutschland hat es noch länger gedauert, und

einer der Gründe dafür ist bei Martin Luther zu finden. Der hieß Auf-

ruhr nur gut, wenn er selbst dessen Urheber war, und auch nur, wenn

es sich um geistigen oder geistlichen Aufruhr handelte, nicht aber

um gewaltsamen. Kam der Aufruhr von anderen, gar gewaltsam, sah

er den Teufel am Werk.

Immer sah er den Teufel, Hexen, Dämonen am Werk, wenn es

nicht nach seinem Kopf ging. Tief im Herzen und auch im Geist war

128er daher weiter dem mittelalterlichen Denken verhaftet geblieben.

Dass ihn die Entdeckung Amerikas nicht sonderlich interessierte,

wurde schon gesagt. Dass er Kopernikus durch die Bibel widerlegt

sah, wurde ebenfalls schon erwähnt. Aber es gibt nochmehr Äuße-

rungen, Verhaltensweisen, Gedanken, die ihn als Mann des Mittelal-

ters ausweisen. So kam es, dass etliche derer, die anfangs von Luther

begeistert waren, weil sie ihn für einen Geistesverwandten und Ver-

bündeten hielten, sich später enttäuscht von ihm abwandten.

Einer der Prominentesten unter den von Luther Enttäuschten

ist der Humanist Erasmus von Rotterdam. Der dachte anfangs auch,

dass in Luther ein moderner Mensch stecke, ein Humanist, der das

Alte abschütteln wolle, einer, der davon überzeugt sei, dass die hu-

manistische Bildung den Menschen befähige, die in ihm angelegten

Möglichkeiten optimal zu entfalten und seine wahre Bestimmung zu

erkennen. Und er dachte, dass Luther ebenfalls von der in der An-

tike herrschenden Geistesfreiheit angesteckt sei und gelernt habe,

den kontroversen Streit um die Wahrheit als etwas Normales, ja Er-

wünschtes, den Erkenntnisfortschritt Beförderndes zu betrachten.

Und er dachte, in Luther einem neuzeitlichen Skeptiker zu begegnen,

der auch zur Skepsis gegenüber seiner eigenen Lehre imstande und

daher bereit sei, sie jederzeit auf den Prüfstand zu stellen.

Aber all das war Luther nicht. Er war kein Mensch des Mittelalters

mehr, aber ein Mensch der Neuzeit war er auch nicht. Er stand quer

zu seiner Zeit. Dass es sich so verhält, lernte Erasmus, als er mit Luther über die

Willensfreiheit stritt. Luther hatte in einer seiner Disputationen be-

stritten, dass der Mensch über einen freien Willen verfüge. Diese Auf-

fassung folgte logisch aus seiner Gewissheit, dass allein Gottes Gnade

dem Menschen das Heil ermögliche und nicht dessen Tun. _

Für Erasmus mit seiner humanistischen Hochschätzung der

menschlichen Möglichkeiten war das eine Provokation. Deshalb ver-'

öffentlichte er 1524 die Schrift De líbero arbítrío ›>Vom freien Wil-

len<<, worin er zu begründen versuchte, warum der Mensch eben dochüber einen freien Willen verfüge. Und ganz vorsichtig gegen Luthergewandt schrieb er, dass nicht alles, was in der Bibel steht, so eindeutig sei, dass man felsenfeste Urteile auf sie gründen könne. Dies gelteauch und besonders für die Frage des freien Willens. Diese sei allein mit der Schrift nicht eindeutig zu klären.

Dem widersprach Luther 1525 in seiner Schrift De servo arbitrío,

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 91-111

2017. december 29. 12:25 - RózsaSá

lich Luther. Martin aber wirft 'beide Arme in die Luft und lacht und

schreit: »Ich bin hindurch! Ich bin hindurchl«

Ja, er war hindurch, insofern er der Erste war, der auf dem Reichs-

tag in Worms einfach eine grundlegend neue Spielregel in die Welt

setzte und danach spielte. Was künftig gelten soll, so lautet nun die

neue Regel, muss einen Grund in der Bibel haben, vor der allgemein

menschlichen Vernunft Bestand haben und von dem Gewissen eines

jeden Einzelnen verantwortet werden können. Und wenn diese drei

Bedingungen nicht erfüllt sind, dann können Kaiser, Papst und Kon-

zilien beschließen, was sie wollen, es hat für einen freien Christen-

menschen keine Gültigkeit mehr.

Damit, so wird gesagt, habe Luther das Tor zur Neuzeit aufgesto-

ßen. Deshalb sei er einer der Wegbereiter der Aufklärung gewesen.

Ganz so einfach war es aber auch wieder nicht. Zwar hört es sich

tatsächlich sehr neuzeitlich an, wenn sich einer im 16. Jahrhundert

auf Vernunft und Gewissen beruft, aber im Falle Luthers wird dabei

etwas Entscheidendes überhört: Stets hat er sich auf ein im Wort Got-

tes gefangenes Gewissen berufen, nie auf ein autonomes. Und auch

die Vernunft ließ Luther nur gelten, wenn sie in der Schrift wurzelte.

Auf diese ›>Krücken« - Gott und die Schrift- meinten die späte-

ren Aufklärer getrost verzichten zu können. Luther wäre da-

mit wohl kaum einverstanden gewesen.

Wenn es auch übertrieben ist, zu sagen, Luther habe das

Tor zur Neuzeit aufgestoßen: Die Klinke gedrückt und um

einen Spalt geöffnet, das hat er getan. Hindurchgegangen ist

er selber nie. Hindurchgegangen ist er durch die Versuchung,

sein Leben zu retten durch Widerruf. Hindurchgegangen ist

er durch das Feuer innerer Zweifel und Ängste, durch Ring-

kämpfe mit den Mächten dieser Welt und durch Kämpfe um die Wahrheit. Und nun denkt er: Sollen sie mich doch verbrennen, der Ertrag meiner Kämpfe wird  bleiben.

Ein Fürst versteckt seinen Untertan vor Papst und Kaiser

Luther war nun also ››durch<<. Die Welt aber war es noch lange nicht.

Die Kirche sowieso nicht. Zwar war klar: Er ist des Todes. Aber wird

danach wieder Ruhe einkehren im Land?

Aus der Rückschau lautet die Antwort: Egal, ob wir ihn umbrin-

gen oder weiter gewähren lassen - es ist vorbei. So oder so haben wir

jetzt so eben den Anfang vom Ende der Alleinherrschaft von Papst

und Kirche erlebt. Das wird allenfalls unter Inkaufnahme von viel Ge-

walt und Blutvergießen noch rückgängig zu machen Sem

Für die damals Lebenden war das aber keineswegs so deutlich zu

erkennen. Zu erahnen war allenfalls: Wenn sie Luther umbringen,

wird es ein Pyrrhussieg sein für die Kirche. Sie haben dann zwar ihn

umgebracht, nicht aber seine neue Lehre. Die ist nun da, und den

Glauben an eine Idee kann man zwar unterdrücken, bestrafen, behin-

dern, wo immer es geht, und man kann auch die Gläubigen umbrin-

gen, aber die Idee wird weiterleben, und wer wird bereit sein, mas-

senhaftes Blutvergießen um der reinen katholischen Lehre willen zu

verantworten?

Man könnte auch den Druckereien im Reich verbieten, Luthers

Schriften weiter zu drucken, aber das erfordert einen hohen Aufwand

an Kontrolle. Und wenn außerhalb des Reichs nachgedruckt wird, ist

man machtlos.

Nein, es war zu Ende. Nur wahrhaben wollte das damals in Rom

niemand. Man glaubte, wieder so weitermachen zu können wie bis-

her, wenn das Ärgernis Luther erst mal aus der Welt sei. Das war ein

Irrtum, an dem die römische Kirche noch lange festhielt, und der

dann tatsächlich ein Jahrhundert später dazu beigetragen hat, dass

Ströme von Blut flossen.

95 In ganz Europa begann nun ein schmerzhafter Lernprozess, nicht

nur für die Anhänger Roms, auch für die Anhänger Luthers und so-

gar für Luther selbst, denn es gab nun ein Problem: Wenn es keine

oberste Instanz mehr gibt, die im Konfliktfall entscheidet, was gut,

wahr und richtig ist, wie soll man sich dann noch auf verbindliche

Wahrheiten einigen können? Was tun, wenn verschiedene einzelne

Gewissen trotz ihrer Bindung an Gott zu verschiedenen Ergebnis-

sen kommen? Und das sollte schon bald der Fall sein: dass Luthers

Anhänger zu anderen Schlüssen kamen als Luther und einander alle

widersprachen.

Luther wird dieses Problem bis zu seinem Tod nicht lösen kön-

nen, aber auch seine Nachfolger nicht. Eine Lösung kann es auch

nicht geben in einer Gemeinschaft, die für sich eine letzte Instanz

und oberste Autorität nicht gelten lässt. Daher müssen die Menschen

seit der Reformation reif werden für die Erkenntnis, dass die einzige

absolute Wahrheit, die es nun noch gibt, lautet, dass es keine abso-

lute Wahrheit gibt. Und wenn es sie aber dennoch geben sollte, dann

kennen wir sie nicht, und wer behauptet, in ihrem Besitz zu sein, irrt

sehr wahrscheinlich. Sollte er aber nicht irren, hätte das für die Welt

und alle anderen so lange keine Bedeutung, solange es ihm nicht ge-

lingt, den Rest der Welt von seiner Wahrheit zu überzeugen. Er muss

dann eben damit leben, dass die anderen seiner Meinung nach irren,

das darf er auch sagen, nur eines darf er nicht: Seine eigene Wahrheit

für absolut erklären und keine andere mehr gelten lassen. Und schon

gar nicht darf er seine eigene Wahrheit mit Gewalt gegen alle anderen

durchsetzen.

Der Weg zu dieser Einsicht war in den Jahrhunderten nach Luther

mit erbitterten Auseinandersetzungen, tödlichen Feindschaften, Or-

gien von Gewalt und Strömen von Blut begleitet. Er mündete schließ-

lich in das Grundrecht der Religionsfreiheit und im weltanschaulich

neutralen Staat, der dafür zu sorgen hat, dass keine Religionsgemein-

schaft allen anderen ihren Willen aufzwingt und die eigene Religion

über alle anderen stellt. Der Prozess ist noch nicht zu Ende, wird

9898 seine formelle Entlassung warten. Er bekam sie am 25. April nach-

mittags. In dem Entlassungsschreiben wurde er angewiesen, sich

binnen 21 Tagen an seinen Wohnort zu begeben und ››unterwegen

nicht predigen, schreiben, noch in andere wege das volk regig (zu)

machen<<.31 Die kaiserliche Zusage auf freies Geleit hatte also Bestand.

Zumindest diese Sorge wurde Luthers Sympathisanten genommen.

Die Gesetze hatten aber ebenfalls noch Bestand, und darum muss-

te der Kaiser nun tun, wozu er verpflichtet war: die Reichsacht über

Luther verhängen. Das geschah noch in Worms am 8. Mai, wurde aber erst am 24. Mai öffentlich verlesen und am 26. Mai von Kaiser Karl unterschrieben. Es ging als »Wormser Edikt« in die Geschichte ein, und darin stand über Luther, dass niemand den Ketzer beherbergen,

versorgen, verstecken oder ihm irgendeine Hilfe leisten dürfe, son-

dern jedermann verpflichtet sei, ihn zu ergreifen oder zu denunzieren

und in kaiserlichen Gewahrsam zu überführen. Jeder, der Luther un-

terstützt oder ihm anhängt, verfällt ebenfalls der Reichsacht.

Seine Schriften sind zu verbrennen oder sonstwie zu vernichten.

Anonyme Publikationen und alle dem katholischen Glauben wider-

sprechenden Druckerzeugnisse sind verboten, ebenso ihr Besitz und

deren weitere Verbreitung. Neue Schriften, die den Glauben betref-

fen, dürfen nur nach einer Prüfung des zuständigen Ortsbischofs und

der nächstgelegenen theologischen Fakultät gedruckt werden. Aber

auch andere Veröffentlichungen sollen nur mit Wissen und Willen

des Bischofs erscheinen dürfen.

Da war er also, der zum Scheitern verurteilte Versuch, das Rad

der Geschichte in die Zeit vor Luther zurückzudrehen. Die Drucker

ignorierten einfach das Wormser Edikt und druckten Weiter. Die Käu-

fer der Drucke ignorierten es ebenfalls und kauften einfach weiter

Luthers Schriften. Sehr viele Menschen im Reich interpretierten das

Edikt als Dokument des höchsten Unrechts, ja als Eingeständnis des

Scheiterns von Kaiser und Papst, denn diese hatten sich als unfähig

erwiesen, den kleinen Bettelmönch mithilfe der Schrift und der Ver-

nunft zu widerlegen. Also musste er im Recht sein.

99 So wurde aus dem Geächteten ein Held, der, von Lucas Cranach

entsprechend gemalt, gezeichnet, in Kupfer und in Holz gestochen

wurde. Rasch kursierte das Bild von Luther, wie er sich auf dem

Reichstag in Worms, tapfer und standhaft dem Kaiser und Papst wı-

dersetzt.

Aber viele fragten sich bang: Was wird jetzt aus ihm? Wıe konnen

wir ihn schützen?

Er war längst in Sicherheit. Sein treuer Kurfürst hatte wieder

einmal vorgesorgt und dem Ganzen eine neue abenteuerliche Wen-

dung gegeben. Auf der Rückreise von Worms nach Wittenberg hat er

Luthers Wagen am 4. Mai nahe der Burg Altenstein in Thüringen von

Reitern überfallen und Luther entführen lassen. Die Reiter trennten

ihn von seinen übrigen Begleitern und brachten ihn auf die Wartburg

im Thüringer Wald bei Eisenach. Die zurückgebliebenen - und nicht

eingeweihten - Mitreisenden erzählten anschließend schockiert von

dem Überfall, und bald glaubte alle Welt, Luther sei nach diesem

Überfall ermordet worden. _

Genau das hatte der Kurfürst mit seinem Manöver beabsichtigt.

Nicht nur das Volk, sondern vor allem der Klerus in Rom sollte glau-

ben, Luther sei tot, damit man sich in Rom beruhige, ablenke und

aufhöre, nach Luthers Verbleib zu fragen und dessen Auslieferung zu

fordern. _

Wie gut der Plan aufging, zeigte sich an der Klage des prominen-

ten Luther-Verehrers Albrecht Dürer: »O Gott, ist Luther tot, wer

wird uns hinfürt das heilig Evangelium so klar fürtragen! Ach Gott,

was hätt er uns noch in 10 oder 20 Jahrn schreiben mögen! O ihr alle

fromme Christenmenschen, helft mir fleißig beweinen diesen gott-

geistigen Menschen und ihn bitten, daß er uns ein andern erleuchten

Mann send.<<32

Luther blieb nun zehn Monate auf der Wartburg, Friedrich wurde

tatsächlich von Rom in Ruhe gelassen, aber nun zeigte sich: Luther

mag tot sein, aber seine Ideen leben. Der totgeglaubte Luther war weı-

terhin imstande, für Aufruhr zu sorgen im ganzen Land, mit seinen

A frei herumvagabundierenden Gedanken, Schriften, Bildnissen. Alles, was er bis zu diesem Zeitpunkt schon geschrieben hatte, verbreitete

sich wie von selbst weiter, jetzt, nach seinem Auftritt in Worms, noch

schneller in noch höheren Auflagen - was für Luther den großen Vor-

teil hatte, dass er sich nun in aller Ruhe ganz auf seinen nächsten

Coup konzentrieren konnte.

101 XI. Die Erfindung der deutschen Sprache durch Junker Jörg

Nur wenige Menschen leben in den verfallenen Gemäuern der Wart-

burg. Und von den wenigen weiß nur einer, Burghauptmann Hans

von Berlepsch, dass »Junker Jörg«, der neue Gast, der sich da auf unbestimmte Zeit einrichtet, Martin Luther ist. Der lässt sich jetzt die

Haare und einen Bart wachsen, damit bald nichts mehr an den Mönch

Luther erinnert. Der Burghauptmann, sorgfältig instruiert von Kurfürst Friedrich, erwöhnt seinen 38-jährigen Zwangsgast mit erlesenen Speisen und Getränken und lehrt ihn Reiten, Fechten und Jagen. Das Gerücht, dass Luther tot sei, will der Kurfürst so lange wie möglich nähren.Deshalb sollten so wenig Menschen wie möglich Umgang mit Luther haben, und so wenig Menschen wie möglich wissen, dass er tatsächlich noch am Leben sei.

Luther ist über diese Zwangsinternierung nicht gerade glücklich,

so richtig unangenehm ist sie ihm auch nicht. Immerhin be-

er sich an einem sicheren Ort. Außerdem ist ihm die Stadt

der Burg, Eisenach, ein Erinnerungsort, denn hier verbrachte

Wichtige Jahre seines Lebens. Von 1498 bis 1501 besuchte er die

Lateinschule St. Georgen. Hier verdiente sich Luther sei-

Lebensunterhalt als Kurrende-Sänger - wie später auch Johann

Bach, der berühmteste Eisenacher.“

Aber vor allem kann er sich jetzt weitgehend ungestört von äuße-

Eilnflüssen wieder auf seine theologische und schriftstellerische

Afbâit konzentrieren. Im Obergeschoss des Vogteigebäudes hat Ber-

låpåch ihm eine Studierstube einrichten lassen. Dort pflegt er seine

Wêitverzweigte Korrespondenz. So spricht sich, zumindest unter je-

nen lšlmtcweilitieıi. mit denen Luther korrespondiert, doch allmäh-

102lich herum, dass er am Leben ist, wenngleich er die meisten Adressa-

ten über seinen Aufenthaltsort im Unklaren lässt.

Anfangs verfasst Luther Traktate über die Beichte, das Mönchs-

wesen und die heilige Messe. Dann aber beginnt er eine Arbeit, die

Eisenach und die Wartburg bis heute zu einem Erinnerungsort für

alle Deutschen, alle evangelischen Christen, ja eigentlich alle Chris-

ten überhaupt macht. Ende 1521 wagt er sich an die Übersetzung der

Bibel ins Deutsche.

Sie ist das Buch, das für ihn nie einfach nur Handwerkszeug, son-

dern immer schon die einzig gültige Quelle des Glaubens gewesen

ist. »Erstmals im Alter von 20 Jahren hatte Luther in der Erfurter

Universitätsbibliothek eine vollständige Bibel gesehen, sogleich in ihr

gelesen« 34 und seitdem nicht mehr aufgehört, sie zu studieren. Bald

schon kannte er sich in ihr besser aus als die meisten seiner theolo-

gischen Zeitgenossen.

Aus der Bibel erhoffte sich Luther Antworten auf Lebensfragen

für sich und für alle Menschen. Und er hat diese Antworten ja auch

gefunden, vor allem die Hauptantwort, dass es keiner guten Wer-

ke bedürfe, um von Gott angenommen zu werden. Daher erschien

es Luther schon lange selbstverständlich, dass diese gute Botschaft

unverfälscht und für alle verständlich unters Volk gebracht werden

muss. Die ganze Christenheit sollte selbst in der Bibel lesen oder das

Vorgetragene zumindest verstehen, denn nicht jeder war des Lesens

kundig. Aber jeder konnte zuhören, wenn ein Lesekundiger aus der

Bibel vortrug. 1

Luther war nicht der Einzige und schon gar nicht der Erste, der

gefordert hatte, die Bibel zu übersetzen, damit sich jeder Christ unab-

hängig von der Kirche und den Priestern mit den Inhalten des Glau-

bens vertraut machen könne. Schon zweihundert Jahre vor ihm hat

ein bis heute Unbekannter eine beachtliche Übersetzung der Evange-

lientexte zustande gebracht, die heute unter dem Namen »Kloster-

neuburger Evangelienwerk« bekannt sind. Unter Experten wird der

Verfasser ›>ÖBü<< genannt- »Österreichischer Bibelübersetzer«. Man

103 weiß nicht, wie er heißt, welchen Beruf er hatte und was ihn zu seiner

Arbeit motivierte. Dass er in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in

dem damaligen Herzogtum Österreich gelebthat, schließt man aus

den Fundorten der überlieferten Kopien und den in den Schriften ge-

machten Zeit- und Ortsangaben.“

Wissenschaftler zählen bisher insgesamt 70 Übersetzungen von

Bibeltexten ins Deutsche vor der Veröffentlichung der Lutherbibel.

Von diesen Laienbibeln wurden 14 gedruckt, jedoch handelte es

sich stets nur um Bibelfragmente, für Laien schwer verständliche

Wort-für-Wort-Übertragungen der lateinischen Vulgata, die selbst

schon eine oft ungenaue Übersetzung aus dem griechischen Original

ist. Keine dieser in deutsche Dialekte übersetzten Bibeln schafft es,

die Botschaft der Heiligen Schrift wirklich ››rüberzubringen<<. Luther

erkennt sofort: Durch das Kleben am Wort haben die Übersetzer den

ursprünglichen Sinn des Textes mehr entstellt als wirklich übersetzt.

Statt Wort für Wort wollte Luther daher Sinn' für Sinn ins Deut-

sche übertragen. Aber was heißt schon ››Deutsch«? Es gibt »das Deut-

sche« ja noch gar nicht. Was es gibt, sind drei Varianten des Deut-

schen: das ››Oberdeutsche<< Bayerns, Frankens, Badens, Schwabens

und Österreichs; das ››Niederdeutsche« an Nord- und Ostsee, in Nie-

dersachsen und Westfalen; das ››Mitteldeutsche<< von Sachsen und

Thüringen über Hessen bis ins Rheinland. Im Norden wird kaum ver-

ßtarıden, was im Süden gesprochen wird, und umgekehrt.

Nur das Mitteldeutsche, die Sprache Luthers, wird auch einiger-

maßen in nördlicheren und südlicheren Landesteilen, also in einem

ijroßen geografischen Raum, verstanden. In dieser Schreibsprache

verständigen sich die Beamten der Fürsten mit den Beamten des Kai-

sers. Auch die Kaufleute bedienen sich dieser Sprache. So gesehen ist

es ein glücklicher Zufall, dass Luther im Mitteldeutschen angesiedelt

und mit dieser Kanzlei-Sprache vertraut ist. Sie bildet den Grundwort-

achatz für sein Bibelprojekt.

Daher beginnt Luther nun noch einmal ganz von vorn. Statt an

104die lateinische Vulgata hält er sich ans griechische Original und spä

ter -für die Übersetzung des Alten Testaments - ans hebräische. Aber

bei dem Versuch, den Sinn der griechischen Sätze in deutsche Sätze

zu gießen, gerät er mit seiner mitteldeutschen Kanzlei-Sprache im-

mer wieder an die Grenzen des Sagbaren. Sein Kanzlei-Deutsch taugt

allenfalls als Gerippe. Luther muss, um dem Gerippe eine Gestalt zu

geben, Fleisch und Blut hinzufügen. Aber woher nehmen?

In dieser Not entfaltet sich Luthers Sprachgenie. Auf der Suche

nach dem treffenden Wort geht er mit einer so leidenschaftlichenfAkribie vor, dass er dieses »Fleisch und Blut Hinzufügen« manchmal

'fast im wahrsten Sinne des Wortes betreibt, so zum Beispiel, als er die

im Alten Testament geschilderten Tieropfer zu verstehen versucht.

Er geht deshalb tatsächlich zu einem Metzger und lässt sich die In-

nereien eines Schafes zeigen und benennen und kommt so an einer

anderen Bibelstelle, einem Psalm, auf das Bild, etwas ››auf Herz und

Nieren«prüfen zu lassen. .

Luther gelingen viele solcher Bilder und Wortschöpfungen, die

bis heute im Deutschen in Gebrauch sind und so frisch wirken wie

am Tag ihrer Erfindung. Er ersinnt Ausdrücke wie Bluthund, _Barm-

herzigkeit, Bilderstürmer, Bosheit, Denkzettel, Gewissensbisse, Feu-

ereifer, Feuertaufe, Friedfertige, Glaubenskampf, Lästermaul, Lock-

vogel, Lückenbüßer, Machtwort, Morgenland, Nachteule, Ordnung,

Richtschnur, Rüstzeug, Schandfleck, Selbstverleugnung, Sicherheit,

Sündenbock, Verdammnis, Winkelprediger und Wortgezänk.

Wir verdanken Luther das »Buch mit sieben Siegeln«, den »Wolf

im Schafspelz« und den »großen Unbekannten«. Metaphern wie »Per-

len vor die Säue werfen<<, »die Zähne zusammenbeißen«, etwas »aus-

posaunen«, »im Dunkeln tappen«, »ein Herz und eine Seele sein«,

»auf Sand bauen« gehen ebenso auf Luther zurück wie »Wes des

Herz voll ist, des geht der Mund über«. Manchmal muss er tagelang

grübeln, um für ein griechisches Wort ein treffendes Wort im Deut-

schen zu finden, und wenn er trotz langen Grübelns nichts gefunden

hat, erfindet er eben ein Wort und übersetzt dann beispielsweise das

griechische ››proskairos« (unstet, vergänglich) mit »wetterwendisch«

oder .kommt auf Begriffe wie geistreich, gnadenreich, gottgefällig

oder kleingläubig.

Hier, bei dieser schwierigen Arbeit am Wort, kommt ihm nun

tatsächlich sein Klosteraufenthalt zugute, aber auch sein in Erfurt

erworbener Magister Artium. Nicht allein dass er hier die erste la-

teinische Bibel in die Hand bekommt und er das Lateinische immer

perfekter lernt, er gerät auch unter den Einfluss des Humanismus,

dessen neuer Geist die Erfurter Universität beherrscht. Deren »zu-

107 rück zu den Quellen« erforderte das Lernen von Griechisch, Hebrä-

isch und Latein - wie es noch bis heute auf den altsprachlichen hu-

manistischen Gymnasien der Brauch ist.

Luther` lernte daher von Anfang an Latein und danach Hebräisch.

Als er selber zu lehren begann und Vorlesungen über den Römer-,

Gtılater- und Hebräerbrief hielt, merkte er, dass er Griechisch können

ıoilte, und so brachte er es sich zwischen 1515 bis 1518 selber bei.

Danach hatte er einen neuen Mitarbeiter an seiner Seite, der im Lauf

der Jahre sein Freund und engster Berater wurde: der humanistisch

gebildete Philipp Melanchthon. Durch ihn lernte Luther das Griechi-

Iche immer besser, vor allem auf der Wartburg.

Zuvor schon, als er nicht nur Theologie-Vorlesungen zu halten

hatte, sondern auch sehr gefragt war als Prediger, hatte er regelmäßig

vor der Frage gestanden: Wie sage ich”s dem Volk? Was steht da in den

biblischen Urtexten, was ist die Botschaft, und in welche Worte muss

ich sie kleiden, damit der Bauer und die Marktfrau es verstehen?

Luther hatte also, als er sich auf der Wartburg an das große Vor-

haben der Bibelübersetzung wagte, schon sehr viel Übung darin, die

griechischen und hebräischen Urtexte so ins Deutsche zu übersetzen,

dass sie verstanden wurden. Er hatte diese Übung auch deshalb, weil

er nach einem sehr modernen Verfahren übersetzte, das er einmal

80 beschrieb: »Denn man muss nicht die Buchstaben in der lateini-

schen Sprache fragen, wie man soll Deutsch reden, wie diese Esel tun,

sondern muss die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den

flemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das

Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; da verstehen sie

es denn und merken, dass man deutsch mit ihnen redet«

Genau mit diesem Anspruch, also fast wie ein Journalist, hatte

er gepredigt, und genau so versucht er nun die Bibel zu übersetzen.

Aber nicht nur darin ist er sehr modern. Er ist es auch in seinem

Zweifel an den alten Autoritäten. Darum prüft er nach, was er nach- ~

prüfen kann. Wenn er sich von etwas selbst ein Bild machen kann,

luli cr's. Und vor allem: Er zieht andere zurate, Experten, die sich auf

108bestimmten Gebieten viel besser auskennen als er selbst. Er lässt sich

Edelsteine aus dem Besitz des Kurfürsten Friedrich auf die Wartburg'

bringen und sich die Namen erklären, um die in der Bibel genannten

Edelsteine richtig übersetzen zu können.

Einerseits nimmt er es also sehr genau mit seiner peniblen Ar-

beit an Wort und Sinn, denn die Schrift ist ihm heilig. Andererseits

erlaubt er sich auch große Freiheiten dort, wo er es für nötig hält.

Was ihm unwesentlich erscheint, lässt er weg. Da ist ihm nichts hei-

lig. Und natürlich liest er die ganze Bibel unter dem Eindruck seines

››Turmerlebnisses<< und seiner reformatorischen Entdeckung eines

neuen Gottesbildes. Genauso übersetzt er. Er lässt nicht nur weg, was

ihm unwichtig erscheint, er schreibt auch hinein, was nicht drin-

steht, ihm aber wichtig erscheint.

Katholische Kritiker werfen ihm daher vor, er habe den Bibeltext

an vielen Stellen verfälscht, zum Beispiel an jener berühmten Stel-

le des Römerbriefs, an der Luther seine reformatorische Entdeckung

festmacht (Römer 3,21-28). Dort steht: ››So halten wir nun dafür,

dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke durch den

Glauben.<<

Luther schmuggelt hier eigenmächtig das Wort ››allein« in den

Satz, sodass es in allen Lutherbibeln nun heißt: »So halten wir nun

dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein

durch den Glauben« (sola fide).

Und er steht dazu, antwortet seinen Kritikern selbstbewusst:

»Wahr ist's. Diese vier Buchstaben (sola) stehen nicht drinnen. Aber

wo man”s will klar und gewaltiglich verdeutschen, so gehöret es hi-

neln.<<

Modern ist Luther auch darin, dass er gern im Team arbeitet. Auf

seiner Burg und später wieder in Wittenberg versammelt er andere

Talente um sich, Menschen verschiedener Herkunft, um von deren

Wissen und Kenntnissen zu profitieren. Philipp Melanchthon, Pro-

fessor der griechischen Sprache und Kenner des Hebräischen, gehört

natürlich dazu. Johannes Bugenhagen, Professor an der Universität

109und Pfarrer an der Stadtkirche Wittenberg, ist der große ››Lateiner«

der Gruppe. Matthäus Aurogallus, Professor aus Wittenberg, ist der

»Hebräer<<. Georg Spalatin, hochgebildeter Humanist und Theolo-

ge, dient Luther als Verbindungsmann zu Friedrich dem Weisen. Die

Einzelnen Mitglieder des Teams sprechen niederbayerisch, böhmisch,

fränkisch und kurpfälzisch, haben in Heidelberg, Tübingen, Greifs-

wald, Leipzig und Erfurt studiert und gearbeitet. So bringt jeder seine

annschaftliche Sprachfärbung in die Arbeit am Bibeltext mit

lin, und Luther erhält beständig Anregungen für die schwierige Ar-

des Übersetzens.

Trotzdem bringen sie, wie Luther einmal klagt, manchmal in vier

kaum drei Zeilen zustande. Die Übersetzungsarbeit gerät ihm

oft zu einer rechten Qual. Dabei litt er nach eigenem Bekunden häu-

flß unter Visionen. »Tausend Teufeln bin ich au`sgesetzt«, schrieb er.

Aus solchen Erzählungen über sein Ringen ums richtige Wort wird

Gin Ringen mit dem Teufel, und aus seiner Aussage, er habe den Teu-

fel mit Tinte vertrieben, entsteht wieder eine Lutherlegende: die Ge-

lchíchte, dass Luther ein Tintenfässchen auf den Teufel geworfen

habe. Den Tintenfleck habe man lange an der Wand sehen können.

Das stimmt. Bilder zeigen den Fleck, Schriftzeugnisse berichten

davon. Dumm nur, dass die ältesten Zeugnisse dieser Art aus der Zeit

um 1-650 stammen, also rund ein Jahrhundert nach Luthers Tod. Der

Fleck, der nun an der Wand wirklich zu sehen war, ist irgendwann

aufgemalt und ein halbes Dutzend Mal nachgemält oder~an neuer

Stelle angebracht worden. Manch ein Besucher der Lutherstube be-

flhügte sich nicht damit, ihn anzufassen, sondern kratzte gleich ein

Stückchen ab, um ihn als Reliquie mit nach Hause tragen zu können.

Trotz teuflischer Störungen und gelegentlicher Fortschritte im

Schneckentempo ist die Übersetzung des Neuen Testaments ins Deut-

ßche in der Rekordzeit von nur elf Wochen fertig. Ende Februar 1522

packt Luther seine Sachen, reist nach Wittenberg mit dem Neuen

Teßlament im Gepäck, aber lässt es nicht gleich drucken, sondern von

Mcliınchthon noch einmal gründlich überarbeiten. Pünktlich zur

110Leipziger Messe, die es schon seit dem 12. Jahrhundert gibt, erscheint

im September 1522 die erste, in wenigen Wochen vergriffene Auflage

von 3 000 Exemplaren.“ Diese ››Septemberbibek< ist so rasch ausver-

kauft, dass ihr drei Monate später die nächste Auflage folgt. Bald wird

sie auf den Kanzeln zitiert, im Schulunterricht verwendet, als Volks-

buch geschätzt.

Illustriert ist das Werk mit Bildern aus der Werkstatt des Refor-

mations-Propagandisten Lucas Cranach, von dem schon zahlrei-

che Luther-Bilder in Umlauf sind, auch Bilder vom Junker Jörg auf

der Wartburg. Anderthalb Jahrzehnte nach der ersten Auflage sind

200 000 Stück verkauft. Luther stand mit seinem Wunsch, sich selbst

davon zu überzeugen, was wirklich in der Bibel steht, nicht mehr al-

lein. Die Zahl der verkauften Bibeln zeigt, dass sich zahlreiche seiner

Zeitgenossen ebenfalls nicht mehr mit dem begnügen wollten, was

ihnen die Priester erzählten.

Luther kehrt nie mehr auf die Wartburg zurück und arbeitet

jetzt in Wittenberg an der Übersetzung des Alten Testaments. Dafür

braucht er, weil er sich nun wieder um vieles andere kümmern muss,

wesentlich länger. Es dauert bis zum September 1534, also zwölf Jah-

re, bis erstmals die ganze Bibel auf Deutsch erscheint. Obwohl ihr

Erwerb sehr kostspielig ist- zwei Gulden und acht Groschen, der Mo-

natslohn eines Maurergesellen - findet die Lutherbibel reißenden Ab-

satz, wird ins Niederländische, Französische und Englische übersetzt

und auch in die skandinavischen und slawischen Sprachen. Einmal

erworben wird sie als Familienbibel von Generation zu Generation

weitervererbt.37

»Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen möchte ich auch

dienen<<,38 soll Luther einmal gesagt haben. Dass er das wirklich getan

hat, davon sind, besonders in katholischen Kreisen, noch heute nicht

alle überzeugt. Aber eines wird man ihm nicht absprechen können:

Er hat den Deutschen die Sprache gegeben, die bis heute von der Ost-

see bis zu den Alpen gesprochen, verändert, verstanden wird.

Das allein macht ihn schon zu einer großen geschichtlichen

111 Figur, der das fast Unvermeidliche widerfährt, die Ironie der Geschich-

te: In den Jahrhunderten nach seinem Tod wird er, der Mann, der sich

gegen die katholische Heiligenverehrung ausgesprochen hatte, selbst

ßum Heiligen. Der Mann, der nichts von Pilgerreisen hielt, löst Pil-

auf die Wartburg aus. Der Schreibtisch des Mannes, der

den katholischen ››Reliquienkram« polemisierte, wird zur Re-

Splitter für Splitter brechen die Pilger aus dem Tisch. Manche

man könne Zahnschmerzen damit heilen, wenn man sich so

Span in den Mund steckt. Irgendwann ist so viel Holz heraus-

dass der ganze Tisch in sich zusammenfällt.39 Heute steht

Nachbildung dieses Tisches in der Lutherstube auf der Burg, in

das Neue Testament übersetzt und die deutsche Sprache erfun-

wurde. Nur der Walfisch-Wirbelknochen, 'der Luther als Fuß-

diente - vermutlich ein Geschenk Friedrichs des Weisen -

das einzig noch erhaltene Stück aus der Lutherstube.

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 76-81

2017. december 28. 10:58 - RózsaSá

76 Der Bruch, der Bann und der Beginn einer neuen Zeit

Als Luther nach dem letzten Gespräch mit Cajetan gefragt wird, wie

es denn jetzt weitergehen soll und wo er bleiben wolle, sagt er: »Un-

term Himmel.<< Was so viel heißt wie: in Gottes Hand.

Luther weiß jetzt, dass es sich bei dem Personal, mit dem er es zu

tun bekommen hatte und noch zu tun bekommen würde, nicht um

Glaubende und Gottesfürchtige handelt, sondern um Glaubensbeam-

te, professionelle Manager des Kirchenbetriebs, Karrieristen, Funk-

tionäre, die selten oder noch nie um die Wahrheit gerungen, einen

theologischen Gedanken gründlich durchdacht, geschweige denn

existenziell durchlitten hatten. Die vielen Argumente, die sich Luther

für das Gespräch mit Cajetan zurechtgelegt hatte, die befreienden Er-

kenntnisse, die er sich über viele Jahre mühsam erkämpft hatte, die

existenziellen Erfahrungen im Ringen mit Gott - das alles hat diesen

Kirchenkarrieristen überhaupt nicht interessiert.

War ja auch nicht mein Job, würde Cajetan heute darauf antwor-

ten. Ich bin doch nicht nach Augsburg gereist, um mich für die aus

dem Ruder gelaufenen Gedanken eines unbedeutenden Mönches aus

der Provinz zu interessieren. Vielmehr lautete mein Auftrag, die Stö-

rung, die von Luther ausging, zu beseitigen und ihm klarzumachen,

dass es nur noch zwei Möglichkeiten gibt: Entweder du widerrufst

und wirst fortan wieder still sein, oder du bekommst einen »fairen«

Ketzerprozess, der im Feuer enden wird.

Luther in seiner unschuldigen Naivität war diese Klarheit des Ca-

jetan'schen Auftrags vor seinem Gespräch wohl kaum so bewusst. Da-

nach aber war er um eine Erfahrung reicher, zu der sich im weiteren

Verlauf immer mehr ähnliche Erfahrungen gesellten, die ihn seiner

einst geliebten Kirche zunehmend entfremdeten.

77 In unserer heutigen Sprache kann man diese Erfahrungen folgen-

dermaßen zusammenfassen: So wie Cajetan sind sie alle, die rangho-

hen Kleriker. Keine Hirten sind sie, keine Seelsorger, keine Verkün-

der des Evangeliums, keine demütigen Sünder, sondern eitle Manager

des Kirchenbetriebs, gewiss tüchtig, intelligent, fleißig, gebildet,

weltgewandt, manche sogar sympathisch, andere arrogant, faul und

überheblich, aber alle sind zuvörderst Profis der Macht, der sie die-

nen, die ihnen ihr Auskommen sichert, sie mit regelmäßigen Beför-

derungen erfreut, ihnen einen hohen sozialen Status und Privilegien

verschafft. Ihr Bestreben ist es, gemäß ihrer Funktion innerhalb der

Hierarchie der Macht möglichst reibungslos und effizient zu funkti-

onieren. An so etwas wie Wahrheit, die ja doch meistens nur stört, ja

sogar der eigenen Stellung und dem eigenen Betrieb gefährlich wer-

den kann, besteht daher ausdrücklich kein Interesse. Das Schicksal

ihrer anvertrauten Gläubigen ist ihnen schon seit Jahrhunderten so

vollkommen gleichgültig wie die Botschaft dieses Christus, dem sie

ja eigentlich dienen sollten. In den ihnen als ››Hirten« anvertrauten

»Schafen« vermögen sie nichts anderes zu erkennen als Futter und

Zugvieh für ihren Betrieb, dessen Sinn es ist, sich selbst zu erhalten,

zu wachsen und Macht, Geld, Besitz und Pfründe zu akkumulieren.

Für dieses Ziel arbeiten sie hochprofessionell an jedem Tag von mor-

gens bis abends. Begierig eignen sie sich jenes Wissen, Herrschafts-

wissen und Know-how an, das ihnen hilft, ihr Ziel zu erreichen. Alles

andere blenden sie aus.

Und von diesen Typen soll ich mich fertigmachen lassen?, muss

Luther gedacht haben, als er diese mit Cajetan gemachte Erfahrung

verarbeitete. Sie gehen über Leichen und wollen auch über meine ge-

hen, wollen mich zertreten wie eine Fliege. Sollen sie es versuchen,

aber ich werde es ihnen so schwer wie möglich machen, ich habe der

Welt noch einiges mitzuteilen, und erst, wenn ich alles gesagt habe,

was zu sagen ist, werde ich bereit sein fürs Märtyrerschicksal.

So organisiert Luther seine Flucht aus Augsburg.

In der Nacht zum 21. Oktober wird er aus dem Schlaf gerissen und

78 von Augsburger Bürgern auf Schleichwegen zum Stadttor geschmug-

gelt, hinausgeführt und auf ein bereitstehendes Pferd gesetzt. In der

Kutte, »ohne Hosen, Stiefel, Sporn und Schwert«, wie er später er-

zählte, reitet er zehn Tage lang, bis er in Wittenberg ankommt.

Dort wird er von seinem Ordensoberen, Johannes von Staupitz,

mit einer harten, aber wenig überraschenden Nachricht empfangen:

Er, Staupitz, sei von seiner Ordenszentrale aufgefordert worden, ihn,

Luther, >›an Händen und Füßen gefesselt« einzusperren.

Staupitz war Luthers Beichtvater und geistlicher Lehrer, hat ihn

über zehn Jahre hinweg begleitet, kennen und schätzen gelernt und

ihn gefördert, hegte Sympathien für seine Ideen, und darum kommt

es für den Ordensgeneral nicht infrage, den Befehl auszuführen. Re-

agieren aber muss er auf das Begehren der Zentrale. Daher legt er

Luther nahe, den Orden zu verlassen.

Luther versteht, dass es wohl anders nicht geht, fügt sich. Stau-

pitz entbindet ihn von seinem Gelübde, und Luther ist nun eigentlich

kein Mönch mehr, nicht mehr Mitglied seines Ordens, kehrt aber -

mit Staupitz' Erlaubnis - diskret ins Kloster zurück, wo er wieder

sein Turmzimmer bezieht und dort weitermacht, wo er vor Augsburg

aufgehört hat. Auf diese sanfte Tour torpediert Luthers Vorgesetzter

ohne viel Aufhebens die Bemühungen Roms, des Ketzers habhaft zu

werden.

Auch der Kurfürst spielt mit, leistet Widerstand. Er hat schon

recht bald einen Brief von Cajetan erhalten. Inhalt: Luther sei entwe-

der an Rom auszuliefern oder des Landes zu verweisen. Die päpstliche

Tötungsmaschinerie war angesprungen. Es ist der 25. Oktober 1518.

Die Lage wird nun allmählich wirklich ernst für Luther.

Wahrscheinlich waren die Wochen und Monate nach diesem 25.

Oktober die letzte Zeitspanne, in der die Reformation noch zu stop-

pen gewesen wäre. Hätten der Kurfürst und Staupitz die Befehle aus

Rom sofort ausgeführt, wäre es mit Luther und der Reformation vor-

bei gewesen. Hätten umgekehrt die Verantwortlichen der Kirche ein

Gespür dafür gehabt, wie es im Volk gärte und wie dieser Luther der

79 Stimmung des Volkes gegen die Kirche eine Stimme verlieh, hätten

sie schnell ihr Kriegsbeil gegen Luther begraben, eine Reformkom-

mission gegründet und Luther zu dessen Vorsitzenden gemacht. Aber

hinter dicken Kirchenmauern merkt man zu spät, was die Stunde

geschlagen hat.

Und zur Auslieferung Luthers kam es nicht. Staupitz torpedierte

das Ansinnen aus Rom, indem er nach oben meldete, Luther sei

nichtmehr Mitglied des Ordens und unterstehe daher nicht mehr

den Machtbefugnissen des Ordens~Chefs. Und der Kurfürst zögerte

die Sache einfach hinaus, was damals wesentlich einfacher war als

heute, in Zeiten von E-Mail und Internet. Anweisungen aus Rom und

Berichte nach Rom waren nicht schneller als die Pferde, mit denen

sie transportiert wurden.

Dennoch: Auch ein Kurfürst kann eine rechtsverbindliche Anord-

nung von oben nicht ewig hinauszögern, das war ihm natürlich klar.

Unklar war, was zu tun sei, wenn er sich durch weitere Verzögerun-

gen selbst in Schwierigkeiten brächte. Doch dafür sorgen manchmal

glückliche Zufälle oder göttliche Fügungen, so auch im Fall Luther.

Während Luthers Kurfürst und sein Orden die Sache mit der Ver-

haftung vor sich hindümpeln ließen, funkte die tagesaktuelle Welt-

politik in die Angelegenheit hinein. Im Januar 1519 starb Kaiser Ma-

ximilian. Jetzt hatte man in Rom keine Zeit mehr für Ketzerfragen

und Luther-Ärger. Jetzt musste möglichst schnell ein der Kirche ge-

nehmer Nachfolger für Maximilian gefunden werden. Der spanische

König Karl, ein Habsburger, also ausgerechnet der, den man in Rom

nicht will, wird bereits für dieses Amt gehandelt. Kann man ihn noch

verhindern? Wer käme noch infrage? Franz I. von Frankreich hat sei-

nen Hut in den Ring geworfen. Den will man in Rom eigentlich auch

nicht. Wen aber dann? Wie kann man von Rom aus die Sache so steu-

ern, dass sie günstig ausgeht für das Anliegen des Klerus? Wie findet

man einen Kaiser, der mächtig und stark genug ist, den Osmanen Pa-

roli zu bieten, aber nicht so stark, dass er auch dem Papst in die Quere

kommen kann? Schwierig. Wird wohl doch nicht so schnell gehen.

80 Und so war nun erst einmal Wahlkampf im Heiligen Römischen

Reich und dabei ging es zu wie in der FIFA und dem IOC. Es flos-

sen reichlich Bestechungsgelder an die Wahlmänner. König Karl soll

insgesamt 852 000 Gulden in die Waagschale geworfen haben, gelie-

hen von den Fuggern, die ihn als Kaiser haben wollten. Sie wussten

von den sagenhaften Silber- und Goldschätzen, welche die spanischen

Schiffe aus Amerika nach Europa brachten, und dachten, mit solchen

Leuten ließen sich bessere Geschäfte machen als mit dem päpstlichen

Pleitier in Rom. Aber auch die Franzosen ließen sich nicht lumpen

und halfen mit Geld nach, um ihren König Franz durchzusetzen. Die

öffentliche Meinung der Deutschen, der Adel im Reich, die Bürger-

schaft, die Professoren, die einflussreichen humanistischen Literaten

fürchteten den französischen Einfluss insgesamt mehr als den habs-

burgischen. Karl war zwar in Burgund aufgewachsen, konnte nicht

mal Deutsch, hatte aber deutsche männliche Vorfahren, war also ir-

gendwie deutscher als der Franzose.

So neigte sich die Waage zugunsten des Königs Karl. Um diese

Neigung zu stoppen, bot Papst Leo X. in seiner Not dem sächsischen

Kurfürsten Friedrich dem Weisen an, ihn zum König zu machen, falls

er wenigstens zwei Kurstimmen erhalte. Friedrich aber trug nicht

umsonst den Beinamen »der Weise«. Er erkannte sofort, was auch

der Papst wusste, und weshalb dieser ihn haben wollte: Er wäre ein

schwacher König geworden, denn ihm fehlte .die Machtbasis, Geld,

Soldaten. Daher lehnte er ab, schlug sich auf Karls Seite und er-

möglichte dessen einstimmige Wahl zum Kaiser am 28. Juni 1519 -

allerdings nicht umsonst. Kein Profi tut einem anderen einen Gefal-

len ohne Gegenleistung.

Und so rang der weise Friedrich dem jungen, noch unerfahrenen

Kaiser eine kleine Maßnahme für seinen Schützling Luther ab, al-

lerdings ohne dessen Namen zu erwähnen. Die Maßnahme bestand

in einer scheinbar unwesentlichen Änderung des Verfahrens beim

Erlass der Reichsacht: Der Kaiser sollte über die von Rom Gebann~

ten die Reichsacht erst dann verhängen, wenn diese zuvor von einem

81 ordentlichen Gericht und in aller Öffentlichkeitgehört und vernom-

men worden waren.“

Friedrich, der alte Fuchs, hatte intelligent vorgesorgt für das, was

unweigerlich kommen würde: die Bann-Androhungsbulle aus Rom

für Luther. Sein sturer Luther wird sich davon nicht einschüchtern

lassen, auch das war für Friedrich vorhersehbar. Also wird der Kir-

chenbann folgen. Auf den Kirchenbann hat automatisch die Reichs-

acht zu folgen.

Und beides zusammen, in »Acht und Bann« geschlagen zu sein,

heißt vogelfrei zu sein. Heißt wiederum des Todes zu sein. Jeder kann

einen Vogelfreien erschlagen, sich seines Besitzes ermächtigen, ihn

irgendwo verscharren wie einen Hund. Wenn ein Ketzer - aus wel-

chen Gründen auch immer - nicht der Kirche ausgeliefert werden

kann, wird eben der Ketzer den Mördern und Räubern ausgeliefert.

In diesen Straf- und Tötungs-Automatismus hat der weise Kur-

fürst durch sein geschicktes Taktieren bei der Kaiserwahl mit seiner

dem Kaiser aufgeschwatzten Reichsacht-Klausel eine Bremse einge-

baut, die sich schon bald als lebensrettend erweisen sollte. Zunächst

aber passierte erst mal nichts. Der Kaiser war zwar gewählt, aber

noch nicht gekrönt. Es dauert mehr als ein weiteres Jahr, bis ihm im

Herbst 1520 in Aachen die Krone aufs Haupt gesetzt wird.

So vergingen zwischen dem Tod des alten und der Krönung des

neuen Kaisers fast zwei Jahre, während denen der Fall Luther ruhte,

weil Papst, Kaiser und die Fürsten Wichtigeres zu regeln hatten. In

 

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 82-91

2017. december 27. 09:32 - RózsaSá

In diesen zwei Jahren entschied sich das Schicksal der Reformation. In

 

diesen zwei Jahren ratterten die Druckmaschinen im ganzen Land

 

und verbreiteten Luthers Schriften immer weiter. Er sorgte für ste-

 

tigen Nachschub, und so setzte eine Entwicklung ein, die allmählich

 

unumkehrbar wurde.

 

Die alten Eliten in der Kirche und im Staat hatten die revoluti-

 

onären Folgen des Buchdrucks nicht auf dem Schirm, hatten keine

 

Vorstellung von der Informationsbeschleunigung, die von dieser Er-

 

findung ausgehen würde, wussten nicht, wie viele Druckmaschinen

 

82

es schon gab und wo überall sie ihre Arbeit verrichteten, und hat-

 

ten lange nicht gemerkt, wie sich durch die neue Technik etwas ganz

 

Neues, noch nie Dagewesenes aufbaute: eine öffentliche Meinung, die

 

nicht mehr so leicht wie früher durch Zensur zu stoppen sein wür-

 

de, eine öffentliche Debatte, die von keiner Macht mehr unterbunden

 

werden konnte, ein öffentlicher Informationsfluss, an dem jeder des

 

Lesens Kundige, aber auch der Unkundige - durch gedruckte Bilder,

 

Karikaturen und mithilfe von Vorlesern - teilnehmen konnte.

 

Während die alten Eliten den Epochenwechsel verschlafen, ist

 

Luther hellwach, gerät in einen wahren Schaffensrausch, schreibt,

 

redet, predigt, lehrt und diskutiert wortmächtig, für alle verständlich

 

und so aufregend, dass die Zuhörer in Scharen zu ihm kommen. Und

 

Luther genießt es, fühlt sich beim Predigen wie eine Bauersfrau, die

 

ihre Kinder an die Brust legt. ››Man soll auf der Kanzel die Zitzen

 

herausziehen und das Volk mit Milch tränken.« Und das Volk trinkt.

 

Es ist nicht nur harmlose Milch, womit Luther sein Volk säugt, auch

 

scharfe, mit allerlei Ausfällen gegen Rom gewürzte Unflätigkeiten

 

gibt er ihm zu trinken. Luther wird immer frecher, immer polemi-

 

scher, immer rücksichtsloser gegenüber Rom. Und dadurch immer

 

interessanter für die Öffentlichkeit.

 

Den innerlich letzten Schritt macht er bei seinem berühmten

 

Streitgespräch mit Johannes Eck. Der süddeutsche Theologe, ein

 

brillanter Intellektueller, vermutlich fürstlich bezahlt von den Fug-

 

gern, führte Luther aufs Glatteis. Eck konfrontierte Luther mit Sät-

 

zen, die von dem ein Jahrhundert zuvor in Konstanz verbrannten

 

Ketzer Jan Hus stammen. Und Luther lässt sich tatsächlich zu der

 

Aussage provozieren, die Eck aus ihm herauskitzeln wollte: Hus hat

 

recht. Nicht der Papst, sondern Christus ist das Haupt der Kirche,

 

und darum habe in der Kirche Christus das letzte Wort, und nicht

 

der Papst.

 

Das aber ist die Ketzerei, wegen der das Konzil in Konstanz Hus

 

verdammt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat. Eck trium-

 

phiert und erwartet, dass Luther nun einen Rückzieher macht. Tut er

 

83

 

aber nicht. Im Gegenteil. Er geht noch einen Schritt weiter und sagt:

 

Auch Konzilien können irren und haben geirrt.

 

Die Zuhörer im Saal schreien auf vor Schreck, denn damit hat

 

Luther die nächste Eskalationsstufe gezündet: Nicht nur, was der

 

Papst bestimmt, ist Luther egal, auch den Beschlüssen der Konzilien

 

spricht er die Autorität ab. Das bedeutet den endgültigen Bruch mit

 

der Kirche, und zugleich hat Luther damit sein eigenes Todesurteil

 

ausgesprochen, denken die Zuhörer, auch Eck, der sich nun stolz zu-

 

gute hält, Luther eindeutig, endgültig und in aller Öffentlichkeit als

 

Ketzer überführt zu haben.

 

Aber für Luther war es gut so. ››Der Eck hat mich munter ge-

 

macht«, wird Luther später sagen. ››Er hat mich auf Gedanken ge-

 

bracht, da ich nimmer sonst hingekommen wäre.«

 

Tatsächlich hätte es ohne Eck wohl länger gedauert, bis Luther

 

auch die Konzilsbeschlüsse als ››nicht bindend« verworfen hätte,

 

denn wenn er von Eck nicht so in die Enge getrieben worden wäre,

 

wäre ihm sicher ein schwerwiegendes Problem der reformatorischen

 

Entwicklung bewusst geworden: Wer soll in Streitfragen verbindlich

 

entscheiden, was wahr oder unwahr sei, wenn es weder der Papst,

 

noch die Konzilien sind? Luther etwa? Sollen wir statt des Papstes

 

nun Luther als oberste Autorität anerkennen? _

 

Luther hat erst nach dem Disput mit Eck Zeit, darüber nachzu-

 

denken und findet schließlich eine Antwort, die er zunächst für sich

 

behält, weil sie ihn in ihrer Radikalität selber verwundert und ihm

 

möglicherweise nicht ganz geheuer ist: Natürlich wolle er sich nicht

 

an die Stelle des Papstes setzen, nein, denkt Luther, das Gewissen sei

 

es, das Gewissen eines jeden Einzelnen sei die letzte Instanz, die da-

 

rüber entscheidet, was zu denken und tun richtig und gut sei. In aller

 

Deutlichkeit öffentlich aussprechen wird er das aber erst einige Zeit

 

später auf dem Reichstag in Worms.

 

Ist ihm klar, was das bedeutet? Vermutlich nicht sofort. Erst spä-

 

ter äußert er selbst den Gedanken: Da kann es also sein, ››dass der

 

ganze Haufen mit allen großen Hansen irrt und eine ungerechte

 

84 Sache verteidigt<<, während die Wahrheit nur bei ein paar wenigen ist.

Schwindelt ihm selbst vor den Konsequenzen dieser Einsicht? Schon

ein wenig. Aber mit schlafwandlerischer Sicherheit hält er gelassen

dagegen: »Wenn du Gottes Wort hast, kannst du sagen: Was brauche

ich weiter zu fragen, was die Konzilien sagen?<<

Das in Gott verankerte Gewissen als letzte Instanz, die über dem

Papst und über den Konzilien steht- das ist ein revolutionär neuer

Gedanke, den Luther da denkt, und dass er sich damit selbst der Ket-

zerei überführt hat, schreckt ihn nun nicht mehr. Im Gegenteil: Nach

ausführlicher Prüfung vor seinem Gewissen kommt Luther zu dem

Schluss, dass jetzt eben seine Ketzerei die rechtgläubige Lehre ist,

weshalb er der römischen Kirche selbstbewusst und reinen Herzens

sagt: ››Frömmere Ketzer habt ihr nie gehabt, werdet sie auch nicht

frömmer kriegen. Bittet Gott, dass sie euch mögen erhalten bleiben«,

denn seine Ketzerei richtet sich ja nicht gegen Gott, sondern gegen

eine irdische Organisation namens Kirche.

Innerlich hat er also jetzt den Bruch mit seiner Kirche vollzogen.

Bis er ihn auch öffentlich und endgültig vollzieht, vergeht noch eine

gewisse Zeit. Während jener Zeit verfasst er eine Streitschrift nach

der anderen: An den christlichen Adel deutscher Nation; Von der Frei-

heit eines Chrístehmenschen; Von dem Papsttum zu Rom; Von der

babylonischen Gefangenschaft der Kirche (1520).

Alle sind sie gegen Rom gerichtet. Alle bestreiten die Autorität des

Papstes, alle betonen, worauf allein es ankommt in einem Christenle-

ben: Glaube, Gnade, Schrift, Christus. Es braucht keine Heiligen und

keine Priester als Mittler zwischen Mensch und Gott, es braucht kei-

ne Mönche und Nonnen, keine Reliquien, Prozessionen, Wallfahrten,

Pilgerreisen. Jeder ist ein Kind Gottes und jeder dient ihm am besten

dort, wo er von Gott hingestellt wurde, also in seinem Beruf, und die

Arbeit, die er dort ausführt, ist heiliger als das scheinheilige Leben

der Priester, Mönche und Nonnen. Der klerikale Stand wird abgewer-

tet, der weltliche Stand wird aufgewertet.

Luthers Zeitgenossen schlackern nur noch mit den Ohren. Sie

85 reißen sich um seine Schriften. Eine Auflage nach der anderen ver-

lässt die Druckerpressen. Ein Drittel dessen, was während der ersten

Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Deutsch gedruckt wurde, stammt von

Luther.“ ›

Ab dem Jahr 1520 sind seine Gedanken in der Welt. Wer jetzt noch

versucht, ihn zu verbrennen, kommt zu spät. Man könnte ihn zwar

verbrennen, man könnte auch seine Schriften verbrennen. Seine

Lehre aber nicht mehr. Ideen lassen sich nicht töten. Und Verbrann-

tes kann man nachdrucken. Irgendwo gibt es immer noch ein Exem-

plar, das dem Feuer entging. Kaiser und Papst haben das Steuer nicht

mehr allein in der Hand.

Die kirchliche Amtsgewalt versucht natürlich trotzdem zu stop-

pen, was nicht mehr zu stoppen ist. Nachdem der Kaiser gekrönt ist,

rollen sie den Fall Luther in Rom wieder auf. Der Papst schickt ihm,

wie es Friedrich der Weise erwartet hat, die Bann-Androhungs-Bul-

le nach Wittenberg. Die Drohung ergeht nicht nur an Luther, son-

dern auch an seine Anhänger und die Obrigkeit, und sie lautet: Wer

Luthers Lehre verbreitet, seine Schriften besitzt und nicht verbrennt,

verfällt der Exkommunikation. Sie haben sechzig Tage Zeit dazu.

Luther kann während dieser Frist in den sächsischen Bischofskirchen

von Meißen, Merseburg oder Brandenburg schriftlich oder durch per-

sönliches Erscheinen widerrufen und dadurch seine volle\Kirchen-

mitgliedschaft wiederherstellen.

Die sechzig Tage vergehen und die Obrigkeit hat keine einzige

Schrift Luthers verbrannt. Luther widerruft nicht, sondern denkt die

ganze Zeit nur, was er schon früher gesagt hat: Wenn ich Gottes Wort

habe, was brauche ich weiter zu fragen, was der Papst oder die Konzi-

lien sagen? Ich bin mir meiner Sache sicher und mit mir im Reinen.

Und dann, am 10. Dezember 1520, einen Tag nach Ablauf der Wi-

derrufsfrist, nimmt er die Bann-Androhungsbulle des Papstes und

verbrennt sie öffentlich vor dem Elstertor in Wittenberg. Mehrere

Ausgaben des Corpus íuris canonici, Sammlungen des römischen

Kirchenrechts, verbrennt er gleich mit und spricht dazu die Worte

86 »Weil du die Wahrheit Gottes verderbt hast, verderbe dich heute derHerr.<< Luther, der kleine Mönch aus der sächsischen Provinz, exkommuniziert die Papstkirche kraft der Vollmacht seiner vor Gott undseinem Gewissen geprüften Glaubensgewissheit. Luther spricht vom

Papst hinfort nur noch vom »leibhaftigen Antichrist<<.

Das ist der endgültige Bruch. Ab jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Hunderte von Wittenberger Studenten, Professoren und Bürger woh-

nen der Sache bei, jubeln Luther zu, und wieder sorgen die vielen

Druckereien des Reiches für eine schnelle Verbreitung der neuesten

Nachrichten vom Ketzer aus Wittenberg. Die Profis in Rom merken

nicht, wie sie selbst mit jedem weiteren Versuch, Luther mundtot zu

machen, am meisten dazu beitragen, dass sich alle Welt für Luther zu

interessieren beginnt und ihm die Sympathien des Volkes zufliegen.

XI Hier stehe ıch…

In Rom haben sie noch immer nicht verstanden. Er hat die Bann-

Androhungsbulle verbrannt? Umso besser, denken sie. Dann folgt

jetzt eben der Bann und dann wird das Problem Luther gelöst sein.

Sie merken nicht, dass große Teile des Volkes, zahlreiche Fürsten,

Professoren und Adligen überhaupt nicht damit einverstanden sind,

wie hier der Papst die geistige Auseinandersetzung verweigert und

sich durch pure Machtausübung des Problems Luther zu entledigen

versucht. Rom wähnt sich im Recht.

Viele Menschen aber fragen sich jetzt, ob denn das Recht, mit dem

Luther der Prozess gemacht wurde, so gut begründet und legitimiert

ist, dass alle, die ihm unterliegen, das Gefühl haben, es mit einem gu-

ten, einem gerechten Recht zu tun zu haben. Nicht mehr das Recht

interessierte, sondern die Legitimität des Rechts.

Weil Rom diese Frage nicht beantwortete, ja nicht einmal zur

Kenntnis nahm, glaubte man dort, das Problem Luther so lösen zu

können, wie immer. Gleichgültig, routiniert und in der trügerischen

Sicherheit, unangreifbar zu sein, warf die Sakramentenverwaltungs-

behörde ihre Ketzermühle an, spuckte die Bannbulle aus und hakte

das Problem als erledigt ab.

Am 3. Januar 1521 wird die Bulle im ganzen Reich publik ge-

macht und damit der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass Luther aus der

Gemeinschaft der Gläubigen ausgestoßen und der Umgang mit ihm

untersagt ist. Der Rest ist nur noch Formsache. Der Kaiser muss nun

automatisch die Reichsacht über Luther aussprechen, ihn verhaften

lassen und nach Rom ausliefern, damit dieser Trottel endlich seiner

gerechten Strafe zugeführt werden kann.

Nur: So glatt und reibungslos wie früher läuft die Ketzer-Erledi-

gungsmaschine nicht mehr. Kaum dass ihr Motor angeworfen wurde,

89 gerät er auch schon ins Stottern und wird abgewürgt vom Kurfürsten

Friedrich dem Weisen. Der erinnert nun den Kaiser an die Klausel,

die er auf dem Reichstag in Augsburg unterschrieben hat: Jeder der

zur Achtung freigegeben werden soll, muss vorher angehört werden.

Der Kaiser hält sein Versprechen, gegen heftigen Widerstand aus

Rom. Luther soll im April 1521 zum nächsten Reichstag nach Worms

kommen. Ihm wird »freies Geleit« versprochen, das heißt, er darf als

freier Mann an- und auch wieder abreisen.

In Rom findet man sich damit ab und denkt' Na gut das wird dıe

Sache um ein paar Monate verzögern, aber danach wird endgültig

Schluss sein. Dann reist Luther nach Worms. Showdown Reichstag Die größte

denkbare Bühne, die es damals gab. Die Reise nach Worms gerät zum

Triumphzug. Dank der vielen Bilder aus Lucas Cranachs Werkstatt

wird er erkannt, wo immer er gerade Station macht. Di

jubeln ihm zu. Und dennoch: Wohl ist Luther nicht dabei. Es könnte der letzte

Triumph vor seinem Tod sein. Er weiß, dass er in Worms verbrannt

wer en kann, aber: Er ist sich seiner Sache so gewiss, dass er jetzt auch

bereit wäre, den Tod in Kauf zu nehmen. Natürlich hofft er trotzdem,

ihm zu entgehen, hofft auf den jungen Kaiser, der noch nicht in die

Handel der Kirche verstrickt ıst, hofft auf dıe Möglichkeit, doch noch

einmal all seine Argumente vortragen zu dürfen und den Kaiser und

vielleicht sogar die Kirchenvertreter zu überzeugen. Obwohl er schon

mehrmals die Erfahrung gemacht hat, dass die Obrigkeit nicht dis-

kutiert, sondern nur befiehlt, fährt er mit dem Fünkchen Hoffnung

nach Worms, dort seine Sache vor dem Kaiser ausfechten zu können.

Natürlich irrt er sich. Wieder dasselbe Spiel wie mit Cajetan. Nie-

mand interessiert sich für die Frage, ob Luther vielleicht recht haben

könnte.

Auf einem Tisch liegen zwanzig seiner Schriften, und man hat

dazu nur zwei Fragen an ihn: Hast du das alles geschrieben, was hier

vorliegt? Und Luther antwortet, ja, das habe er

90 Aber das sei eine Irrlehre, bekommt er gesagt, und daher stellt man ihm die zweite Frage: Bist du bereit zu widerrufen?

Niemand will jetzt noch Argumente hören, gar mit Luther disku-

tieren. Zur Überraschung vieler bittet er sich einen Tag Bedenkzeit

aus. Wozu noch Bedenkzeit? Er hatte doch sechzig Tage Zeit, über

die Bann-Androhungsbulle nachzudenken, und hat darauf eine klare

Antwort gegeben, indem er sie verbrannte. Warum also sagt er jetzt

nicht, dass er sich weigere zu widerrufen? Ist er im letzten Moment

doch noch unsicher geworden? Fürchtet er seinen Tod? Manche sei-

ner Freunde, aber auch seiner Gegner, beginnen an Luthers Stand-

haftigkeit zu zweifeln. Und unterschätzen ihn.

Selbstverständlich war er entschlossen, nicht zu widerrufen. Aber

er wollte sich nicht einfach mit einem kurzen Nein aus Worms ver-

abschieden, sondern in seine Antwort vor diesem höchsten Gremium

des Reiches seine wichtigsten Argumente packen. Die Formulierung

dieser Antwort musste er sich genauestens überlegen, denn nun war

klar, dass man ihm nur wenige Sätze zugestehen würde.

Und so tritt er am nächsten Tag wieder vor die höchsten Repräsen-

tanten des Reiches und sagt, er bekenne sich zu seinen Schriften. Und

diese teilt er in drei Kategorien ein: erstens die seelsorgerlichen, die

allgemein anerkannt würden und keines Widerrufs bedürften, zwei-

tens die Schriften gegen das Papsttum, die sich auf die Bibel, die Kir-

chenväter, kirchenkritische Stimmen aus dem Reich und sogar auf

einzelne Aussagen des Rechts berufen und deshalb nicht zu widerru-

fen sind, und drittens seine Schriften gegen einzelne römische Theo-

logen. Hier gestand er ein, vielfach zu heftig gewesen zu sein, doch in

der Sache zu keinem Widerruf Anlass zu haben.

Aber dennoch, so sagt er, sei er »wohl bereit, wenn ich gründlich

belehrt bin, jeden Irrtum zu widerrufen, und ich werde der Erste sein,

der meine Bücher ins Feuer wirft. Aus diesem allen, glaube ich, geht

klar hervor, dass ich mich genügend bedacht und die Gefahren und

den Streit erwogen habe, die aus Anlass meiner Lehre auf der Erde

91 erweckt wurden.« Er will, dass sie sich endlich inhaltlich mit ihm

streiten. Sein letzter Versuch.

Doch deren Geduld ist längst zu Ende. Genug jetzt, sagen sie,

widerrufst du oder nicht? Und da wirft Luther den höchsten Autoritäten des Staates und der

Kirche eine ungeheure Provokation vor die Füße, indem er sie fragt:

Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgrün-

de überzeugt werde, warum soll ich dann widerrufen? Nur weil der

Papst oder irgendwelche Konzilien es fordern? Die haben sich schon

öfter selbst widersprochen und sogar geirrt. Was von ihm zu fordern

sei, habe daher er allein mit seinem Gewissen vor Gott zu bestimmen,

denn es »ist unsicher und bedroht die Seligkeit, etwas gegen das Ge-

wissen zu tun. Gott helfe mir, Amenl«

Dass Luther »Hier stehe ich und kann nicht andersl« gesagt haben

soll, ist schon wieder eine Erfindung derer, denen eine gute Geschich-

te mindestens so wichtig ist wie das eine oder andere Detail der Wahr-

heit. Aber die Pointe der Geschichte steckt sowieso nicht in diesem

»Hier stehe ich«. Diese steckt vielmehr in den drei Wörtchen »Zeug-

nisse der Schrift«, »Vernunft« und »Gewissen<<. Sie sind die große,

welterschütternde Provokation. Ein kleines, unbedeutendes Individu-

um mit der Bibel, seinem Verstand und seinem Gewissen steht vor den

mächtigsten Autoritäten der Welt und sagt ihnen: Ihr seid abgesetzt.

Mit Eurer Macht und Autorität ist es vorbei. Das hier sind die drei

neuen Autoritäten einer neuen Zeit: Schrift, Vernunft und Gewissen.

Das hatte vor Luther noch keiner gesagt im Heiligen Römischen

Reich Deutscher Nation. Der entsetzte Reichssprecher rief aus, was

in diesem Moment viele dachten, die im Saal anwesend waren und

Luther gehört hatten: ››Martin, lass dein Gewissen fahren! Du bist im

Irrtuml« Sich auf sein privates Gewissen berufen ~ da könnte ja jeder

kommen!

Im Sitzungssaal wird es nun unruhig, lautes Durcheinander ent-

steht. Der Kaiser erhebt sich, geht wortlos und hat vermutlich so we-

nig verstanden, was soeben passiert ist, wie alle anderen, einschließ-

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 68-76

2017. december 27. 08:10 - RózsaSá

 

68 Da möchte man nicht mit Nebensächlichkeiten behelligt werden,

also wurden die deutschen Augustiner angewiesen, dieses Mönchs-

gezänk doch bitte schon auf ihrem Ordenskonvent im April 1518 in

Heidelberg selbst aus der Welt zu schaffen. So vergingen wertvolle

Monate, während denen sich Luthers Thesen weiter im Reich verbrei-

teten. Er selbst findet unterdessen Zeit, seine 95 wissenschaftlichen,

auf Latein verfassten Thesen in gut verständlichem Deutsch fur das

Volk zu schreiben und Anfang April als >>Sermon von Ablass und Gna-

de<< zu veröffentlichen.

In dem Sermon vereinfacht, verscharft und erweitert Luther, was

er sich in seiner Turmstube erarbeitet hat. Der für Rom und Alb-

recht so geschäftsschädigende Ablass-Sermon verbreitete sich noch

schneller in noch höherer Auflage als die 95 Thesen. Bis 1520 er-

scheinen zwanzig Auflagen, Luther wird zum ersten Bestseller-Autor

der Welt. Am 26. April 1518 sollte dann der vorlaute Augustinermönch

Luther in Heidelberg nach dem Willen Roms vom Generalkapitel des

Ordens zum Schweigen und zurück ins Glied befordert werden. Dazu

musste er jedoch erst einmal angehört werden. Also hatte Luther das

Wort, und als er fertig war, passierte das Gegenteil. Statt Luther zu

disziplinieren, solidarisierten sich die Augustinermonche mit ihm.

Von Luthers Wortgewalt hatte man bei den Dominikanern, den Fug-

gern und in Rom offenbar noch keine Vorstellung. Während seines

Vortrags herrschte angespannte Stille, in der die Zuhörer spurten,

dass dieser Mann nicht labert, sondern Wahrheiten ausspricht, ge-

féihrliche Wahrheiten, die man selbst vielleicht auch schon einmal so

ahnlich gedacht, aber nicht auszusprechen gewagt hatte.

Da die Anhörung offentlich war, hatten auch viele Neugierige —

Theologen, Wissenschaftler, Laien, Mönche anderer Ordensgemein-

schaften — die Chance genutzt, diesen Luther selbst einmal zu er-

leben. Sie gingen tief beeindruckt nach Hause. Zwei der Zuhörer,

Martin Bucer und Johannes Brenz, waren so mitgerissen, dass sie spa-

ter selber in den Kreis der Reformatoren hineinwuchsen, und Bucer

69 war damals sogar ein Mitglied der »feindlichen<< Dominikaner, die

Luther auf dem Scheiterhaufen sehen wollten.

Diese erste Runde war also an Luther gegangen, was in Rom of-

fenbar zu der Erkenntnis führte, dass man sich doch selber um den

Fall kummern musste. Daher wurde nun das Raderwerk eines Ketzer-

prozesses in Gang gesetzt. Wenige Monate nach seinem Heidelberger

Auftritt erhielt Luther am 7. August 1518 eine Vorladung nach Rom.

Das hatte das fruhe Ende Luthers und der Reformation sein kon-

nen, aber nun schaltet sich erstmals ein machtiger Verbündeter ein:

sein Landesherr, Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, dem

Luther nie persönlich begegnen wird, der aber nun lebenslang sei-

ne schutzende Hand uber ihn halten wird. Ob aus Begeisterung fur

Luthers Thesen oder machtpolitischem Kalkul oder weil Luther die

Wittenberger Universität beruhmt machte, wissen wir nicht. Viel-

leicht war’s von allem ein wenig, aber diese Erfahrung, dass die welt-

liche Obrigkeit ihn, den Mönch und Gottesdiener, vor der geistlichen

Obrigkeit, dem angeblichen Stellvertreter Christi und der heiligen

Mutter Kirche schützen muss, wird Luthers weiteres Denken tiefer

beeinflussen als ihm vielleicht selbst je bewusst war.

Der Kurfürst gehort zu denen, die den Kaiser wahlen dtirfen,

ein Privileg, das ihm Macht und Einfluss verschafft. Und so kann er

durchsetzen, dass Luther nicht in Rom, sondern in Deutschland ver-

hort wird. Hier konnte der Kurfürst notfalls eingreifen, bevor man

Luther auf dem Scheiterhaufen verbrennt. Das Verhor sollte wahrend des Augsburger Reichstags 1518 statt- finden, auf dem die >>causa Luther<< aber nur ein Tagesordnungspunkt weit hinten ist. Hauptzweck ist die Aufstellung einer Streitmacht ge-

gen die Turken. Dafür brauchen Kaiser Maximilian und Papst Leo die

deutschen Kurfiirsten, also auch Friedrich den Weisen.

Hinzu kommt: Kaiser Maximilian ist amtsmüde, will Konig Karl von

Spanien inthronisieren. Das aber liegt nicht im Interesse des Papstes,

da kame zu viel weltliche Macht in einer Hand zusammen, und in Rom

fährt man besser mit schwachen Kaisern. Die Wahlfürsten aber sind

70 nicht abgeneigt, Karl zu wählen. Nur der Kurfürst Friedrich hat Be-

denken und könnte daher zu einem Verbündeten des Papstes werden -

ausgerechnet dieser Lutherfreund. Das verlangt diplomatisches Fin~

gerspitzengefühl, degradiert gleichzeitig Luther zu einem Rädchen

im großen Getriebe der Weltpolitik, was aber gut für ihn ist. Das Räd-

chen zu eliminieren ist nicht vordringlich, eilt nicht, viel wichtiger

ist es, eine Streitmacht gegen die Türken und einen genehmen Kaiser

zu bekommen. Für komplizierte diplomatische Angelegenheiten hat der Papst

seinen Kardinal Cajetan, einen intelligenten Kirchenkarrieristen. Er

hat den klaren Auftrag, Luther zu vernehmen und zum Schweigen zu

bringen, aber so, dass ihm nichts passiert. Cajetan soll ihn freundlich

behandeln, damit der Kurfürst nicht vergrault wird. Am 12. Okto-

ber 1518 soll dieses Verhör stattfinden. Im Prinzip bekommt Luther

damit, was er sich knapp ein Jahr zuvor gewünscht hatte: die Gele-

genheit, seine Thesen mit einem ranghohen Kirchenfunktionär zu

diskutieren. Andererseits waren die äußeren Bedingungen nicht ganz

so, wie er sie sich vorgestellt hatte. Er wollte nicht verhört, sondern gehört werden. Und er wollte nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich disku-

tieren, und nicht nur mit einem einzigen Abgesandten des L

Papstes, sondern mit der ganzen Community der Kirche und ^

der Theologie. Aber Luther war zu diesem Zeitpunkt natürlich schon nicht

in der Lage, die Bedingungen zu diktieren, und musste schon

sein, dass er wenigstens die Bedingung ››in Rom« losgeworden

Die andere Bedingung aber, eine wissenschaftliche

auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die würde er sich

kämpfen, dachte Luther. Er würde sich nicht vernehmen

ein Angeklagter, sondern diesen Cajetan in einen theologischen Disput verwickeln. Doch davon weiß Cajetan nichts. Luther wird einfach wiederrufen müssen,

72 denkt Cajetan. Allein schon, weil wir so freundlich sind. auf die die üblichen Mittel - Drohung, Folter, Zwang - zu verzichten, müsste dieser Störenfried doch gerne und dankbar die Chance ergreifen, durch Widerruf fröhlich am Leben zu bleiben.

Als sich die beiden erstmals einander gegenüberstehen, erkennen vermutlich beide auf Anhieb, dass sie nicht nur theologisch Antipoden sind. Hier der wenig weltgewandte, mit Tricks und Finessen nicht vertraute Luther, der das holprige Kirchenlatein deut-scher Theologen spricht- dort der weltmännisch-erfahrene

Cajetan, der das elegante Latein der römischen Dichter spricht und

hinter einer höflichen Maske den knallharten Verhandler verbirgt. (26 )

Und so eröffnet der Kardinal das Gespräch mit Luther am 12. Oktober 1518 scheinbar freundlich und ehrerbietig mit der Mitteilung,

dass er nicht disputieren, sondern die leidige Angelegenheit

aus der Welt schaffen wolle. Eine Zeit lang reden die beiden

aneinander vorbei, Cajetan argumentiert juristisch, zitiert Erlasse,

Verfügungen, Dekrete. Luther argumentiert theologisch, zitiert die

 

Briefe des Paulus, die Evangelien, die Propheten. Der eine beruft

 

aufs irdische Kirchenrecht, der andere auf Gottes Weltgericht, und

 

der Ton zwischen den beiden wird zunehmend schärfer. Schließlich

 

spricht Cajetan Klartext: ››Du wirst widerrufen müssen, ob du willst

 

oder nicht«

74 Luther bittet sich bis zum nächsten Tag Bedenkzeit aus, sortiert

 

seine Gedanken, geht noch einmal alles durch und kommt zu dem

 

Ergebnis: Kirchenrecht, Tradition und Menschenverstand sind für

 

theologische Sachfragen nicht entscheidend. Das ist allein die Bibel.

 

Und mit der Bibel lassen sich der Ablass, die Stellung des Papstes und

 

noch vieles mehr nicht begründen. Genau das sagt er am nächsten Tag dem verblüfften Kardinal. Und noch etwas macht er deutlich: Er möchte nicht, dass über seine Lehre per Befehl, allein durch päpstliche Macht entschieden wird. Er möchte, dass über die Wahrheit oder Falschheit seiner Thesen an Europas

 

Universitäten öffentlich diskutiert wird.

 

Der Kardinal und dessen Begleiter sind entsetzt über so viel Stur-

 

köpfigkeit und den Leichtsinn, mit dem Luther seinen Kopf riskiert.

 

Sie reden auf ihn ein, können nicht glauben, dass Luther ihr freund-

 

liches Angebot ausschlägt, bestürmen ihn, er solle doch widerrufen,

 

nur eines einzigen Wörtleins - revoco - bedürfe es, und alles sei wie-

 

der im Lot. Nicht für Luther. ››Niemals<<, sagt er.

 

Ein drittes Gespräch mit Cajetan endet wie die beiden Gespräche

 

davor. Cajetan probiert es ein viertes Mal. Jetzt legt er alle diplomatische

 

Höflichkeit ab. Er will die Sache endlich abhaken. Lautstark mono-

 

logisierend, seine ganze Macht und Amtsautorität ausspielend, mit

 

Einschüchterung und Drohung fordert er Luther ein letztes Mal auf,

 

zu widerrufen, sonst _...

 

»Fast zehnmal fing ich an zu reden<<, berichtet Luther später sei-

 

nen Freunden, »ebenso oft donnerte er mich nieder und redete allein.

 

Endlich fing auch ich an zu schreien.<<27

 

Endlich fing auch er an zu schreien - so geht es jetzt immer wei-

 

ter.

 

Der Eindruck, den die beiden Streitparteien voneinander haben,

 

verfestigt sich nun von Jahr zu Jahr. Für die Deutschen sind die

 

75 ››Römlinge« aalglatte, geschmeidige, intrigante, korrupte, verlogene,

 

dekadente Südländer. Für die Italiener sind die Lutheraner die häss-

 

lichen Deutschen, ungebildete, jähzornige, hochmütige, trunksüch-

 

tige, unberechenbare, wankelmütige, grobschlächtige Barbaren.“

 

Wann immer die mächtige Kirche und der ohnmächtige Luther

 

aufeinanderprallen, spielen die Römlinge ihre Überlegenheit aus, und

 

vermutlich empfindet Luther auch eine gewisse Unterlegenheit, denn

 

oft weicht er erst einmal zurück, bis er mit dem Rücken zur Wand

 

steht. Dann aber springt er wie ein wildes Tier seine Gegner an, über-

 

schreitet seine Verteidigungslinie und verwandelt seine Ohnmacht

 

mithilfe seiner Wortmacht in Gegenmacht. Je mehr sie ihn zu drang-

 

salieren versuchen, desto entschlossener geht er in die Offensive.

 

In Rom ist längst klar, dass dieser Mann auf den Scheiterhaufen

 

muss. Luther wird klar, dass er sich nichts und niemandem mehr beu-

 

gen wird, selbst wenn er auf den Scheiterhaufen muss. Er lässt nur

 

noch einen Herrn über sich zu: Gott.

 

76 Der Bruch, der Bann und der Beginn einer neuen Zeit

 

Als Luther nach dem letzten Gespräch mit Cajetan gefragt wird, wie

 

es denn jetzt weitergehen soll und wo er bleiben wolle, sagt er: »Un-

 

term Himmel.« Was so viel heißt wie: in Gottes Hand.

 

Luther weiß jetzt, dass es sich bei dem Personal, mit dem er es zu

 

tun bekommen hatte und noch zu tun bekommen würde, nicht um

 

Glaubende und Gottesfürchtige handelt, sondern um Glaubensbeam-

 

te, professionelle Manager des Kirchenbetriebs, Karrieristen, Funk-

 

tionäre, die selten oder noch nie um die Wahrheit gerungen, einen

 

theologischen Gedanken gründlich durchdacht, geschweige denn

 

existenziell durchlitten hatten. Die vielen Argumente, die sich Luther

 

für das Gespräch mit Cajetan zurechtgelegt hatte, die befreienden Er-

 

kenntnisse, die er sich über viele Jahre mühsam erkämpft hatte, die

 

existenziellen Erfahrungen im Ringen mit Gott ~ das alles hat diesen

 

Kirchenkarrieristen überhaupt nicht interessiert.

 

War ja auch nicht mein Job, würde Cajetan heute darauf antwor-

 

ten. Ich bin doch nicht nach Augsburg gereist, um mich für die aus

 

dem Ruder gelaufenen Gedanken eines unbedeutenden Mönches aus

 

der Provinz zu interessieren. Vielmehr lautete mein Auftrag, die Stö-

 

rung, die von Luther ausging, zu beseitigen und ihm klarzumachen,

 

dass es nur noch zwei Möglichkeiten gibt: Entweder du widerrufst

 

und wirst fortan wieder still sein, oder du bekommst einen ››fairen«

 

Ketzerprozess, der im Feuer enden wird.

 

Luther in seiner unschuldigen Naivität war diese Klarheit des Ca-

 

jetan'schen Auftrags vor seinem Gespräch wohl kaum so bewusst. Da-

 

nach aber war er um eine Erfahrung reicher, zu der sich im weiteren

 

Verlauf immer mehr ähnliche Erfahrungen gesellten, die ihn seiner

 

einst geliebten Kirche zunehmend entfremdeten.

 

76 In unserer heutigen Sprache kann man diese Erfahrungen folgen-

 

dermaßen zusammenfassen: So wie Cajetan sind sie alle, die rangho-

 

hen Kleriker. Keine Hirten sind sie, keine Seelsorger, keine Verkün-

 

der des Evangeliums, keine demütigen Sünder, sondern eitle Manager

 

des Kirchenbetriebs, gewiss tüchtig, intelligent, fleißig, gebildet,

 

weltgewandt, manche sogar sympathisch, andere arrogant, faul und

 

überheblich, aber alle sind zuvörderst Profis der Macht, der sie die-

 

nen, die ihnen ihr Auskommen sichert, sie mit regelmäßigen Beför-

 

derungen erfreut, ihnen einen hohen sozialen Status und Privilegien

 

verschafft. Ihr Bestreben ist es, gemäß ihrer Funktion innerhalb der

 

Hierarchie der Macht möglichst reibungslos und effizient zu funkti-

 

onieren. An so etwas wie Wahrheit, die ja doch meistens nur stört, ja

 

sogar der eigenen Stellung und dem eigenen Betrieb gefährlich wer-

 

den kann, besteht daher ausdrücklich kein Interesse. Das Schicksal

 

ihrer anvertrauten Gläubigen ist ihnen schon seit Jahrhunderten so

 

<p style="margin

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 54-61

2017. december 25. 11:08 - RózsaSá

jemand von oben in die Parade fährt und dafür sorgt, dass der Ablass-

verkauf wieder in die theologisch korrekte Spur gebracht wird.

Es war der katholische Lutherforscher Erwin Iserloh, der im Jahr

1961 an der schönen Geschichte vom Thesenanschlag zu zweifeln

begann. Seine Begründung: Luther selbst hat in all seinen vielen Re-

den und Schriften diese Kirchentürgeschichte nie erwähnt. Ist das

nicht seltsam? Wenn er die 95 Thesen tatsächlich eigenhändig an die

Kirchentür genagelt hätte, hätte er doch bestimmt eine schöne Ge-

schichte daraus gemacht und sie in immer neuen Varianten immer

wieder erzählt. Aber nichts dergleichen liegt vor. Kein Wort.

Urheber der Geschichte war Luthers wichtigster Partner Philipp

Melanchthon, der jedoch kein Augenzeuge gewesen sein konnte, da

er erst 1518 als Professor an die Wittenberger Universität berufen

wurde. Und er hat die Geschichte erst nach Luthers Tod erzählt.“

Der Sache deutlich näher gekommen sind die Lutherforscher,

als sie vor einigen Jahren ein Neues Testament entdeckten, mit dem

Luther gearbeitet hatte. In diesem Buch fanden sie eine handschrift-

liche Bemerkung von Luthers Sekretär Georg Rörer. Darin heißt es:

››Im Jahr 1517 am Vorabend von Allerheiligen sind in Wittenberg an

den Türen der Kirchen die Thesen über den Ablass von Doktor Martin

Luther vorgestellt worden.<<15

Also: Die Thesen wurden tatsächlich an der Kirchentür ange-

bracht, aber nicht nur an einer, sondern an mehreren Kirchentüren,

und nicht von Luther persönlich, sondern sehr wahrscheinlich vom

Pedell der Wittenberger Universität. Der Zweck dieser Plakatierung

bestand nicht darin, das Heilige Römische Reich in seinen Grund-

festen zu erschüttern, sondern darin, zu einer öffentlichen Fachdis-

kussion an der theologischen Fakultät einzuladen. Thema der Dis-

kussion: die 95 Thesen. In dieser Einladung heißt es: »Aus Liebe zur

Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll über die

folgenden Sätze diskutiert werden.<<16 Das Echo auf diese Einladung

war so gering, dass die Veranstaltung abgesagt wurde."

55

Übrigens hat Luther auch nie eine Antwort von Albrecht von

Brandenburg erhalten, auch von anderen Klerikern nicht, schon gar

nicht aus Rom. Das war für Luther die eigentliche Überraschung. Er

hatte damals noch eine hohe Meinung von seiner Kirche und ein fast

kindliches Zutrauen zu deren Führungspersonal. Wieso halten die

ihn für einer Antwort nicht würdig? Wieso erkennen sie nicht, dass

die Ablasspraxis eindeutig gegen die kirchliche Lehre verstößt und

dringend korrigiert werden muss? Wieso danken sie ihm nicht für

seinen Hinweis auf den Missbrauch des Ablasses?

Wenn Luther später - zum Teil bis heute - von katholischer Seite

als Kirchenspalter, Ketzer und Häretiker bezeichnet wurde, dann ist

das insofern ungerecht, als der Ursprung dieser Spaltung von Rom

zu verantworten ist. Luther hat in seinen 95 Thesen berechtigte Fra-

gen an den Papst und an die Kirche gestellt und verdient, darauf eine

Antwort zu erhalten. Hätte er diese bekommen, und hätte sie zu einer

Korrektur der Ablasspraxis geführt, wäre Luther vermutlich der brave

Mönch und treue Diener seiner Kirche geblieben, der er war.

-Aber was dann aus Rom kam, war eine römische Machtdemonst-

ration, die ihn zwingen sollte, den Mund zu halten. Und weil Luther

sich weigerte, das zu tun, eskalierte die Geschichte, in deren weite-

rem Verlauf sich dann auch Luther und viele andere schuldig mach-

ten. Aber ihren Ursprung hat die Geschichte in der Weigerung Roms,

auf Luthers begründete Kritik zu antworten und zu reagieren.

Seine 95 Thesen wären möglicherweise auch versandet und ver-

gessen worden oder allenfalls eine Angelegenheit für Theologen, Ju-

risten und Verwaltungsbeamte geblieben, wenn nun nicht ein wei-

terer Mechanismus das Räderwerk der Reformation vorangetrieben

hätte: der Buchdruck, vom Mainzer Johannes Gutenberg um das Jahr

1450 erfunden. In dem halben Jahrhundert, das seitdem verging,

sind überall im Land Druckereien entstanden. Daher passiert nun et-

was, womit Luther nicht gerechnet hatte, und was das Bild von den

Hammerschlägen dann doch wieder stimmig macht: Auf nicht mehr

nachvollziehbaren Wegen gelangten Luthers Thesen in die Hände

56

auswärtiger Drucker, die, ohne Luther zu fragen, dessen Thesen ein-

fach druckten.

Die Geschichte »Mönch gegen Rom« kam ihnen gerade recht, da

ihr Geschäft schon lange kriselte. Es mangelte an Themen, für die

sich ausreichend viele Käufer interessierten. Die 95 Thesen aber la-

sen sich wie etwas, worauf die Welt schon lang gewartet hatte. Der

Geldhunger Roms und die Art, wie Papst und Kurie Geld eintrieben,

war unter den Gebildeten im deutschen Reich schon seit Jahrzehnten

ein häufig diskutiertes Thema und Anlass für Kritik, Spott und Satire.

Generell herrschte im ganzen deutschen Reich der Eindruck vor,

››dass man in die Kirche, besonders in die Kurie und das Papsttum,

mehr hineinsteckte, als man wieder herausbekam«.18 Der Eindruck

war nicht ganz falsch, wie wir heute wissen. Zwar lässt sich wider-

legen, »dass das Papsttum Deutschland durch überzogene Abgaben

ausplünderte, andere Länder zahlten mehr<<,19 aber: Sie bekamen

auch ein Mehrfaches zurück. 4

Vor diesem Hintergrund stieß,Luthers akademisch verpackte Kri-

tik am Ablasshandel sofort auf hohe Aufmerksamkeit. Schnell wurden

die Thesen ins Deutsche übersetzt und nachgedruckt, denn sie verlie-

hen der populären Kirchenkritik ein seriöses wissenschaftliches Fun-

dament und passten zum humanistischen Zeitgeist dieser Jahre. So

wurden Luthers erste Leser zu Multiplikatoren seiner Ideen.

»Das weitere erledigte das von der Kirche unabhängige Kommu-

nikationsnetz der Humanisten- und Intellektuellenzirkel, die begierig

alles Gedruckte aufnahmen und öffentlich zur Diskussion stellten.«2°

Verblüfft notiert Martin Luther: »Ehe 14 Tage vergangen waren,

hatten diese Thesendas ganze Deutschland und in vier Wochen fast

die ganze Christenheit durchlaufen, als wären die Engel selber Boten-

läufer (...) und trügen sie vor aller Menschen Augen. Es glaubt kein

Mensch, was für ein Gerede davon entstand.<<21

Die neue Drucktechnik war den konservativen Herren im Klerus so

gleichgültig und fremd, dass sie deren Wirkung nicht nur falsch, son-

dern überhaupt nicht einschätzten.

57

Dass ihnen diese Technik gefähr-

lich werden könnte, ahnten sie zunächst überhaupt nicht. Daher ka-

men sie auch nicht auf die Idee, diese Technik unter ihre Aufsicht

zu zwingen. So konnten die zahlreichen, im ganzen Reich verteilten

Druckereien ungestört von kirchlicher und staatlicher Kontrolle ver-

breiten, was sie wollten.

Durch diese kontinuierliche Produktion von Diskussionsstoff ent-

stand erstmals so etwas wie eine unabhängige öffentliche Meinung.

Und die richtete sich gegen Rom.

4 Innerhalb weniger Monate wurde die bis dahin nur lokal und regi-

onal bekannte Größe Martin Luther berühmt im ganzen Reich, und

dann dauerte es nicht mehr lange, bis auch der Papst und der Kaiser

erstmals diesen Namen hörten. In den anschließenden drei Jahren

passiert nun mehr als im ganzen Jahrhundert davor.

Was den Herren in Rom als »kleines Mönchsgezänk« zwischen

dem Augustiner Luther und dem Dominikaner Tetzel erscheint, setzt

plötzlich jene Maschinerie in Gang, die zur Kirchenspaltung führt,

zur_Gegenreformation, in den Dreißigjährigen Krieg, in die Verände-

rung ganz Europas. In diesem Frühstadium hätte sich noch manches

regeln lassen, wenn Rom nicht so abgehoben, nicht so arrogant und

nicht so fern von der Lebenswirklichkeit der Menschen gewesen wäre.

Und wenn nicht der bei den Fuggern hoch verschuldete Albrecht von

Brandenburg so dringend des Verkaufs der Ablässe bedurft hätte,

denn er verdiente gut daran. Auch die Fugger verdienten bestens. Und

natürlich der Papst. Das - und das selbstherrliche Vertrauen in die ei-

gene Macht, die sich um Wahrhaftigkeit nicht scheren muss - erklärt

die Weigerung Roms, auf die 95 Thesen zu antworten.

Das blinde Interesse am Geld hinderte die Interessierten daran,

die überall am Horizont sich abzeichnenden Zeichen einer herauf-

ziehenden neuen Zeit- Renaissance, Humanismus, Kopernikus, Ko-

lumbus - zu sehen. Und wo man etwas sah, wurde es falsch gedeutet

oder unterschätzt. Aber vor allem fehlte jegliches Schuld- und Un-

rechtsbewusstsein für das, was man eigentlich tat: die Verwandlung

58

der Gnade Gottes in eine Vollkaskoversicherung, deren Einnahmen

dazu dienen sollten, den aufwendigen Lebensstil der Fürsten und

Bischöfe zu finanzieren.

Natürlich haben sie auch Luther total falsch eingeschätzt. Was

will der denn? Dieser Mann ist ein Nichts, und der will dem Papst und

den Fürsten vorschreiben, was sie zu tun hätten? Mit dem werden wir

ganz schnell kurzen Prozess machen, wenn er weiter unsere Krei-

se stört. Sie konnten sich nicht im Traum vorstellen, in welch gro-

ße Schwierigkeiten dieser völlig unbedeutende Dickschädel aus der

deutschen Provinz den gesamten Klerus, die Kirche, die Christenheit,

Europa noch bringen würde.

~ Auch Luther hat sich das zum damaligen Zeitpunkt kaum vor-

stellen können und merkte zunächst nicht, wie er in einen Sog ge-

riet, aus dem es schon bald kein Entkommen mehr geben sollte. Es

hat eine Weile gedauert, bis ihm aufging, dass er, der eigentlich nur

ganz fromm und naiv, als guter Seelsorger und treuer Diener seiner

Kirche, ohne Arg und mit reinem Herzen die Tetzel'sche Ablasspra-

xis kritisierte, plötzlich gezwungen war, ein immer größeres Rad zu

drehen.

Luther wird nun bald die nächste überraschende Erfahrung ma-

chen: Er, der bisher ein fast kindliches Zutrauen in den fernen Papst,

dessen Kardinäle und Fürstbischöfe hatte, wird dieses kirchliche

Führungspersonal im weiteren Verlauf zum Teil persönlich kennen-

lernen und die Erfahrung machen, dass dessen Handeln von allem

Möglichen bestimmt ist, nur nicht von der Sorge um die Kirche und

der Verantwortung für die Gläubigen. Und bald merkt er auch, dass

er mit seiner naiven Unschuld mächtigen Gegenspielern in die Quere

gekommen ist und so ungewollt in die große Politik gerät. Die Kir-

chenführer, denen er bisher vorbehaltlos vertraut hatte, werden ihm

spinnefeind.

Die Geschichte einer enttäuschten Liebe beginnt. Aber Enttäu-

schungen sind »Ent-Täuschungen<<, der Verlust von Illusionen, also

Aufklärung, Erkenntnis. Luther wird über diese Desillusionierung

 

 

59

wortmächtig schreiben und sprechen und großen Widerhall finden

im Volk, denn halb gewusst, geahnt, vermutet hat man schon lange,

dass diesem kirchlichen Führungspersonal nicht zu trauen ist.

Aber wenn so eine Enttäuschung aus Liebe einmal begonnen hat,

bleibt es nicht bei bloßer Desillusionierung. Der Prozess entwickelt

sich weiter: Aus enttäuschter Liebe wird Hass.

Luthers eigenes Naturell hat dann erheblich dazu beigetragen,

dass sein klarsichtiger Zorn des Gerechten manchmal in blinden

Hass umschlug und er Gegen-Hass provozierte. So geriet er in im-

mer tiefere Konflikte mit den leitenden Herren der Kirche und des

Staates, später auch mit den Bauern und den Humanisten, hinein.

Jede Teufelei, die sich seine Gegner ausdachten, beantwortete er mit

einer eigenen Teufelei. Immer häufiger ging er »herzu wie ein šeblen'

det Pferd«, das dann ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Eigenge-

setzlichkeit entwickelte, die von niemandem mehr zu steuern und zu

stoppen war.

VI Rom – Die große Hure Babylon

60

Als Luther in Rom war, entstand dort gerade die große europäische

Kunst der Renaissance, und die Wissenschaft begann sich von der

Theologie zu emanzipieren. Die Stadt selbst, die damals rund 50 000

Einwohner zählte und damit bedeutend kleiner war als die Metropo-

len Vfnedig und Mailand, entwickelte sich aber dank der internationa-

en romıschen Kirche mit dem Papst als europäisches Machtzentrum

zum kosmopolitischsten Ort Europas” Und dank des ungeheuren

Drangs des Klerus nach Prunk und Glanz und Gloria, nach Bildern,

Skulpturen, Parks, Kapellen, Springbrunnen gab es für die Künstler

in Rom vıel zu tun. '

Für all das hatte Luther kaum einen Blick. Was ihm später als er

mit dem Papst schon heftig im Clinch lag, in der Erinnerung!unan_

genehm aufstößt, ist das geschäftliche Treiben an den Pilgerstätten

Vielleicht hätte er es schon damals am liebsten wie Jesus gemacht

der einst die Händler in Jerusalem aus dem Tempel getrieben hat.

Aber so weit war Luther damals noch nicht. Später hat er es getan

mit seinen Worten.

Auch für die hinter Rom stehende politisch-kirchliche Weltord-

nung hatte der fromme Mönch Luther noch kein kritisches Bewusst-

sein. Dass »Rom<< die damals herrschende Supermacht war die Kaiser

und Könige krönte,daran fand Luther nichts auszusetzen, betrachte-

te er doch deren Herrschaft, wie diese selbst als gottgewollt - Kaiser

von Gottes Gnaden, und auf dem Stuhl Petri dessen legitimer Nach-

folger, der Papst. In Rom .wurde das Bündnis von Thron und Altar zum beidersei-

tigen Vorteil erfunden. Der Kaiser beschützt den Papst vor seinen

Feinden. Der Papst legitimiert ihn dafür als gottgewollten weltlichen

Herrscher, dem alle Untertanen zu gehorchen haben

61

Der Papst führt Krieg oder lässt Kriege führen, wenn er seine Macht bedroht sieht.

Der Papst bestimmt, was als wahr zu gelten habe und was als Irrlehre

zu verwerfen sei. Und wenn ein kleiner König, Stadtfürst oder Ketzer

hier und da gegen die Papstherrschaft aufbegehren sollte, wurde er

eben vom Papst exkommuniziert, gebannt, verdammt, hingerichtet,

verbrannt oder militärisch bekämpft.

»Rom«, das war der Papst. Und der Papst war die Kirche. Ihre

führenden Köpfe, die Kardinäle und Bischöfe, lebten fürstlich auf

Kosten der Bauern und aller Übrigen, ließen sich auf Sänften tragen

und gründeten diese Privilegien auf den, der einmal gesagt hatte, im

Reich Gottes werden »die Letzten die Ersten und die Ersten die Letz-

ten sein<<. Sie lebten in Schlössern inmittenvon Luxus und Reichtum

und erzählten dem Volk von »Jesus Christus<<, dem Weltenherrscher

und Weltenlenker. Dass dieses arme, machtlose »Lamm Gottes« einst

gesagt hatte, die »Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem

Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein

Haupt hinlege« - erzählten sie dem des Lesens unkundigen Volk lie-

ber nicht.

Was sie erzählten, war eine andere Geschichte: Ihr seid Sünder,

und ihr seid alle verdammt, auf ewig in der Hölle zu schmoren, aber

ihr habt Glück, denn ihr habt uns, und ihr habt Jesus. Dieser ist für

eure Sünden gestorben und hat durch seinen Tod im Himmel einen

Schatz angehäuft, der allein schon reichen würde, um allen Men-

schen dieser Welt alle Sünden zu vergeben, aber es kommen auch

noch die Verdienste der Heiligen und der Gottesmutter Maria hinzu,

die diesen Schatz vergrößern. Und uns, Papst, Bischöfe und Priester

hat Jesus eingesetzt als Hüter und Verwalter dieses Schatzes.

Wir haben den Zugriff und dürfen ihn anzapfen zum Zweck der

Vergebung eurer Sünden. Aber diese Vergebung gibt es nicht um-

sonst. Ihr müsst etwas dafür tun: Bereuen, büßen, eine Kerze stiften,

so und so viele »Vater unser« oder »Ave Maria« beten, auf eine Pil-

gerreise gehen, nach Rom wallfahren, gute Werke tun, aber vor al-

lem und immer wieder: zahlen. Zuletzt, als Tetzel sein Ablassgeschäft

Szólj hozzá!

LUTHER DEUTSCH 62-67

2017. december 23. 11:12 - RózsaSá

62

optimierte, reichte es der Kirche, wenn gezahlt wurde. Allerdings

reichte es nie bis zur letzten Sicherheit für die Gläubigen, daher tat

man gut daran, immer wieder zu zahlen. Lag man auf dem Sterbebett

und verlangte nach der letzten Ölung durch einen Priester, empfahl

dieser, zur Sicherheit einen beträchtlichen Teil seines Vermögens der

Kirche oder einem Kloster zu vermachen.

Nicht nur jede Sünde hat ihren Preis. Alles hat einen Preis in

Rom. Jeder, der Bischof oder Kardinal werden wollte, muss zahlen.

Der Verkauf von Bischofsämtern und Kardinalswürden ist eine lukra-

tive Einnahmequelle für den Papst und für den Käufer eine Investiti-

on in seine Zukunft.

So entwickelte sich die Kirche zu einem mächtigen, reichen, mul-

tinationalen Konzern, der mit Priester-, Bischofs- und Verwaltungs-

posten, Sündenvergebung, Heilsversicherungen und J enseitsgaran-

tien handelte. Zeitweise befand sich rund die Hälfte des deutschen

Bodens im Besitz der mittelalterlichen Kirche. Wer sich bei diesem

Konzern ein Amt kaufte, tat dies in der Regel nicht aus Frömmigkeit

und dem ehrlichen Bestreben, Gott zu dienen, sondern aus dem Inte-

resse an einer sicheren Stellung, einem hohen sozialen Status, einem

guten Leben und einer ordentlichen Machtfülle. Es gab viele Gelegen-

heiten, sich zu bereichern und Freunden und Verwandten eine Stelle

oder anderweitige Vorteile zu verschaffen. Ein Studium der Theologie

war für den Erwerb eines Bischofsamts nicht nötig, ja nicht einmal

die Priesterweihe. Geld genügte und war eine sichere und rentable

Investition, denn man verfügte über genügend Untertanen, deren Ar-

beitskraft so weit ausgebeutet werden durfte, dass es für einen fürstli-

chen Lebensstil der Bischofsfamilien reichte.

Schon lange vor Luther hat es immer wieder Kritik an dieser to-

talen Verweltlichung und Kommerzialisierung der Kirche gegeben.

Aber alle guten Vorsätze und alle Bemühungen um Reformen ver-

liefen irgendwann im Sande. Die Profiteure des Systems sahen nicht

ein, warum sie etwas ändern sollten an einem System, das sich doch -

für sie - bewährt hatte. Unbekümmert und äußerst professionell ver-

63

arbeiteten sie den Schatz im Himmel, den Jesus und die Heiligen pro-

duziert hatten, zu handlichen Päckchen und verkauften ihn teuer in

alle Welt. Das erste multinationale kapitalistische Unternehmen war

entstanden. Immerhin hatte es auch eine soziale Komponente. Arme

bekamen den Ablass billiger oder sogar umsonst.

Und innovativ war man auch schon: Im Jahr 1476 erfand der Theo-

loge Raimund Peraudi den Ablass für die bereits Verstorbenen. De-

ren Aufenthalt im Fegefeuer konnte nun erheblich verkürzt werden,

wenn die Lebenden an die Kirche zahlten. Bereitwillig und schnell

gab der Papst dieser Erfindung seinen Segen, denn sein Geldbedarf -

und der seiner Kardinäle und Bischöfe ~ war unermesslich.23

Der Papst hieß damals Leo X. und war keineswegs, wie Luther ge-

dacht hatte, einer der reichsten Männer der Welt, sondern schrammte

hoch verschuldet bei den Fuggern immer knapp an der Pleite vorbei.

Zwar floss Geld in Strömen nach Rom, aber noch mehr als herein-

kam, gab der Papst aus. Seine Kriege, seine Bauwut, seine Förderung

der Kunst, notwendige Bestechungen, teure Gefälligkeiten, Feste, Ge-

lage, Mätressen, die Ansprüche der Familie, das alles verschlang mehr

Geld, als der Papst hatte.

Einer seiner Kunden war jener Albrecht von Brandenburg, Erz-

bischof von Magdeburg und Administrator der Diözese Halberstadt,

an den Luther seine 95 Thesen geschickt hatte, aber nie eine Antwort

bekommen hatte. Diesem Brandenburger Kirchenfürsten hatte nicht

gereicht, was er an Reichtümern schon besaß, er wollte noch mehr

und erkannte seine Chance, als das Erzbistum Mainz, ein ganz beson-

ders attraktives Kirchenstück, einen neuen Erzbischof brauchte. Der

Posten versprach nicht nur noch mehr Reichtum, sondern auch noch

mehr Macht. Der Erzbischof von Mainz war automatisch Reichskanz-

ler und deutscher Primas.“

Aber Rom verlangte für diese Goldgrube mehr, als Albrecht zahlen

konnte, dazu auch noch weitere jährliche Abgaben, denn eigentlich

war es nach dem Kirchenrecht verboten, mehr als einen Bischofssitz

innezuhaben. Aber wenn die Zahlung hoch genug war, konnte man

64

als Papst schon mal eine Ausnahme machen. Albrecht war gewillt,

jeden Preis zu zahlen, und lieh sich daher das Geld von den Fuggern.

So wurde er 1514 Erzbischof und Kurfürst von Mainz und ein guter

Kunde der Fugger.

Auch der Papst war ein wertvoller Fugger-Kunde, jedoch nur un-

ter der Bedingung, dass er immer pünktlich seine Raten für Zins und

Tilgung beglich. Sorgen machte der Bank, dass der Papst sich in das

Abenteuer des Petersdoms stürzte. Dessen Wiederaufbau hatte 70

Jahre zuvor unter Papst Nikolaus V. begonnen, war aber noch lange

nicht beendet und sollte nun nach Leos Willen zügig vorangetrie-

ben werden, einerseits zum höheren Ruhme Gottes, andererseits zum

höheren Ruhm von Leo X. Und das verschlang nun mal sehr hohe

Summen. "

Um hier mehr Sicherheit hineinzubringen, kam die Fuggerbank

auf die rettende Idee, Ablassbriefe in großem Stil und im ganzen

Reich zu verkaufen. Und so schlugen die Banker dem Papst vor, den

Erzbischof Albrecht von Mainz zum »päpstlichen Ablasskommissar«

zu ernennen. Er soll dafür sorgen, dass der Verkauf sicher und or-

dentlich über die Bühne gehe, dafür würde er an den Einnahmen be-

teiligt. Ein perfekter Deal, von dem alle profitieren: Die Gläubigen be-

kommen ihren Sündenerlass, Albrecht und Leo entledigen sich ihrer

Geldsorgen, auch für die mit dem Verkauf beauftragten Dominikaner

fällt etwas ab, die Bank macht ein gutes, sicheres Geschäft, und in

Rom wird die Peterskirche gebaut.

Es hätte alles so einfach und schön werden können, wenn ihnen

nicht dieser halsstarrige, weltfremde, unkooperative Wittenberger

Idiot Martin Luther in die«Quere gekommen wäre. Aber, so dachten

sie noch immer, mit dem werden wir schon fertig werden - wären

sie vielleicht auch geworden, wenn Luther allein in einem isolierten

Umfeld gehandelt hätte.

Aber er war nicht allein. Und sein Umfeld war bestens präpariert.

Die antiklerikale Stimmung - befördert durch Berichte und Gerüchte

über geldgierige Kleriker, geile Mönche, verlogene Priester - wurde

 

65

durch die Humanisten auf ein wissenschaftliches Fundament gestellt.

Durch ihr Studium alter Texte hatten sie sich zu intimen Kennern

des Wortes entwickelt, sich von der antiken Begeisterung für das

Wort und den Glauben an die Macht des Wortes anstecken lassen,

aber trotz aller Begeisterung die Texte kritisch gelesen.

Dafür hatten sie an etlichen europäischen Universitäten Metho-

den für die Analyse erarbeitet. Sie waren nun in der Lage, jeden Text

in all seinen Facetten systematisch zu untersuchen, zu gewichten

und aus dem Entstehungsdatum, der Herkunft, dem Anlass, dem Er-

scheinungsbild und seinem Gehalt die richtigen Schlüsse zu ziehen,

zum Beispiel, ob ein Text echt oder gefälscht ist.

Dazu hatte man allen Grund. ››In früheren Jahrhunderten hat-

ten Mönche in großem Stil und leichten Herzens Dokumente zum

größeren Ruhme Gottes gefälscht, insbesondere Urkunden, die den

rechtmäßigen Anspruch ihres Klosters auf Ländereien oder Privilegi-

en bezeugten. Diese Mönche hatten in einer Welt gelebt, in der es viel

zu wenige Dokumente gab, also mussten sie die nötigen Belege und

Urkunden selbst herstellen, um das zu beweisen, was sie aus tiefstem

Herzen als wahr und richtig erachteten.<<

Daher unterzogen die Humanisten auch kirchliche Dokumente

und Schriften der Kirchenväter ihrer kritischen Lesart. Und kamen

teilweise zu verblüffenden Ergebnissen. Zum Beispiel kam heraus,

dass es sich bei der ››Konstantinischen Schenkung« um eine um das

Jahr 800 gefälschte Urkunde handelt, die angeblich in den Jahren

315/317 vom römischen Kaiser Konstantin ausgestellt wurde. Darin

wird Papst Silvester I. (Pontifex von 314-335) und all seinen Nach-

folgern bis ans Ende der Zeit die Oberherrschaft über Rom, Italien,

die gesamte Westhälfte des Römischen Reichs, aber auch das gesam-

te Erdenrund mittels Schenkung übertragen. Mit diesem Dokument

in der Hand begründeten die Päpste territoriale Ansprüche und ihre

Herrschaft über die gesamte Christenheit.

Aus Dankbarkeit, so steht in der Urkunde, weil Silvester den Kai-

ser vom Aussatz geheilt habe, habe dieser dem Papst die kaiserlichen

66

Insignien und Vorrechte verliehen (Diadem, Purpurmantel und Zep-

ter). Somit stand also nun der Papst im selben Rang wie der Kaiser.

Drei Gelehrte des 15. Jahrhunderts - der deutsche Kardinal Niko-

laus von Kues, der Italiener Lorenzo Valla und der englische Bischof

Reginald Pecock - haben unabhängig voneinander diesen päpstlichen

Anspruch zu Fall gebracht mithilfe der neuen textkritischen Metho-

den, die sie zwischen 1432 und 1450 auf diese Schenkungsurkunde

angewendet hatten. Alle drei waren zu dem Schluss gekommen, dass

es sich um eine Fälschung handle, weil der Stil, in dem der Text ge-

schrieben ist, überhaupt nicht zu dem Stil passte, in dem im 4. Jahr-

hundert geschrieben wurde.25

Die drei Forscher haben das aber nie an die große Glocke gehängt.

Lange blieb das ein Wissen unter Eingeweihten. Luther und die Deut-

schen erfuhren davon erst, als der deutsche Humanist Ulrich von

Hutten (1488-1523) Vallas Traktat über die Fälschung übersetzen,

nachdrucken und ab 1517 verbreiten ließ. Nun war bewiesen, was

man schon immer geahnt hatte: ››Rom<< ~ das ist nicht nur der Ort,

an dem der Klerus in Saus und Braus lebt, das Geld der Gläubigen

verprasst, Mätressen beschäftigt, mit Ämtern schachert und dauernd

uneheliche Kinder zeugt, die es zu versorgen gilt, nein, Rom ist auch

ein einziger großer Priesterschwindel.

So arbeiteten Luther und die Humanisten zu Beginn der Reforma-

tion Hand in Hand gegen die römische Kirche. Das kleine Korn der re-

formatorischen Erkenntnis wurde vermehrt vom gerade erfundenen

Buchdruck, gesät von den Humanisten und Luthers Sympathisan-

ten, gewässert von Rom, gedüngt vom Dominikanermönch Tetzel -

und ging auf unter der Sonne der Renaissance, die aus Italien über

die Alpen schien.

67

VII Es geht los

Nicht nur Tetzel hatte sich in Rom über Luther beschwert. Auch je-

ner Albrecht von Brandenburg, der bei den Fuggern tief in der Krei-

de stand, seit er sich die Titel Erzbischof von Mainz, Metropolit der

Kirchenprovinz Mainz, Landesherr des Erzstifts Mainz, Kurfürst und

Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches teuer erkauft hatte, war

unter den Beschwerdeführern. Als päpstlicher Ablasskommissar durf-

te der Mann, der Luther nie auf dessen 95 Thesen geantwortet hat-

te, Zweifel an der Wirksamkeit des Ablasses gar nicht erst aufkom-

men lassen. Auch die Fugger, deren Abgesandte an jedem Abend das

neu eingenommene Sündengeld zählten, hatten ein vitales Interesse

an einer reibungslosen Fortsetzung des Geschäfts. Da störte dieser

Mönch aus Wittenberg gewaltig.

Nun liegen aber zwischen Wittenberg und Rom ungefähr andert-

halbtausend Kilometer. Eine einzelne Nachricht, die so einen weiten

Weg zurücklegen muss, verliert schon allein durch diese Entfernung

einen Teil ihrer Brisanz. Den Rest verliert sie, wenn der Adressat, in

diesem Fall also Papst Leo X., beim Eintreffen ganz andere Sorgen hat

und Nachrichten erhält, die zwar auch von weit her kommen, aber

sofortiges Handeln erfordern.

Und diese Nachrichten kamen von den Ostgrenzen des Reiches.

Die Osmanen breiteten sich immer mehr nach Westen aus, und wenn

sie nicht endlich gestoppt würden, stünden sie irgendwann vor Rom.

Daher rief Leo einige Stadtstaaten, Fürstentümer und den König von

Frankreich zu einem Kreuzzug auf, stieß aber auf wenig Begeiste-

rung und war nun damit beschäftigt, diese Begeisterung zu wecken.

Die Nachricht von dem Ärger mit diesem Luther erreichte den Papst

zu einer Zeit, in der es galt, eine schlagkräftige Koalition gegen die

Türken zu schmieden.

Szólj hozzá!

LUTHER-KÖNYV IRODALOM

2017. december 23. 08:07 - RózsaSá

 

 

v

Quellenverzeichnis

Hundert Kilometer Einsamkeit

1 Veit-Iakobus Dieterich, Martin Luther. Sein Leben und seine Zeit; dtv München

2013, S. 17 f.

2 Dieterich, S. 18

3 zit. nach Arnulf Zitelmann, »Widerrufen kann ich nicht«. Die Lebensgeschichte des

Martin Luther; Beltz und Gelberg, Weinheim 1983

4 Martin Luther: Gesammelte Werke, S. 1623 (vgl. Luther»W Bd. 2, S. 324) (c) Van-

denhoeck und Ruprecht, http://ww\v.digitale-bibliothelcde/band63.htm

Ein Mönch ,tielit seinen \\'eg

5 Thomas Kaufmann: Martin Luther, Verlag C.H.Beck, München 2010, S. 34

6 diese Route nennt Jutta Krauß in: Martin Luther. Lebensspuren, Schnell & Steiner,

Regensburg 2016, S. 84

7 Krauß, a.a.O., S. 86

8 Krauß, a.a.O., S. 101

Die Entdeckung eines neuen Gotleshbildes

9 Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, Verlag C.H.

Beck, München 2014, S. 128

10 Schilling, a.a.O., S. 128

Wie alles anfing

11 Zitelmann, a.a.O.

12 zit. nach Christiane Neuhausen, in: Die Welt vom 16.12.2015

13 Schilling, a.a.O.

14 http://www.luther.de/legenden/tanschl.html

15 Dietmar Pieper, Der Spiegel. Geschichte, Die Reformation. Aufstand gegen Kaiser

und Papst

16 Pieper, Spiegel, a.a.0.

17 Schilling, a.a.0., S. 145 `

18 Volker Reinhardt: Luther, der Ketzer. Rom und die Reformation, C.H.Beck Mün-

chen 2016, S. 15

19 Reinhardt, a.a.0.

20 Schilling, a.a.0, S. 145

21 Schilling, a.a.0.

Rom – die große Hure Babylon

22 Reinhardt, a.a.0., S. 30

23 Diarmaid MacCulloch: Die Reformation 14901700, DVA München 2008, Vgl. auch

John Hirst: Die kürzeste Geschichte Europas, Hoffmann und Campe, Hamburg

2012

24 MacCulloch, a.a.0, S. 174

25 MacCulloch, a.a.0, S. 123

Es geht los

26 Reinhardt, a.a.O., S. 96 f.

27 Martin Luther 1518: Gesammelte Werke, S. 7137

Reinhardt, a.a,O., S. 96 f.

Der Bruch. der Bann und der Beginn einer neuen Zeit

29 Ulrich Kopf; Martin Luther. Der Reformator und sein Werk, Reclam Stuttgart 2015

S. 64

(lt. Margot Käßmann, in: Spiegel Geschichte, Die Reformation)

Ein Fürst versteckt seinen Untertan vor Papst und Kaiser

31 Schilling, a.a.O., S. 204

32 Köpf, a.a.O., S.95

Die Erfindung der deutschen Sprache durch Junker Jörg

33 http://www.lutherhaus»eisenach_com/de/das»lutherhaus/luther~in»eisenach.html

34 Kaufmann, a.a.O„ S. 64

35 http://www.sueddeutsche.de/wissen/mittelalter-unbekannter-uebersetzte~bibel»jah»

re»vor»luther»1.2920S23

36 Dieterich, a.a.O., S, 75

37 Schilling, a.a.()., S. 243

38 Schilling, a.zı.O., S. 235

39 Harald Meller (Hrsg,): Fundsache Luther. Archäologen auf den Spuren des Refore

mators, Theiss. Darmstadt 2008, S. 100

Aufräumen in Wittenberg

40 Dieterich, a.a,O., S. 813

41 Köpf, a.a.O., S. 107

42 Jutta Krauß: Martin Luther. Lebensspuren, Schnell & Steiner, Regensburg 2016

Krauß, S. 100

43 Dieterich, a.a.O.. S. 80

Blut und Entzweiung

44 zit. nach Jutta Krauß: Martin Luther. Lebensspuren, Schnell & Steiner, Regensburg

2016, S. 188

45 Kaufmann, S. 81

46 Krauß, a.a.O.

Und plötzlich „Herr Käthe”

47 Zitiert nach Eva Zeller: Die Lutherin. Spurensuche nach Katharina von Bora, Piper,

München 2000, S. 20

48 zitiert nach Eva Zeller, Die Lutherin, S. 20; vergl. auch Martin Treu: Katharina von

Bora. Biographien zur Reformation, Drei Kastanien Verlag, Wittenberg 2013, S. 17

49 zitiert nach Bruno Preisendörfer: Ehe als Lebenspflicht bei Luther, Deutschland-

funk, 14. 10. 2015

50 zitiert nach Reimar Zeller: Luther, wie ihn keiner kennt, Herder, Freiburg 1982, S. 9

51

alle Briefanreden zitiert nach R.Z., s.o. S. 148, S. 157 f.

52 zitiert nach Veit-Jakobus Dieterich, Munchen 2013, Martin Luther, S. 125

53 zitiert nach Martin Treu, Wittenberg 2013, Katharina von Bora, S. 27

54 zitiert nach Dieterich, 5.0. , S. 126

55 zitiert nach Wilhelm Lindemann: Reformation heute, Schriftenreihe der EKD zum

500. Jubiläum der Reformation

56 zitiert nach Dieterich, s.o., S. 90

57 zitiert nach Treu, 5.0., S. 31 f.

58 ebenda, S. 33

59 zitiert nach Eva Zeller, s.o., S. 94

60 zitiert nach Dieterich, s.o., S. 128

61 zitiert nach Dieterich, S. 131

62 zitiert nach Eva Zeller, S. 82

63 zitiert nach Dieterich, S. 128

64 ebenda

65 ebenda, S. 90

66 ebenda, S. 125

67 ebenda

es ebenda, S. 136

69 ebenda, S. 135

70 ebenda, S. 127

71 zitiert nach Eva Zeller, S. 155

72 ebenda

73 zitiert nach Dieterich, S. 135

74 ebenda

75 zitiert nach Treu, S. 70

76 ebenda, S. 71

77 zitiert nach Dieterich, S. 125 f.

78 il. Korinther 14, 3335, zitiert nach Petra Gerster, Andrea Stoll: Ihrer Zeit voraus,

cbj, München 2009, S. 47 '

79 Zitiert nach Petra Gerster, Andrea Stoll, ebenda, S. 91

80 Vgl. auch ebenda, S. 45 ff.

Der Patriarch von Wittenberg

81 Kopf, a.a.O. S. 223

82 Schilling, a.a.O.. S. 524

83 Dieterich, a.a.0., S. 191

84 Schilling, a.a.O., S. 526

85 Dieterich, a.a.O., S. 191

86 Dieterich, a.a.0., S. 192

87 Vgl. http://kath-zdw.ch/maria/texte/luthers.lebensendehtm

Luther -- wer war er eigentlich?

88 https://www.ekd.de/glauben/abc/lutherischer_Weltbund.html

89 Aus GW, »Eine treue Vermahnung an alle Christen, sich zu hüten vor Aufruhr und

Empörung«, S. 4219

90 http://www.luther2017.de/kr/wiki/jubilaeum/lutherbilder-im-wandel-derfzeiten-V

91 Christoph Markschies: Beinahe ein Heiliger, in: Rotary Magazin 4/2012

92 Christoph Markschies, a.a.O.

93 http://www.francke-halle.de/neuigkeiten»n»8604.html

94 Hartmut Lehmann: Die Deutschen und ihr Luther, in: Frankfurter Allgemeine Zei-

tung, 26.08.2008

95 zit. nach Hartmut Lehmann: Reformationsjubiläum 2017. Vom Helden zur Null?,

in: FAZ, 26.10.2014

96 http://wwwsonntagsblatt.de/archiv01/44/woche9.htm

97 Hartmut Lehmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2008, a.a.O.

Die Protestanten f \</'zıruni die Welt sie geratle jctzl braucht

93 Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. 1941, 18

99 Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur, S. Fischer, Frankfurt/M 1974

100 Süddeutsche Zeitung, 24.07.1999

Literaturverzeichnis

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(Ebook Digitale Bibliothek Band 63)

Martin Luther: Tischreden. Vom Einfachen und Erhabenen, hrsg. von Thomas Walldorf,

Marix Verlag, Wiesbaden 2014 (Ebook)

Martin Luther: Vom unfreien Willen (An Erasmus von Rotterdam), e~artnow 2015

(Ebook)

Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen, ofcl edition, Norderstedt

2015 (Ebook)

Diarmaid MacCulloch: Die Reformation 14901700, DVA Miinchen 2008

Veit›Jak0bus Dieterich: Martin Luther. Sein Leben und seine Zeit, dtv München 2013

Frauen der Reformation, Katalog zur Wanderausstellung 2012 der Evangelischen

Frauen in Mitteldeutschland

Petra Gerster, Andrea Stoll: Ihrer Zeit voraus, Frauen verändern die Welt, cbj, München

2009

John Hirst: Die kürzeste Geschichte Europas. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012

Katharina von Bora: An der Seite von Martin Luther, Hörspiel 2009

Thomas Kaufmann: Geschichte der Reformation, Verlag der Weltreligionen im Insel

Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2009

Thomas Kaufmann: Martin Luther, Verlag C.H.Beck, München 2010 (Ebook)

Ulrich Köpf: Martin Luther. Der Reformator und sein Werk, Reclam Stuttgart 2015

(Ebook)

Jutta Krauß: Martin Luther. Lebensspuren, Schnell & Steiner, Regensburg 2016

Volker Leppin: Martin Luther. Vom Mönch zum Feind des Papstes, Lambert Schneider,

Darmstadt 2015 (Ebook)

Harald Meller (Hrsg.): Fundsache Luther. Archäologen auf den Spuren des Reforma-

tors, Theiss, Darmstadt 2008

Volker Reinhardt: Luther, der Ketzer. Rom und die Reformation, C.H.Beck, München

2016

 

 

Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, C.H.Beck, München

2014 (Ebook)

Der Spiegel Geschichte, Die Reformation. Aufstand gegen Kaiser und Papst

Martin Treu: Katharina von Bora. Biographien zur Reformation, Drei Kastanien Verlag,

Wittenberg 2013

Eva Zeller: Die Lutherin. Spurensuche nach Katharina von Bora, Piper, München 2000

Reimar Zeller: Luther, wie ihn keiner kennt. Lutherbiefe aus dem Alltag, Herder, Frei-

burg 1982

Arnulf Zitelmann, ›>Widerrufen kann ich nicht«. Die Lebensgeschichte des Martin

Luther, Beltz und Gelberg, Weinheim 1983

Bildnachweis

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